UPDATE 16.09.2024: Wir haben mit unserer Autorin des Beitrags, Nina Naske (Rechtsanwältin), nun zusätzlich ein Video-Interview geführt. Das finden Sie direkt oben. Im Video geht es um die Debatte zum sogenannten Sicherheitspaket der Ampelregierung und um weitere Verschärfungen im Waffengesetz 2024. Zusammengefasst werden folgende drei Punkte angesprochen:
- Messer und Waffenrecht - was kommt auf jeden Bürger und auch Waffenbesitzer zu?
- Befugnisse von Polizei und Behörden - wie sehr schränkt man damit die Freiheit ein?
- Wie schaffen wir es, durch eine vernünftige Migrationspolitik, wieder Sicherheit im Land herzustellen?
Jetzt bitte das komplette Video anschauen. Am Ende des Videos finden Sie auch zwei Aktionen. Einmal vom (VDB Briefgenerator) und zum Zweiten vom BZL (Petition).
Mit unserem Kommentar zu den geplanten Änderungen im Waffenrecht und den Konsequenzen geht es hier weiter:
In der Bundesrepublik Deutschland nimmt die Anzahl der von islamistischen Tätern verübten Straftaten gegen das Leben und die körperliche Unversehrtheit zu. Zuletzt hat der Vorfall in Solingen am 23. August 2024 die Menschen im Land in Wut versetzt: Ein mit einem Messer bewaffneter Mann verletzt und tötet mehrere Menschen auf einem Volksfest. Niemand greift ein, dem Täter gelingt die Flucht vom Tatort. Nach bisherigen Erkenntnissen handelt es sich um einen islamistisch motivierten Terroranschlag.
Freilich, am 5. September 2024 hat die Polizei in München gezeigt, wie die Situation sich stattdessen beherrschen lässt: Der geübte Schütze beendet den Anschlagsversuch, der islamistische Täter wird kampfunfähig geschossen und im konkreten Fall in München dabei getötet.
Die Abwehr der konkreten Gefahr erfordert, das zeigt München, keine Ausweitung von Polizeibefugnissen, keine Überwachung und keine Kontrolle von Jedermann und Jederfrau. Es braucht nur den wirkungsvollen Vollzug der bestehenden Polizeigesetze am richtigen Ort und zur richtigen Zeit. Erforderlich ist dafür eine gut ausgebildete und gut ausgestattete Polizei, die ihre bereits bestehenden Befugnisse im konkreten Einzelfall zu nutzen versteht.
Das Sicherheitspaket und Änderungen im Waffengesetz: Die Bundesregierung will offenbar weniger Freiheit für alle
Aber wirkungsvolle Polizeiarbeit ist nicht das, was die Bundesregierung und die Politiker der Ampelparteien vorschlagen. Gefordert werden stattdessen weitere Freiheitseinschränkungen, die sich vorrangig gegen die Allgemeinbevölkerung richten.
Für die Bundesregierung haben Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann (FDP) und Staatssekretärin Anja Hajduk aus dem Bundesklimaschutzministerium (Grüne) am 29. August 2024 ein „Sicherheitspaket“ als Reaktion auf den Anschlag in Solingen vorgestellt. Unter ferner liefen werden auch einige Änderung des Asyl- und Aufenthaltsrechts benannt. Den Schwerpunkt bilden aber andere Maßnahmen: Geplant sind die Erweiterung von Polizeibefugnissen und eine Reihe von Änderungen im Waffenrecht, die sich gegen jedermann richten. Eingeführt werden soll insbesondere die Polizeibefugnis zum „biometrischen Abgleich von Internetdaten“ und für den „Einsatz künstlicher Intelligenz“. Der automatisierte Abgleich von Bildern im Internet und den Sozialen Medien soll damit massenhaft ermöglicht werden. Jedermann und Jederfrau wird zum Fahndungsmaterial für die KI. Das ist der nächste Schritt auf dem Weg zum Überwachungsstaat und ein gravierender Freiheitsverlust.
