Mancher, der in irgendeiner Form mit zivilen Waffen zu tun hat, fühlt sich beim aktuell in Deutschland geltenden Waffenrecht an den berühmten "Gordischen Knoten" der Antike erinnert: Da gibt es das Waffengesetz (WaffG), das einhergeht mit der Allgemeinen Waffenverordnung (AWaffV), die ebenfalls Gesetzeskraft besitzt, sowie der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift (WaffVwV), das ist eher eine Gebrauchsanweisung für die Behörden – denn in Deutschland sind je nach Bundesland die Ordnungsämter oder aber die Polizei für Waffenrecht zuständig. Das Waffenrecht in Deutschland war tatsächlich bis Anfang der 1970er Jahre föderalistisch durch die Bundesländer ausgeübt worden, erst durch eine Grundgesetzänderung erlangte der Bund 1972 die Gesetzgebungskompetenz. Da dies aber trotzdem die 16 Bundesländer betrifft, die das Bundesrecht nach ihrem Gutdünken auslegen, und es oft von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich gehandhabt wird, ist das Chaos vorprogrammiert. Denn das deutsche Waffenrecht lässt für die Betroffenen wie für Juristen das deutsche Steuerrecht noch wie "leichte Sprache" aussehen. Selbst mit gutem Willen ist manches seit Jahrzehnten erst durch Gerichte zu klären, und dies oft nur für den Einzelfall.
Waffenrechts-Novellierungen gab es in den letzten Jahrzehnten in Deutschland so einige: Etwa 1972 und 1976 nochmals, weil es schon nach kurzer Zeit Nachbesserungsbedarf gab. 1984 und 1987 wurden jeweils fast fertige Entwürfe zum Ende der Legislaturperiode wieder eingestampft, weil nach dem Diskontinuitätsprinzip alle Gesetzesvorhaben vor den Neuwahlen erledigt sein müssen. Nach der Wahl geht es für die neue Regierung wieder bei Null los. Das "neue" Waffengesetz von 2002 enthält immer noch Ansichten, die bis zum Reichswaffengesetz von 1938 zurückreichen. Weitere, nur immer bestimmte Bereiche betreffende Änderungen gab es 2008 und 2009, dann 2012 und 2013 (um die Europäische Feuerwaffenrichtlinie in deutsches Recht umzusetzen), 2017 und 2020. Auch aktuell bereitet das Bundesministerium des Inneren (BMI) wieder einen neuen Entwurf vor, und wie immer werden irgendwann auch die betroffenen Interessengruppen, also die Verbände von Sport und Jagd, Handel und Industrie um Stellungnahmen gebeten. Und selten finden die ja aus der jeweiligen Praxis geborenen Anregungen und Kritiken dann Eingang in den Gesetzestext.
Der VDB als Schnittstelle zwischen Herstellern, Großhandel, Importeuren und Endkunden
Der Verband deutscher Büchsenmacher und Waffenfachhändler ist einer dieser Verbände, die auch in der Vorbereitungsphase immer wieder im ständigen Kontakt mit dem BMI stehen, Ideen und Vorschläge einbringen. In eigener Sache als der für Handel und Handwerk zuständige Verband, aber auch im Zusammenschluss der Interessenverbände, dem Forum Waffenrecht, haben die VDB-Funktionäre bei unzähligen Sitzungen oder bei Treffen mit Vertretern des BMI wie mit Bundes- und Landtagsabgeordneten geduldig Sachverhalte erläutert, negative Folgen für die Verbandsmitglieder und generell für die Waffenbesitzer geschildert oder auch auf drohende Rechtskonflikte hingewiesen. Es ist ihnen wie allen Verbänden ergangen, in denen Waffenbesitzer und Befürworter eines liberalen Waffenrechts engagiert sind: Die Hinweise wurden missachtet, auch mehrfach getroffene Absprachen oder gar Entwurfspassagen, über die eigentlich Einigkeit herrschte, wieder in strengere Maßnahmen geändert. Und wieder steht vermutlich zur Jahreswende 2023 eine "Novellierung" an, wie sie Bundes-Innenministerin Nancy Faeser angekündigt hat, und wieder befürchten selbst Optimisten, dass die nächste Gesetzesfassung erneut praxisferne Regelungen enthalten dürfte.
