Sicher kennen Sie die Filmszene: Ein älterer Herr, meist nur Q genannt, betritt den Raum und erklärt dem Doppelnull-Agenten James Bond die Vorzüge seiner neuen Dienstpistole: einer Walther PPK im Kaliber 7,65 mm. In den folgenden Abenteuern wird sie die treue Begleiterin des Kino-Helden, gleichsam sein Markenzeichen, an dem ihn sogar seine Gegner erkennen. "Es gibt nur einen Mann, der eine Walther PPK trägt", heißt es gar, in filmischer Übertreibung. Denn in Wirklichkeit ist die elegante Pistole zu diesem Zeitpunkt schon seit mehr als dreißig Jahren auf dem Markt, begleitet Polizisten und Soldaten, Wachleute und Jäger − in Deutschland, aber auch im Ausland, wohin erste Lieferungen bereits in den 1930er Jahren gingen.
Der besondere Clou der gefälligen Pistole: der Spannabzug. Im Jahr 1929 erstmals zusammen mit der Walther PP, dem großen Schwestermodell der PPK, in einer kommerziell erfolgreichen Selbstladepistole angeboten, erlaubte er es, die Pistole sofort schussbereit und dennoch sicher zu führen. "Revolvermäßig", wie es in Schulungen zur Sachkunde oder der Jägerprüfung gern hieß und es die Prüfer gern hören wollten. Das gängige Kaliber 7,65 mm Browning war hinsichtlich der beabsichtigten Verwendung über jeden Zweifel erhaben. Es taugte völlig, einen flüchtenden Rechtsbrecher durch einen Schuss ins Bein zu stoppen, oder einen Angreifer durch einen Schuss in die Brust aufzuhalten. Wie tödlich ein Geschoss aus einer Walther PPK sein konnte, bewies sich tausendfach an waidwunden Rehböcken, die damit erlöst wurden, oder man glaubte einfach der Aussage des oben bereits erwähnten Waffenmeisters Q: "…wie ein Ziegelstein in einer Fensterscheibe!" Die Idee des Spannabzugs – sofortige Schussbereitschaft verbunden mit einem gefahrlosen Führen der Waffe – übertrug man bei Walther auch auf die für die Wehrmacht des Deutschen Reichs zu entwickelnde neue Armeepistole. So gab es mit der P.38 erstmals auch eine Ordonnanzpistole im leistungsstarken Kaliber 9 mm Parabellum mit eben jener gefahrlosen Möglichkeit der sofortigen Schussbereitschaft. Eine Idee, die aufging. Von der P.38 wurden rund 1,3 Millionen Stück an die Wehrmacht geliefert. Auch die Bundeswehr, der Bundesgrenzschutz und die Bereitschaftspolizeien der Länder setzten dann auf das Nachkriegsmodell mit Leichtmetallgriffstück.
Auch anderswo in der Welt fand man Gefallen an der Idee, eine Selbstladepistole in 9 mm Parabellum mit einem Spannabzug und einem Leichtmetallgriffstück auszustatten: Beim US-amerikanischen Waffenhersteller Smith & Wesson in Springfield (Massachusetts). Bei der grundsätzlichen Gestaltung der Waffe hielt S & W sich an die bekannte US-Armeepistole Colt M 1911 A1 im Kaliber .45 ACP. Beim Spannabzug, der manuellen Sicherung und auch bei der daran gekoppelten Entspannfunktion orientierte man sich an Walthers P.38. Die amerikanische Waffenschmiede nahm auch eine andere Idee gern auf: das Griffstück der neuen Pistole aus Leichtmetall zu fertigen. Walther bot für die kleineren Pistolen PP und PPK das Material auf Wunsch bereits in den 1930er-Jahren an. Versuche soll es auch mit der P.38 für die Wehrmacht gegeben haben. In Serie gefertigt wurden die P38 mit Leichtmetallgriffstück dann allerdings erst in der Bundesrepublik – standardmäßig, denn das Stahlgriffstück blieb fortan die seltene Ausnahme.
Mit seinem Model 39, an deren Entwicklung seit dem Jahr 1949 gearbeitet wurde, hatte Smith & Wesson somit Designelemente aus den Vereinigten Staaten und Deutschland miteinander kombiniert. Zudem wurde die Waffe auch noch um modernes und leichtes Material ergänzt. Nach frühen Versuchen mit einem Griffstück aus Stahl verwendete man bei Smith & Wesson hier Leichtmetall. Im Blick hatte man dabei ganz eindeutig den Behördenmarkt, konkreter den Militärmarkt. Gedacht war seinerzeit, die große und schwere, zudem nur mit einem Single Action-Abzug ausgestattete M 1911 A1 abzulösen. Zur Einführung von der neu entwickelten Pistole konnte sich das US-Militär allerdings nicht durchringen. Auch Polizeibehörden in den USA griffen erst mit deutlicher Verzögerung zu. Was aber langsam entstand, war ein robuster ziviler Markt. Die neue Pistole kam an, wurde von Waffenliebhabern gern gekauft. Nicht nur in den USA, sondern weltweit. Darunter auch in Deutschland, wo allerdings in den frühen Jahren der hohe Wechselkurs des US-Dollars dämpfend wirkte. Ebenfalls oft gekauft: die Walther P 38. Sie stand als Gebrauchtwaffe aus dem Zweiten Weltkrieg zu moderaten Preisen zur Verfügung oder konnte fabrikneu bezogen werden.