Wie immer stellt sich die Frage, wie viel Freiheit noch abgeschafft werden kann, ohne dass von Freiheit schließlich nichts mehr übrig ist. Viele Stimmen beschreiben die Gesamtschau aller bereits bestehenden Gesetze und Rechtsvorschriften bereits jetzt als Überregulierung, Bürokratieüberlast und überdrehte Massenüberwachung.
Aber selbst wer meint, es sei problemlos möglich, weitere Freiheitseinschränkungen vorzunehmen, trotzdem bleibe noch genug Freiheit übrig, der wird nicht an der Erkenntnis vorbeikommen: Erweiterte Fahndungsbefugnisse der Polizei sind dem Täter, der sich nach dem Messerattentat der Polizei stellt, während die Terrororganisation IS ein Bekennervideo veröffentlicht, ganz egal.
Islamistische Terroristen beantragen keine Waffenbesitzkarte
Auch zu erwarten war die Nummer 1 auf der von der deutschen Bundesregierung am 29. August 2024 benannten Maßnahmenliste: Das Waffenrecht soll verschärft werden! Der jetzt als Bundestagsdrucksache 20/12805 veröffentlichte Gesetzesentwurf der Bundestagsfraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP eines „Gesetzes zur Verbesserung der inneren Sicherheit und des Asylsystems“ zeigt, was konkret geschehen soll. Die Waffenbehörde soll ermächtigt und beauftragt werden, ihre Kommunikation mit dem Antragsteller oder Inhaber waffenrechtlicher Erlaubnisse und öffentlich zugängliche Quellen nach Meinungsäußerungen oder Verhalten zu durchsuchen, aufgrund derer sich Zweifel an der Zuverlässigkeit oder Eignung ergeben sollen. Außerdem soll die Waffenbehörde die Befugnis bekommen, ohne vorheriges Verwaltungsverfahren oder Bescheid sofort zuzugreifen und Waffen oder Munition sicherzustellen und soll dafür ohne Zustimmung des Betroffenen dessen Wohnung durchsuchen dürfen, bei Gefahr im Verzug auch ohne Richterbeschluss. Diese und eine Reihe weiterer Waffenrechtsverschärfungen treffen jeden Inhaber waffenrechtlicher Erlaubnisse und jeden, der es noch werden will.
Die Jäger, die Sportschützen, die Büchsenmacher, Waffenfachhändler und anderen Inhaber waffenrechtlicher Erlaubnisse in Deutschland verstehen, was da auf sie zukommt. Die waffenrechtlichen Erlaubnisse werden über die Hebel der Zuverlässigkeit und der Eignung weiter ausgebaut zum Überwachungswerkzeug in der Hand der Waffenbehörden, die weisungsunterworfene Vollzugsbehörden sind und sich über Erlasse und Verwaltungsvorschriften vom Bundesministerium des Inneren aus steuern lassen. Jederzeit droht die Hausdurchsuchung, bei der Waffen und Munition vorläufig sichergestellt werden. Gerade für Gewerbetreibende kommt der Rechtsschutz dann schnell zu spät, ihnen droht mangels Handelsware die Insolvenz, noch bevor ein Verwaltungsgericht über die Rechtmäßigkeit der Maßnahmen entschieden hat.
Es dürfte niemanden geben, der nicht sofort erkennt und versteht: Diese Forderungen nach Waffenrechtsverschärfungen haben mit der aktuellen Bedrohungslage durch islamistischen Terror nichts zu tun. Solche Täter beantragen keine waffenrechtlichen Erlaubnisse. Durch Verbote lassen sie sich nicht abschrecken. Mit waffenrechtlichen Vorschriften und Verboten lässt sich gegen sie nichts ausrichten.
