Politik und Waffenrecht

Niedersachsen hat im Januar gewählt und das knappe Ergebnis verheißt für Waffenbesitzer nichts Gutes. Obwohl die FDP immerhin 9,9 Prozent der Stimmen erhielt, regiert dort in Zukunft keine schwarz-gelbe, sondern eine rot-grüne Koalition. Vorweg aber eine Bemerkung in eigener Sache: Die VISIER-Redaktion ist keine Außenstelle der Liberalen und auch kein Zentrum für Grünen-Bashing. Es wäre ja ganz wunderbar, wenn die Legalwaffenbesitzer auch in den linken Parteien Unterstützer finden könnten. Oder wenigstens Gegner des Waffenbesitzes, die sich auf Sachargumente einlassen und ergebnisoffen diskutieren. Nur: So ist es es nicht. Das kann jeder Zweifler auf der Webseite der Grünen www.gruene-bundestag.de nachlesen. Unter der Überschrift „Newtown darf nicht Neustadt werden“ findet sich dort folgendes: „Wir fordern daher noch einmal mit Nachdruck:

- Großkaliber-Kurzwaffen für den privaten Besitz und die private Nutzung zu verbieten,

- halbautomatische Feuerwaffen vom Schießsport auszuschließen,

- den privaten Waffenbesitz per Gesetz generell weiter zu begrenzen,

- eine Neuauflage der Amnestieregelung von 2009 zu prüfen und

- den Vollzug der waffenrechtlichen Vorschriften auf Landes- und kommunaler Ebene zu verbessern.“

 

Eine kurzfristige VISIER-Anfrage, wie die ersten beiden Punkte gemeint sind, blieb bis zum Redaktionsschluss leider unbeantwortet. Dabei wüssten viele Betroffene zum Beispiel gern, ob die Grünen auch großkalibrige Sammlerwaffen  verbieten wollen. Nimmt man den zweiten Punkt wörtlich, dann wollen die Abgeordneten sogar halbautomatische Kleinkaliber-Pistolen vom Schießsport ausschließen.

Klare Fronten: So manch ein mächtiger Sozialdemokrat stößt ins gleiche Horn. Radio Bremen berichtete schon Silvester 2012, dass Bremens Innensenator Ulrich Mäurer „keine Begründung“ dafür sehe,  „die den Besitz von Großkaliberwaffen mit hoher Durchschlagskraft rechtfertigen könnte“. Der Sender zitiert den Politiker: „Ich setze darauf, dass sich die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag im Jahre 2013 so verändern, dass eine Reform des Waffengesetzes Aussicht auf Erfolg hat.“ Noch etwas klarer: Wenn die Mehrheiten es erlauben, dann kommt das Großkaliberverbot. Lautstarken öffentlichen Widerspruch von seinen Genossen aus der Bundestagsfraktion  oder der Parteizentrale erntete Mäurer übrigens nicht. Was vermuten lässt, dass die SPD die Ansicht des Innensenators teilt. Denn Ähnliches fand sich schon vor der letzten Bundestagswahl  im Wahlprogramm der Partei.

 

 All das sind unmissverständliche Botschaften. 2013 könnte zum Schicksalsjahr für die deutschen Sportschützen und Waffensammler werden. Im Herbst finden die Landtagswahlen in Hessen und Bayern statt. Und am 22. September stimmen die Bürger über den nächsten Bundestag und damit über die nächste Bundesregierung ab. Dabei sollte niemand die Bedeutung der Landespolitik unterschätzen: Das Waffenrecht ist zwar Bundesangelegenheit. Doch von den Landtagswahlen hängen die Mehrheiten im Bundesrat ab. Und die Länderkammer startete schon manche sogenannte Bundesratsinitiative für eine Verschärfung des Waffenrechts.

Im Fokus des Verfassungsschutzes:  Das jüngste Beispiel dafür liegt gerade einige Wochen zurück. In der Drucksache BR 744/12 beschloss die Länderkammer am 1. Februar eine Ergänzung des Zuverlässigkeitsbestimmungen. In § 5 Absatz 5 Satz 1 soll ergänzt werden durch :

„4. die Auskunft der Verfassungsschutzbehörden, ob Erkenntnisse vorliegen, die für die Beurteilung der Zuverlässigkeit nach Absatz 2 Nummer 2 und 3 bedeutsam sind.“ Stimmt der Bundestag zu, dann wird künftig bei der Zuverlässigkeitsüberprüfung eines jeden Waffenbesitzers der Verfassungsschutz befragt. Die Begründung für diese Idee spricht – wieder einmal – für sich: „Aufgrund der Ermittlungsergebnisse im Zusammenhang mit der so genannten ‚Zwickauer Terrorzelle‘ ist deutlich geworden, dass der legale Waffenbesitz von Extremisten ein erhebliches sicherheitspolitisches Problem darstellt.“ Ob die Verfasser dieser Zeilen solchen Quatsch wirklich glauben? Die Mörder des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) haben schließlich keine Sportwaffen für ihre Taten benutzt.