Der Spannabzug und das Kaliber 9 mm Para führten die Walther P.38 und die S & W M39 zum Erfolg
Was machte die Waffen erfolgreich? Es war sicherlich die Kombination aus Spannabzug und Patrone. Das Kaliber 9 mm Parabellum war 1902 eingeführt worden. Mit der Pistole 08 der deutschen Streitkräfte wurde es in Europa fest etabliert. Spätestens mit dem Zweiten Weltkrieg setzte es sich als Kaliber für Armeepistolen und Maschinenpistolen gegen andere in Europa verbreitete Kaliber durch. Erfahrungen aus dem Krieg zeigten: auch im Kampf Mann gegen Mann auf kürzeste Entfernung bedarf es viel Leistung, um den Gegner sofort kampfunfähig zu machen. Es lag also quasi auf der Hand, ein Kaliber zu wählen, das sich bewährt hat. Große Variationsmöglichkeiten gab es Mitte der 1960er Jahre noch nicht. Vollmantel war Standard, Teilmantel gab es auch. Letztere waren allerdings nicht ganz unproblematisch hinsichtlich der Funktionssicherheit. Die Munition war zudem relativ günstig zu bekommen, die Massenfertigung für die Militärs weltweit machte es möglich.
Der P 38 half zudem der Nimbus eines erfolgreich zurückgelegten Kriegseinsatzes. Die Pistole, die offiziell erst im Jahr 1940 und nach Abschluss intensiver Erprobungen und einer Vielzahl von Detailänderungen bei der Wehrmacht eingeführt wurde, galt als zuverlässig. Wegen ihres geradlinig zurücklaufenden Laufs und dem einfach aufgebauten Schwenkriegelsystem galt sie als wenig anfällig auf unterschiedlich starke Laborierungen. Auch Patronen mit Stahlhülsen konnten in der Regel problemlos verschossen werden. Nach dem Krieg half sicher auch dieser Umstand, dass die Bundeswehr und der Bundesgrenzschutz auf die bewährte Pistole setzten. Wenige Jahre, nachdem im Jahr 1957 die Produktion der nach Ulm umgezogenen Firma Carl Walther wieder aufgenommen wurde, war die P 38 dann auch für den zivilen Markt verfügbar. Die Pistole Smith & Wesson Model 39 war ab 1955 auf dem zivilen Markt erhältlich. Einen deutlichen Schub bekamen die Verkaufszahlen allerdings erst, als eine US-amerikanische Polizeieinheit die Waffe zur neuen Standardwaffe machte. Bis dahin blieb die M39 von S & W bei Militär und Polizei eher eine Ausnahmeerscheinung – meist beschränkt auf die Verwendung bei Spezialeinheiten.
Hersteller: | Smith & Wesson |
Modell: | M39 |
Kaliber: | 9 mm Luger (alias 9 mm Parabellum, 9 mm Para, 9 mm x 19) |
Kapazität: | 8 + 1 Patronen |
Maße (L x B x H): | 192 x 33 x 136 mm |
Lauflänge: | 102 mm |
Visierlänge: | 150 mm |
Ausschnitt Kimme: | 3,27 mm |
Kornbreite: | 3,2 mm |
Abzugsgewicht (SA/DA): | 1400 g /4500 g |
Gewicht: | 790 g |
Preis: | k.A. (Gebrauchtwaffe) |
Ausstattung: Aluminium-Griffstück, Browning-Verriegelung, Verschluss brüniert, DA/SA-Abzugssystem mit Sicherungs-/Entspannhebel, Kimme seitlich verstellbar. |
Im Vergleich zu anderen Verteidigungspistolen ihrer Zeit stechen die Walther P.38 und die S & W M39 durch ihre Größe hervor
Was sowohl die P38 als auch das Model 39 in jenen Tagen von der Masse der Verteidigungspistolen des zivilen Bereichs unterschied, waren die enormen Abmessungen der beiden Waffen. Die Pistole von Smith & Wesson ist 192 mm lang, 136 mm hoch und 33 mm breit. Durch die Verwendung eines Griffstücks aus Leichtmetall beträgt das Gewicht der Waffe 790 g. Noch üppiger fallen die Abmessungen der P.38 aus: Gesamtlänge 216 mm, Höhe 138 mm und eine maximale Breite von 37 mm, gemessen über dem Sicherungs-/Entspannhebel. Auch bei der Walther bringt das Griffstück aus dem der Leichtmetalllegierung Dural Gewichtsvorteile. Mit 780 g ist die P 38 aus der zivilen Nachkriegsproduktion 170 g leichter als die militärische P.38 des Zweiten Weltkriegs mit Stahlgriffstück.