Auch die im Koalitionsvertrag der Regierungsparteien verankerte sogenannte "Evaluierung des 3. Waffenrechtsänderungsgesetzes (3. WaffRÄndG)", also die Überprüfung, ob bisher geltende Paragrafen ihren Zweck erfüllt haben, war eher eine Farce. Dieser Realitäts-Check sollte laut Bundesinnenministerium zum Ziel gehabt haben, die „Erforderlichkeit und Praktikabilität der Regelungen zu überprüfen und etwaige Änderungsbedarfe zu erkennen“. Dazu müssten allerdings auch alle Beteiligten gleichermaßen angehört werden. Der VDB hatte wie acht andere Verbände seine Einschätzung abgegeben, immerhin eine detaillierte 15-seitige Stellungnahme. Das BMI gab einen eigenen 36-Seiten-Bericht ab, der nach Ansicht mehrerer Verbände deren Anmerkungen offenbar ignoriert habe. So meldet etwa der Deutsche Schützenbund auf seiner Website: "...wurden die Stellungnahmen des Deutschen Schützenbundes und der weiteren betroffenen Verbände zwar zur Kenntnis genommen, schließlich aber den oftmals gegenteiligen Aussagen der ebenfalls befragten Behörden gefolgt." Und der VDB gab ein kurzes erstes Statement ab: "Für den VDB zumindest können wir feststellen, dass unsere 15-seitige Stellungnahme größtenteils nicht berücksichtigt wurde oder als Meinung „diametral“ zu den Stimmungen aus den Waffenbehörden gesehen wurde. Gefehlt haben uns im Evaluierungsbericht vor allem die Wirksamkeit des 3. WaffRÄndG anhand der damals genannten drei Ziele:
1. Der illegale Zugang zu scharfen Schusswaffen soll erschwert werden.
2. Der vollständige Lebenszyklus aller Schusswaffen soll abgebildet werden.
3. Die Nutzung legaler Schusswaffen zur Begehung terroristischer Anschläge soll erschwert werden.
Keines dieser Ziele wurde in der Evaluierung behandelt."
Trotzdem alles okay also zumindest nach Ansicht des BMI, die lästige Evaluierung abgehakt, da kann die nächste Verschärfungsrunde beginnen. Aber an einem im Grund nicht (mehr) brauchbaren Gesetzestext herumzuschnippeln, das hat noch selten mehr Klarheit gebracht – und dies ja nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für die zuständigen Behörden, die Gerichte und für das Grundvertrauen in einen funktionierenden Rechtsstaat. Aus der Presseerklärung des VDB anläßlich des Kampagnenstarts "Operation Reset" am 29. September 2023:
"Deshalb fordern wir eine vollständige Neufassung des Waffengesetzes. Wir fordern, dass endlich mit alten verstaubten und völlig unverständlichen und verschachtelten Formulierungen aufgeräumt wird. Wir fordern, dass der Gesetzestext wieder verständlich und lesbar gemacht wird. Und zwar für alle Beteiligten und alle ausführenden Behörden, Gerichte, Staatsanwälte, die damit arbeiten müssen. Dabei muss der Fokus auf Entlastung von Vollzugsbehörden durch klare gesetzliche Regelungen gelegt werden, denn nur so ist ein effektiver Vollzug überhaupt möglich. Nur ein effektiver Vollzug kann zu mehr Sicherheit in Deutschland führen. Denn wer ein Verbrechen plant oder begeht, der hält sich ohnehin an keine gesetzlichen Regelungen oder übertritt die gesetzlichen Grenzen bewusst. Das kann und wird keine Gesetzesverschärfung verhindern. Ein neuer Gesetzestext muss her, in dem gleiche Sachverhalte zusammengelegt werden, damit sie nicht über unzählige Paragraphen verteilt gesucht werden müssen. (...) Mit mehr Eindeutigkeit und Verständlichkeit können wir die Akzeptanz des Gesetzes stärken und gleichzeitig Verstöße verringern, indem Stolperfallen der „Unwissenheit“ identifiziert und ausgemerzt werden."