Waffen- und Messerverbote gelten für jeden Bürger
Stattdessen wird die Freiheit derer eingeschränkt, die sich an das Waffenrecht halten und halten wollen. Aber die geplanten Änderungen im Waffenrecht treffen dieses Mal nicht nur die Hunderttausenden, die Inhaber waffenrechtlicher Erlaubnisse sind, sondern außerdem auch die breite Allgemeinbevölkerung. Der Gesetzesentwurf aus dem September 2024 sieht die Einführung bußgeldbewehrter Waffen- und Messerverbote vor, die für jeden gelten. Soweit Waffen verboten werden, zählen dazu auch die wenigen verbliebenen legalen Mittel der Selbstverteidigung wie beispielsweise CS-Abwehrspray. In den von den Ländern durch Rechtsverordnung festzulegenden Verbotszonen, also beispielsweise in Innenstadtbereichen, und im öffentlichen Personenverkehr darf das CS-Abwehrspray künftig nicht mehr einsatzbereit mitgenommen werden; der Transport von einem Ort zum anderen darf nur „nicht zugriffsbereit“ stattfinden. Die junge Frau in Bus oder Bahn oder auf dem Weg durch die dunkle Innenstadt, wenn sie eine Verbotszone durchquert, muss das CS-Abwehrspray also in der mit einem Schloss oder einem Rappband oder ähnlich verschlossenen Tasche tragen und darf die Tasche nicht öffnen. Gleiches gilt für andere erlaubnisfreie Waffen.
Nach dem Gesetzesentwurf (BT Drs. 20/12805) sollen außerdem Messer jeder Art und Größe (Babybesteck, Buttermesser, Brotmesser, Taschenmesser, Küchenmesser und jedes andere Messer) für jedermann bei öffentlichen Veranstaltungen, in den von den Ländern durch Rechtsverordnung festzulegenden Verbotszonen (öffentliche Plätze, Straßen, Schulen oder auch Personennahverkehr) und im öffentlichen Personenfernverkehr verboten werden. Zwar soll es Ausnahmen vom Waffen- und Messerverbot geben, diese sind aber unterschiedlich ausgestaltet je nachdem, ob es um eine öffentliche Veranstaltung, öffentliche Plätze oder Straßen, sonstige Orte oder den öffentlichen Personenverkehr geht. Wer aus dem Haus geht, muss also stets gut überlegen und vorausplanen, denn je nachdem, welchen Weg er nimmt, ist das Taschenmesser erlaubt oder verboten. Sogar das Buttermesser darf bei öffentlichen Veranstaltungen (das ist nicht nur Wacken, sondern auch das Klassikkonzert mit Picknick im Park) oder im öffentlichen Personenfernverkehr (Campingausflug mit dem Enkel also nur noch mit dem Auto!) und in den Verbotszonen (das können Bereiche der Innenstadt, Schulgebäude und viele andere Orte sein) nur „nicht zugriffsbereit“ geführt werden, es sei denn, dass eine Ausnahmebestimmung greift – aber für Picknick, Camping oder Schulbrot, die Versorgung von Haustieren und viele andere gewöhnliche Lebenslagen, in denen Messer nützlich oder unverzichtbar sind, sind keine Ausnahmen vorgesehen. Ausnahmen gelten stattdessen nur für die Zwecke der Berufsausübung, den Rettungs- und Katastrophenschutz und ähnliche Sondergruppen. Damit wird in weiten Bereichen des öffentlichen Lebens für jedermann jede Art von Messer verboten sein. Der Verstoß ist eine Ordnungswidrigkeit und kann mit einem Bußgeld geahndet werden.
Schließlich sieht der Gesetzesentwurf vom September 2024 (BT Drs. 20/12805) auch eine neue Befugnis der zuständigen Behörden (das kann die Polizei sein oder das Ordnungsamt, je nach Zuständigkeitsregelung) für anlasslose Polizeikontrollen vor. Personen dürfen kurz angehalten, befragt und mitgeführte Sachen dürfen in Augenschein genommen und die Person darf durchsucht werden. Die Auswahl der kontrollierten Personen darf aber nicht nach Geschlecht, Abstammung, Rasse, Sprache, Heimat und Herkunft, Glauben, religiöser oder politischer Anschauungen oder Behinderung erfolgen. Also hat bei öffentlichen Veranstaltungen, in Verbotszonen oder im Personenverkehr künftig jeder damit zu rechnen, durchsucht zu werden.