Zum Vergleich nochmal die Abmessungen der Walther PPK, die damals quasi als die Verteidigungspistole schlechthin galt: Länge 155 mm, Breite 26 mm und eine Höhe von 111 Millimetern bei Verwendung des Magazins mit Verlängerung (107 Millimeter mit dem flachem Magazinboden aus Blech). Das Gewicht der PPK im Kaliber 7,65 mm liegt bei 590 g. Wer es leichter haben wollte, konnte wahlweise auch die PPK-L mit Leichtmetallgriffstück kaufen. Der Vorteil des auch hier verwendeten Durals: ein Leergewicht von 480 g. Was der Vergleich der nackten Zahlen allerdings kaum vermitteln kann, ist der Eindruck in der Realität. Wuchtig und massig kommen Model 39 und P 38 beim Betrachter an. Es sind ohne jeden Zweifel große Pistolen. Und es sind nicht unbedingt Pistolen, die zum verdeckten Tragen gemacht worden sind. Als Walther in den 1930ern die Nachfolgerin für die Pistole 08 konstruierte, trug man Armeepistolen in einer aus kräftigem Leder gefertigten Tasche am Koppel. Mit dabei: ein Ersatzmagazin und kleines Mehrzweckwerkzeug. Auf das Werkzeug konnte man bei der P.38 verzichten, dennoch blieb es bei der aus kräftigem Leder gehaltenen Tasche mit Fach für das Ersatzmagazin. Auch wenn die Wehrmacht über den Verlauf des Krieges auf die sogenannten Koffertaschen verzichtete und zu einfacheren Pistolentaschen überging, das Gesamtpaket blieb bei üppigen Abmessungen. Nicht ganz so üppig war es bei der M39.
Weder umschlossen die bei US-Armee genutzten Holster die Waffe ganz, noch waren sie typischerweise mit einem Fach für das Ersatzmagazin versehen. Diese wurden stattdessen in einer eigenen Tasche getragen, was es ermöglichte, die Lasten etwas zu verteilen. Die zur polizeilichen Verwendung gedachten Holster hatten ebenfalls kein Fach für das Ersatzmagazin. Klein waren aber auch sie nicht. Dem damaligen Erscheinungsbild eines US-amerikanischen Polizisten entsprechend, wurden Revolver und Pistolen sichtbar am Gürtel getragen – als Zeichen staatlicher Macht. Für den zivilen Bereich waren solche Lösungen nicht geeignet. Eine große Pistole in einer Pistolentasche sichtbar über der Kleidung zu tragen war allenfalls im Bereich der Jagd denkbar, aber selbst da nicht wirklich gern gesehen. Geeignete Holster zum Tragen dieser großen Pistolen am Gürtel unter der Oberbekleidung mussten also zunächst entwickelt werden. Aufgrund der überschaubaren Nachfrage war auch das Angebot zunächst dürftig. Dennoch, es gab sie: Es existierten einfache Gürtelholster für große Pistolen, teils sogar mit Klemmfeder, auch Schulterholster, in denen man die großen Waffen unterbringen konnte, und es gab Cross Draw-Holster. Solch ein Holster für die Walther P 38 fand sogar eine filmische Würdigung. In Dirty Harry (1971) trägt ein Ladenbesitzer deutlich sichtbar eine P 38 in einem solchen Holster – zum Schutz vor Überfällen. Dass er dann gerade wegen seiner Pistole überfallen wird, war wohl mehr als eine Laune des Drehbuchautors. Manchmal ist der Überraschungseffekt einer nicht sichtbar geführten Waffe besser als die Abschreckung durch eine sichtbar Getragene.
Sowohl aus der Walther P.38 als auch der S&W M39 entstanden richtungsweisende, verkleinerte Versionen
Mit der Zeit entstand so zunächst ein passables Angebot an brauchbaren Holstern zum verdeckten Tragen größerer Waffen. Aber auch die Pistolen erfuhren Veränderungen, um sie als Verteidigungswaffen besser nutzbar zu machen. Dazu gehörten neben Detailverbesserungen an Abzug, Visierung und Griffschalen auch die Verkleinerung der Waffen. Detlev Joniskeit bot auf Basis der Walther P.38 gefertigte Kompaktwaffen zur Selbstverteidigung an. Das amerikanische Unternehmen Devel stutzte die Smith & Wesson Model 39 auf ein deutlich handlicheres Format. Letztlich nahmen die großen Waffenhersteller die Idee kompakter Spannabzugspistolen in 9 mm Luger selbst auf: Walther zunächst etwas halbherzig mit der P 38 kurz, S & W durchaus ambitioniert mit der M 469 Minigun. Die Kompaktmodelle lebten vom Mythos der großen Basisversionen und blieben trotz handlicherer Abmessungen im Prinzip große Pistolen.
Information zu den aktuellen Verteidigungspistolen und anderen Waffen der beiden hier behandelten Hersteller finden Sie jeweils auf den Internetseiten von Carl Walther und auf der englischsprachigen Homepage von Smith & Wesson.
Mehr zur Geschichte der Walther P.38 und zur P1 können Sie auch in dem VISIER Special Nr. 68 nachlesen. Hier können Sie VISIER Special "P.38 und P1" im VS Medien-Onlineshop als Printausgabe beziehen.