Willkommen zum 1. Teil unserer Serie über Selbstverteidigung. Das Ziel der Reihe soll sein, möglichst simple und realistische Abwehrtechniken zu vermitteln, die Sie in Ihr Trainingsprogramm aufnehmen können. Darüber hinaus wollen wir die Schlüsselelemente einer praxistauglichen Selbstverteidigung sowie die Unterschiede zu den Kampfkünsten erläutern, um Ihre gesamte Vorbereitung und Selbstverteidigungsbereitschaft zu verbessern.
Echte Selbstverteidigung ist einfach, direkt und effektiv! Darum sollten gute Selbstschutztechniken gewisse fundamentale Qualitäten gemeinsam haben, die es dem Anwender ermöglichen, sie auch unter dem Stress einer echten Attacke mit Leichtigkeit und Spontanität ausführen zu können.
Selbstverteidigung: Gute Abwehrtechniken sollten die folgenden Qualitäten vorweisen können...
- Einfach: Techniken, die viele, komplizierte Bewegungsabläufe erfordern, sind schwer zu erlernen. Noch schwerer wird es, wenn man derart komplexe Techniken unter dem Eindruck eines plötzlichen Angriffs situationsbedingt und schnell ausführen möchte. Simple, direkte Abwehrtechniken sind daher die weitaus bessere Wahl.
- Instinktiv: Menschen, die mit einem überraschenden, gewalttätigen Angriff konfrontiert werden, reagieren unvermeidlich und sofort instinktiv. Reaktionen wie der Schreckreflex sind naturgegebene, starke Instinkte, die sich kaum abtrainieren lassen. Anstatt sie zu ignorieren oder zu umgehen, sollte man seine Instinkte (und ihre natürlichen Abwehrfunktionen) akzeptieren und nutzen. Ein Beispiel für solch einen Instinkt ist es, dass man die Arme automatisch ausstreckt, um sich einen Angreifer vom Leib zu halten und Distanz zu schaffen. Ausgeführt als anhaltendes Schieben ist dieser Instinkt nicht gerade wirkungsvoll, doch als mit beiden Händen vollzogener, explosiver Schubs oder Schlag kann es eine sehr effektive Abwehrmaßnahme darstellen.
- Kraftvoll: Um einen Aggressor effektiv zu stoppen, muss man bereit sein, ihn zu verletzen. Dies bedeutet, dass jegliche Art von Gegenwehr möglichst kraftvoll ausgeführt werden und besonders schwache, verletzliche Stellen des Gegenübers treffen sollte. Lernen Sie, die natürliche Kraft des Körpers und seiner stärksten Waffen zu nutzen – wie beispielsweise Tritte und Kicks mit den Beinen.
- Schaffen Sie eine Möglichkeit zur Flucht: Das ultimative Ziel der Selbstverteidigung ist nicht zu "gewinnen", sondern sicher und unverletzt der Situation entfliehen zu können. Die einfachste Möglichkeit dies zu erreichen besteht darin, die Fähigkeiten des Angreifers einzuschränken oder zu zerstören, uns zu folgen und die Attacke fortsetzen zu können. Darum sollte man Schwachstellen wie Augen, Kehle oder Beine als Ziele für Gegenmaßnahmen anvisieren. Denn es gilt: "Wenn er nicht sehen, atmen oder aufrecht stehen kann, kann er nicht kämpfen!"
- Funktion in beengten Räumen: Ein Aggressor wird immer dann angreifen, wenn ihm die Situation als vorteilhaft erscheint. In vielen Fällen kommt es zu kriminellen Übergriffen, wenn das potentielle Opfer in begrenzten Örtlichkeiten ohne Flucht- oder Manövermöglichkeiten mehr oder weniger gefangen ist. Beispiele hierfür wären: Hausflure, Treppenhäuser, Aufzüge, Garagen oder Parkplätze. Diese Orte grenzen unsere Möglichkeiten der Gegenwehr hinsichtlich Fußarbeit und Techniken, die viel Raum zur Ausführung benötigen, deutlich ein. Darum müssen wirkungsvolle Selbstverteidigungstechniken kompakt und in beengten Räumen anwendbar sein.
- Vielseitigkeit: Um auf einen Überraschungsangriff entsprechend zu reagieren, muss man in Sekundenbruchteilen erst einmal die Attacke identifizieren, die passende Gegenmaßnahme auswählen und sofort reflexartig ausführen, um sich selbst vor Verletzungen zu schützen. Umso spezieller und umfangreicher die Defensivtechniken gegen verschiedene Angriffe sind, desto schwieriger wird es, im Notfall klare, blitzschnelle Entscheidungen zu treffen und die Defensive korrekt und situativ auszuführen.
Deswegen sollte man sich lieber auf Verteidigungstechniken fokussieren, die gleich gegen eine ganze Reihe verschiedener Angriffe wirksam und funktionell sind. Beispiel: Wenn ein Aggressor einen Schwinger/Haken (Boxsport) abfeuert, einen hohen, vertikalen Schlag mit einem Stock oder eine Schnittbewegung mit dem Messer ausführt, sind die Körpermechaniken und Bewegungsabläufe mehr oder weniger identisch. Anstatt sie also als 3 verschiedene Angriffe mit jeweils verschiedenen Gegenwehr-Reaktionen anzusehen und zu behandeln, sollte man lieber die gleich bleibenden Elemente der Attacken wahrnehmen und erkennen, dass man verschiedene Angriffe mit ein- und derselben Technik erfolgreich abwehren kann.
Mit diesen Prinzipien der wirkungsvollen Selbstverteidigung im Hinterkopf, wollen wir uns im ersten Teil dieser Serie mit einem der wohl häufigsten Angriffe auf der Straße beschäftigen: dem rechten Schwinger oder Haken, dessen Abwehr wir Ihnen auf den Bildern in diesem Artikel verdeutlichen.
Mehr zum Thema Selbstverteidigung lesen Sie im VISIER Special 85 Selbstschutz & Sicherheit.
Tipps zum Thema: Wie schütze ich mich vor Übergriffen? Haben wir Ihnen auch schon hier beantwortet.