Gewiss, § 42 und § 42a des deutschen Waffengesetzes beinhalten schon jetzt Waffen- und Messerverbote und eine Ermächtigung der Länder zur Einrichtung von Verbotszonen. Auch gibt es bereits weitreichende Polizeibefugnisse zur Personenkontrolle, gerade bei öffentlichen Veranstaltungen. Aber das ist kein Grund, die geplanten Gesetzesänderungen einfach durchzuwinken. Stattdessen ist die von der Bundesregierung geplante Verschärfung zu Lasten der Bürger ein dringender Grund, auch die schon bestehenden Verbotsvorschriften neu in Frage zu stellen.
Politische Debatten über Zielsetzung und Eignung der Maßnahmen zur Verbesserung der inneren Sicherheit in Deutschland
Die öffentliche Diskussion befasst sich bereits mit der Untauglichkeit der von der Bundesregierung geforderten und jetzt von den Fraktionen der Ampelparteien als Gesetzesentwurf vorgelegten Maßnahmen. Freiheitlich-konservative Stimmen betonen, dass Messerverbote für jedermann nicht geeignet sind, das Problem islamistischer Terrorangriffe auf den Marktplätzen und Straßen zu lösen, und eine Ausweitung der Überwachung der Inhaber waffenrechtlicher Erlaubnisse keine Auswirkungen hat auf Menschen wie jene, die in Mannheim, Solingen und anderswo schwere Straftaten begangen haben. Der Täter, der in Mannheim einen Polizisten mit einem Messer ermordet hat, kümmert sich nicht um Verbote. Selbstverständlich hat er auch nie eine waffenrechtliche Erlaubnis beantragt. Genau so der Täter in Solingen, zumal dort sogar, weil es sich um eine öffentliche Veranstaltung handelte, das Führen von Messern verboten war.
Aber das weiß die deutsche Bundesregierung und es wissen auch die meisten anderen Politiker, die sich für eine Verschärfung des Waffenrechts und weitere Freiheitseinschränkungen aussprechen. Nancy Faeser und all die anderen haben genug Sachverstand und Vorstellungsvermögen, um zu erkennen, dass diese Maßnahmen jene Taten nicht verhindern werden, welche die Öffentlichkeit in Deutschland zur Zeit in Atem halten. Wenn trotzdem mehr Polizeibefugnisse, Waffenrechtsverschärfungen und sogar Messerverbote für die Allgemeinheit gefordert werden, dann lässt dies deshalb nur einen Schluss zu: Um Taten wie in Mannheim oder Solingen geht es gar nicht, sondern sie dienen nur als Aufhänger, um genau das durchzudrücken, was ohnehin auf der Agenda steht. Es geht um noch mehr Kontrolle des Staates über seine Bürger. Jetzt wird sogar noch in der Hosentasche nach dem Taschenmesser gesucht.