VDB-Präsident Michael Blendinger erklärt im Video, warum aus Sicht des VDB ein kompletter Reset des Waffenrechts nötig ist
Seit einiger Zeit organisiert der VDB, dem mehr als 1.690 Mitgliedsunternehmen angehören, die verschiedenen Personen-Gruppen, die in Deutschland überhaupt in irgendeiner Form mit Waffen zu tun haben, über seine Fördermitglieder. Nach VDB-Angaben sind das inzwischen rund 13.500. Denn natürlich hat ein Büchsenmacher oder Waffenfachhändler direkten Kontakt zu den jeweiligen Zielgruppen, die in seinen Laden oder auf seine Website kommen. Allerdings dürfte der größte Teil etwa aus dem Bereich freie Waffen stammen, noch gar nicht erreicht worden sein. Auch Bogenschützen, Messerfreunde oder Paintballer, die selten oder bisher nie ein Fachgeschäft aufgesucht haben, sollen sich angesprochen fühlen. Denn sie alle werden, mehr oder weniger, durch die Regelungen des Waffengesetzes beeinflusst. Manchen ist etwa nicht bewusst, dass der Kauf eines neuen, schicken Küchenmessers über 12 cm Klingenlänge waffenrechtlich relevant ist und man es nicht einfach in der Handtasche nach Hause tragen darf.
Der wichtigste Schritt ist Solidarität – nur eine breite Masse an Unterstützern kann durch sachliche Gespräche und Informationen im Familien- und Freundeskreis, im Beruf und im sonstigen gesellschaftlichen Leben Verständnis für diese vielseitige Freizeitbeschäftigung erreichen. Aber auch Verständnis dafür, dass es bei den Reset-Forderungen des VDB keinesfalls um die Einführung der berüchtigten "amerikanischen Verhältnisse geht.
Der VDB dazu: "Bei jeder Regelung müssen Freiheitsrechte des Einzelnen genauso wie die Sicherheit für die öffentliche Ordnung beachtet werden. Wir wollen weder Verfassungsfeinde, noch Terroristen oder Extremisten bewaffnen. Im Gegenteil: Wir wollen Regelungen schaffen, die es leichter machen, sie zu entwaffnen, wenn sie eindeutig identifiziert worden sind. Wir wollen Regelungen, die ein Mehr an Sicherheit durch einen leichteren Vollzug, durch weniger gebundene Kapazitäten in der Justiz und durch direkte Maßnahmen in der Ahndung schaffen. Dennoch gilt bei der Operation Reset: Einschränkungen, die kein Mehr an Sicherheit, sondern nur ein Mehr an Bürokratie bringen, sind zurücknehmen! Schluss mit der Salami-Taktik also! Nein, sagen wir es vielleicht anders: Jetzt fordern wir Scheibe um Scheibe zurück.""
Wie will der VDB ein vollständig neues Waffengesetz erreichen?
Der Ansatz ist zunächst, neben kontinuierlichen Informationen und konkreten Änderungsvorschlägen über die neue Website eine breitere Basis an Unterstützern zu schaffen: "Eine Menge Punkte haben wir zusammengestellt, ausformuliert, mit gesetzlichen Neuvorschlägen erarbeitet und begründet. Diese werden wir ab dem 29.09.2023 nacheinander immer dienstags und freitags um 19 Uhr veröffentlichen.
+++ Unter www.next-guneration.de sind alle aktuell veröffentlichten Forderungen mit allerlei nützlichen Links zu Expertenvideos, Positionspapieren, aber auch zu Inhalten von Content Creatoren (Influencern + Experten) zu finden." +++
Die nächste Stufe: Mehr als 50.000 Unterstützer überzeugen, die eine geplante VDB-Petition für ein neues Waffengesetz beim Bundestag unterzeichnen. Das ist die Mindestzahl, um vom Petitionsausschuss angehört zu werden.
Wir von all4shooters.com und all4hunters.com haben die diversen Änderungen und Fehlentwicklungen im deutschen Waffenrecht teilweise über Jahrzehnte miterlebt. Auch das Vorhaben des VDB, das Schaffen der Next GUNeration, werden wir journalistisch begleiten. In der Philosophie lautet die Reihenfolge "Erkenntnis durch Klarheit" und "Klarheit durch Methode" – wir sind gespannt auf weiteren Input durch den VDB, zunächst über die neue Website.
Wichtige Links mit weiterführenden Informationen zum deutschen Waffengesetz und der geplanten Neufassung:
Website des Verbands deutscher Büchsenmacher und Waffenfachhändler (VDB)
Kampagnen-Website "Next GUNeration"
Evaluierungsbericht des BMI zum 3. Waffenrechts-Änderungsgesetz
Erste Einschätzung des VDB (PDF-Dokument) zur Evaluierung des Waffengesetzes durch das BMI vom 22.9.2023
DSB-Stellungnahme zum BMI-Evaluierungsbericht vom 25.9.2023