 

Schon jetzt ermöglicht § 5 WaffG, Personen die waffenrechtliche Zuverlässigkeit abzusprechen, welche „Bestrebungen verfolgen oder unterstützen oder in den letzten fünf Jahren verfolgt oder unterstützt haben, die gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung gerichtet sind“. Die Begründung der Bundesratsdrucksache behauptet:  Diese Vorschrift könne in der Praxis bisher nicht vollständig angewendet werden, da es keine Verpflichtung zur regelmäßigen Abfrage von Erkenntnissen der Verfassungsschutzämter für die Waffenbehörden gebe. „Einzig die Verfassungsschutzbehörden verfügen jedoch über Informationen, die die Waffenbehörden bei der Anwendung des § 5 WaffG benötigen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Waffenbesitzer bisher noch nicht polizeilich in Erscheinung getreten ist.“

 

Nun sind die meisten Sportschützen, Sammler und Jäger – wie die überwiegende Mehrheit der anderen deutschen Bürger auch – zweifellos Demokraten. Sie wollen genauso wenig Rechtsextreme wie Islamisten oder Kriminelle in ihrem Schützenverein. Deshalb erntete der stellvertretende Vorsitzende und innenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Bayerischen Landtag, Dr. Andreas Fischer, reichlich Beifall von vielen Legalwaffenbesitzern für seine Presseerklärung:  „Wieder einmal soll das Kind mit dem Bade ausgeschüttet werden: Weil es in einem Einzelfall einen Extremisten mit einer waffenrechtlichen Erlaubnis gegeben haben soll, sollen gleich alle Besitzer legaler Waffen wieder einmal unter Generalverdacht gestellt und verstärkt geprüft werden.“ Und weiter: „Wer immer noch nicht begriffen hat, dass der legale Waffenbesitz kein Sicherheitsproblem ist, sondern illegale Waffen und überforderte, ineffiziente Verfassungsschutzbehörden, die bei der NSU-Mordserie nach Strich und Faden versagt haben, schadet gleichermaßen dem Vertrauen in den Rechtsstaat und der inneren Sicherheit.“ Das bringt die Sache auf den Punkt. Das Hauptproblem waren und sind nicht legale Waffen in  den Händen gewaltbereiter Extremisten, sondern illegale. Einschließlich derer, die im Laufe der letzten Jahrzehnte der Bundeswehr und den Behörden abhanden kamen. Abgesehen davon: Der Staat  muss keineswegs den Verfassungsschutz für die Zuverlässigkeitsprüfung aller Sportschüt-

zen, Jäger und Waffensammler bemühen. Genausogut könnte die Politik eben diese Ämter gesetzlich verpflichten, entsprechende Erkenntnisse einfach von selbst an das Zentrale Waffenregister  zu melden. Wozu Haare in der Suppe suchen, die man längst herausgefischt hat?  Geht es hier vielleicht gar nicht um die öffentliche Sicherheit, sondern um das Aufpolieren des ramponierten Verfassungschutz-Images? Oder wollte der eigentliche Antragsteller – das noch von CDU und FDP regierte Niedersachsen – nur zeigen, dass man etwas gegen die Rechtsradikalen tut? Wie auch immer: Die Regelung verfehlt ihren Zweck. Die Länderkammer beschloss sie trotzdem – wenn das kein Generalverdacht gegenüber allen Legalwaffenbesitzern ist, was dann? Übrigens stimmte Bayern im Bundesrat dagegen. Und entgegen allen Gerüchten: Das Forum Waffenrecht setzte sich von Anfang an gegen diesen Unsinn ein.

Die letzte Instanz: Nicht wenige Waffenbesitzer glauben, dass das Bundesverfassungsgericht ein Verbot von Großkabliber-Kurzwaffen und andere Zumutungen aus dem Gesetz kippen würde, wenn nur jemand dagegen klagt. Einige Juristen meinen zudem, dass ein rückwirkendes Verbot etwa von Halbautomaten einer entschädigungslosen Enteignung gleichkäme, da die Besitzer keine reale Chance hätten, ihre Waffen an einen Berechtigten zu veräußern und deshalb zerstören lassen müssten. Aus dieser Sicht hätte eine – gut vorbereitete – Klage in Karlsruhe wohl einige Aussicht auf Erfolg. Doch das sind im Moment nichts weiter als Spekulationen. Vorher entscheiden die Bundesrichter in den roten Roben jedoch zuerst einmal über die Klage von Eltern der Winnenden-Opfer und der Initiative „Keine Mordwaffen als Sportwaffen“ um Roman Grafe. Der Gerichtssprecher Bernd Odörfer bestätigte telefonisch gegenüber VISIER, dass die Karlsruher Entscheidung bis Ende Februar fallen soll. Der zuständige Senat wird dabei zunächst darüber befinden, ob die Klage überhaupt angenommen wird. Falls ja, gibt es auch ein richtiges Urteil. Die
Beschwerdeführer verlangen nach eigener Darstellung ein „Verbot tödlicher Sportwaffen, egal welchen Kalibers“, sofern nicht ein „zwingendes persönliches oder berufliches Interesse“ entgegensteht. Das geltende Waffengesetz stelle das Recht auf Ausübung des Schießsports mit tödlichen Waffen über das grundgesetzlich garantierte Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.

Freiheit gibt es nicht auf Vorrat: Selbstverständlich wird VISIER darüber weiter berichten. Das genügt allerdings nicht, wenn Sportschützen, Sammler und Jäger auch nach dem 22. September 2013 ihrem Hobby weiter nachgehen wollen. Es ist wichtig, dass bei den Wahlen kein Legalwaffenbesitzer zu Hause bleibt. Die Bundesratsinitiative und die Verfassungsklage zeigen, dass auch das nicht reicht. Die Zukunft des Legalwaffenbesitzes entscheidet sich nicht nur alle vier Jahre. Jede abgeschlossene Rechtsschutzversicherung hilft der Sache. Und sind Sie schon Mitglied im Forum Waffenrecht oder bei prolegal?

 

   Ein All4Shooters-Beitrag von