Freiheit muss sich nicht rechtfertigen
Mit den verfassungsrechtlichen Grundsätzen, an die sich zwar nicht der politische Diskurs, wohl wohl aber die Gesetzgebung halten muss, lässt sich diese Politik immer weniger vereinbaren. Dazu gehört zunächst das Prinzip, dass der Bürger sich für sein Tun und Lassen nicht rechtfertigen muss, sondern seine durch die Grundrechte geschützte Freiheit ohne weitere Begründung ausleben darf. Einer Rechtfertigung bedarf immer nur die vom Staat aufgezwungene Einschränkung der Freiheit. Dabei ist Freiheit ist die Regel, die Freiheitsbeschränkung muss die Ausnahme bleiben. Nachzulesen sind diese Grundsätze in den Artikeln 1 bis 20 Grundgesetz und in der EU-Grundrechte-Charta. Das deutsche Waffengesetz steht mit diesen Grundsätzen schon lange auf Kriegsfuß, denn wegen des Bedürfnisprinzips darf der Bürger, der Waffen erwerben, besitzen und nutzen will, dies nur, wenn er einen der dafür vom Gesetz vorgesehenen Gründe für sich beanspruchen kann. Das ist in etwa so, als würden nur jene Menschen eine Fahrerlaubnis bekommen, die bestimmten Berufen nachgehen oder Aufgaben erfüllen, für deren Zwecke der Gesetzgeber ein Auto für notwendig hält. Gestört hat das im Waffenrecht bisher nur deshalb so wenige, weil gerade für die Jäger und die Sportschützen das Bedürfnis gesetzlich anerkannt ist, Schusswaffen zu kaufen und für die Zwecke der Jagd oder des Schießsports zu nutzen. Mit den jetzt geplanten Waffen- und Messerverboten wird jedoch genau dieses Bedürfnisprinzip ausgeweitet auf Alltagsverhalten von Jedermann und Jederfrau. Nach dem Gesetzesentwurf soll jeder sich rechtfertigen müssen, warum er ein Messer bei sich führen will, und die Angabe, weil es praktisch für vielfältige Lebenslagen sei, genügt als Begründung nicht. Es muss eine Ausnahme aus dem Ausnahmekatalog sein, anderenfalls begeht der Mensch eine Ordnungswidrigkeit. Wer mit dem Taschenmesser in der Hosentasche ein Konzert besucht oder mit einer Brotzeit und einem Brotmesser in der Handtasche eine Bahnfahrt macht oder mit dem CS-Abwehrspray in der Innenstadt eine Verbotszone durchquert, kann dem Gesetzesentwurf nach mit einem Bußgeld bestraft werden.
Gewöhnliches Alltagsverhalten darf nicht kriminalisiert werden
Die Fraktionen der Ampelparteien – und hinter ihnen steht die Bundesregierung – wollen mit ihren Waffenrechtsverschärfungen also Alltagsverhalten kriminalisieren. Das ist schon politisch und moralisch-ethisch ein Unding. Natürlich aber ist es auch verfassungsrechtlich nicht zulässig. Die Grundrechte und besonders das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Artikel 2 Absatz 1 Grundgesetz) schützen auch und gerade die Freiheit der Menschen, ihren gewöhnlichen Alltag in Beruf und Freizeit unbehelligt von staatlicher Bevormundung zu gestalten. Geschützt sind nicht nur die wesentlichen Lebensentscheidungen und -gestaltungen, sondern auch die banalen, kleinen und vielfältigen Entscheidungen, Handgriffe und Lebenswelten des Alltags, die gerade aufgrund ihrer Unausweichlichkeit und täglichen Allgegenwärtigkeit die Lebensführung prägen. Selbstverständlich darf deshalb den Menschen in der Bundesrepublik Deutschland nicht das Führen von Messern aller Art und Größe (Taschenmesser, Brotmesser, Buttermesser, Küchenmesser und so weiter) flächendeckend verboten werden.
Außerdem muss in der gegenwärtigen Lage über Notwehr, Nothilfe und Notstand neu nachgedacht werden. Die Polizei kann nicht jederzeit an jedem Ort sein und soll es auch nicht, weil die Bundesrepublik Deutschland kein totalitärer Polizeistaat, sondern ein demokratischer Rechtsstaat mit einer freiheitlichen Grundordnung ist. In der Folge wird es immer Situationen geben, in denen die Polizei nicht rechtzeitig vor Ort sein und eingreifen kann. Neben wirkungsvoller Polizeiarbeit bleibt deshalb unausweichlich die Frage nach den Möglichkeiten der Selbstverteidigung für Jedermann und Jederfrau. Auch diese sind mit den Grundrechten gewährleistet. Der Staat muss die Freiheitsrechte seiner Bürger respektieren, also die Bürger ungestört „ihr Ding“ machen lassen. Gleichwohl hat der Staat zugleich eine Schutzpflicht für das Leben und die körperliche Unversehrtheit (Artikel 2 Absatz 2 Grundgesetz).
Auch über Selbstverteidigung muss gesprochen werden
Zu dieser Schutzpflicht des Staates für Leib und Leben gehört es, die Gesetzesvorschriften so auszugestalten, dass der Einzelne sein Selbstbestimmungsrecht über sein Leben und seinen Tod wirksam und eigenständig wahrnehmen kann. Aus diesem Grund ist die Abtreibung unter Strafe gestellt, wenngleich mit Ausnahmen zum Schutz von Leib und Leben und die Selbstbestimmung der Frau, und aus diesem Grund, so sagt es das Bundesverfassungsgericht, darf auch die Sterbehilfe nicht absolut verboten werden. Umso selbstverständlicher ist es, dass das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit das Recht des Einzelnen schützt, sein Leben zu verteidigen oder einem anderen, dessen Leben bedroht ist, zu Hilfe zu kommen. Der Gesetzgeber ist deshalb verpflichtet, die Notrechte des Einzelnen gesetzlich anzuerkennen, wie dies mit den Bestimmungen zur Notwehr, Nothilfe und zum Notstand auch geschehen ist, die im Strafgesetzbuch und im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt sind.
Die Schutzpflicht für das Leben und die körperliche Unversehrtheit (Artikel 2 Absatz 2 Grundgesetz) verlangt aber in der logischen Konsequenz auch, dass der Gesetzgeber die sonstigen Gesetze so ausgestalten muss, dass dem Bürger die Wahrnehmung seiner Notrechte (Notwehr, Nothilfe und Notstand) auch tatsächlich wirksam möglich bleibt. Die totale Wehr- und Hilflosigkeit im Angesicht eines gegenwärtigen rechtswidrigen Angriffs auf Leib oder Leben ist keine Option, die der Staat dem Einzelnen aufzwingen darf. Auswirkungen hat dies insbesondere auf die Frage der Verfassungsmäßigkeit von Waffenverboten, denn wer keine geeigneten Waffen erwerben, besitzen und führen darf, ist gerade in den gefährlichsten Lagen vollkommen hilf- und wehrlos.
Die weitreichenden Waffen- und Messerverbote, welche die Bundesregierung mit dem Gesetzesentwurf aus dem September 2024 vorsieht, lassen sich mit diesen Grundsätzen nicht mehr vereinbaren. Der Schutz der körperlichen Unversehrtheit und des Lebens (Artikel 2 Absatz 2 Grundgesetz) verbietet es, den Menschen mit dem Verbot des Führens (erlaubnisfreier) Waffen und von Messern auch noch jene wenigen und ohnehin schon wenig wirksamen Mittel der Selbstverteidigung zu verbieten, die angesichts der Erlaubnisvorbehalte für Schusswaffen (die zu führen überhaupt beinahe nie erlaubt wird) überhaupt noch übrig sind, denn damit wird dem Einzelnen die letzte verbliebene Chance der Selbstverteidigung auch noch genommen. Auch wenn es meist die klügere Wahl sein wird, im Fall eines Messerangriffs oder ähnlicher Notlagen wegzulaufen, so muss doch das Recht nicht dem Unrecht weichen und ist Weglaufen auch nicht immer möglich oder muss die Gelegenheit zum Weglaufen womöglich erst einmal erkämpft werden. Anders ausgedrückt: Wenn islamistische Terroristen mit Messern oder illegalen Schusswaffen durch die Straßen laufen, darf der Staat dem Bürger nicht verbieten, selbst auch jederzeit und überall zumindest ein Messer oder wenigstens CS-Abwehrspray griffbereit dabei zu haben, um sich, wenn es nicht mehr anders geht, gegen einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff zur Wehr zu setzen oder anderen zu Hilfe eilen zu können.
Zur Autorin:
Nina Naske ist deutsche Rechtsanwältin für Unternehmen unter anderem aus den Bereichen Luftfahrt und Verteidigung, Bergbau und Energie. Sie ist Jägerin und interessiert sich auch für den Schießsport. Frau Naske hat bereits mehrfach zum Thema Waffenrecht hier bei all4shooters.com veröffentlicht. Mehr Informationen zu RAin Nina Naske gibt es auf ihrer Webseite.