Der Waffenhersteller Sako, der am 1. April 2021 einhundert Jahre alt wurde, ist ein einzigartiger Fall in der finnischen Industriegeschichte. Die Fabrik wurde als Teil der finnischen Zivilgarde gegründet, nach dem Zweiten Weltkrieg war sie im Besitz des finnischen Roten Kreuzes, später von Nokia, und seit zwanzig Jahren ist ihr Eigentümer der älteste Waffenhersteller der Welt in Familienbesitz – Beretta. Was Sako zu einem außergewöhnlichen Unternehmen macht, ist die Tatsache, dass sich seine Gewehre bereits in den 1950er Jahren auf dem US-Markt etablieren konnten. Sako ist immer noch der größte europäische Anbieter von Gewehren in Nordamerika.
Sako hat eine spannende und bewegte Vergangenheit: Das Unternehmen wurde erstmals 1919 gegründet, als die finnische Zivilgarde eine Werkstatt benötigte, um Gewehre aus russischer Produktion zu reparieren, die sie während des Bürgerkriegs als Kriegsbeute von der ''Weißen Armee'' erbeutet hatte. Die Reparaturwerkstatt wurde am 1. April 1921 wirtschaftlich unabhängig, dies ist der offizielle Gründungstag von Sako. Anstatt nur zu reparieren, begann Sako auch, Gewehre für die Streitkräfte zu bauen und verbaute Läufe aus der Schweiz und Deutschland sowie alten russischen Gewehren.
Im Jahr 1927 wurde die Fabrik in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung umgewandelt, die Suojeluskuntain Ase- ja Konepaja Osakeyhtiö, kurz Sako – oder Zivilgarde Waffen- und Maschinenfabrik genannt wurde. Das Unternehmen blieb vollständig im Besitz der Zivilgarde. Der erste Vorstandsvorsitzende war P. E. Svinhufvud, ein aktives Mitglied der Garde und ein begeisterter Schütze. Zur gleichen Zeit zog das Unternehmen von Helsinki nach Riihimäki um. Dort ist Sako noch immer tätig. In Riihimäki begann die Montage des neuen Gewehrmodells m/28. Dieses Modell, das den Spitznamen Pystykorva (Spitz, die Hunderasse) trug, erwies sich als noch hochwertiger als die entsprechenden Waffen, die von den örtlichen Verteidigungskräften verwendet wurden. Zu dieser Zeit begann das Unternehmen auch mit der Produktion von Patronen.
Die Entwicklungsmöglichkeiten von Sako blieben trotz der hohen Produktqualität gering. Die Situation änderte sich jedoch, als die politisch angespannte Lage in Europa in den späten 1930er Jahren die finnische Regierung dazu veranlasste, ein umfangreiches militärisches Aufrüstungsprogramm einzuleiten. Dank großer Regierungsaufträge für Pistolenpatronen stabilisierte sich die wirtschaftliche Lage von Sako und die Fabrik konnte erweitert werden.
Der finnische Winterkrieg, der provisorische Frieden und der Fortsetzungskrieg waren sehr ereignisreiche Zeiten. Sako wurde zum größten Hersteller von Munition im Land, da praktisch alle Patronen, die aus Maschinengewehren verschossen wurden, von Sako hergestellt wurden. Außerdem wuchs das Auftragsvolumen für das neueste Gewehrmodell, das m/39, auf ein noch nie dagewesenes Niveau. Die Zahl der Mitarbeiter stieg auf 800, darunter während des Krieges eine bedeutende Anzahl von Frauen. Riihimäki wurde bombardiert, aber das Sako-Werksgelände blieb von größeren Schäden verschont.
Nach dem Krieg musste Sako neue Absatzmöglichkeiten finden. Die Munitionsabteilung stellte Werkzeuge und kleine Metallprodukte wie Lippenstiftgehäuse her, und die Maschinenwerkstatt reparierte Waffen. Als wirtschaftlich bedeutender erwies sich die 1947 angelaufene Produktion von Textilmaschinen. Diese Maschinen wurden hauptsächlich an finnische Textilfabriken verkauft.
Nach Ansicht von Oberst Elias Hydén, der 1946 zum Geschäftsführer von Sako ernannt wurde, musste das Unternehmen zur Produktion von Feuerwaffen zurückkehren. Im Jahr 1946 begann Sako mit der Produktion des Karabinermodells L46, das während des Krieges entwickelt worden war. Das Modell verkaufte sich gut in Finnland, den skandinavischen Ländern und Westeuropa.
Der wichtigste Meilenstein des Hydéns-Managements war die Ankunft von Sako auf dem US-Markt. Jan Winter, der Vertreter der US-Gesellschaft Firearms International, hatte ein Exemplar der L46 erhalten und war bereit, sie in den Vereinigten Staaten zu verkaufen. Die Möglichkeiten in diesem wohlhabenden Land mit einer ausgeprägten Waffenkultur waren enorm – aber auch die Konkurrenz. Der große Erfolg des L46-Gewehrs, unterstützt durch seine hohe Qualität, überraschte alle. In den 1950er Jahren wuchs der Export von Sako in die Vereinigten Staaten von Jahr zu Jahr.
1952 waren die Vereinigten Staaten der größte Markt für Sako und schon 1953 übertrafen die Verkäufe dort die in Finnland. Der Erfolg eines finnischen Konsumprodukts auf dem amerikanischen Markt war damals wie heute eine herausragende Leistung und war der entscheidende Schritt für die weitere Entwicklung von Sako.
1962 kaufte Suomen Kaapelitehdas (Finnische Kabelwerke) Sako vom Finnischen Roten Kreuz. Gegen Ende des Jahrzehnts gingen die Kabelwerke und Sako in den Besitz des Multi-Industrieunternehmens Nokia über. Für Sako waren die 1960er Jahre ein Jahrzehnt des Wachstums und der Entwicklung. Neben Jagdgewehren und Munition nahm das Unternehmen die Produktion von Militärwaffen wieder auf. Es hatte eine Ausschreibung gewonnen, um die finnischen Verteidigungskräfte mit neuen Sturmgewehren zu beliefern: das RK62 war geboren.
Dieser Aufschwung verwandelte sich in den 1970er Jahren in eine besorgniserregende Abwärtsspirale, da sich der Sturmgewehrauftrag als weniger profitabel als erwartet erwies und Sako in eine Reihe von Verlustjahren stürzte. Die Rentabilität des Unternehmens sank und Jahr für Jahr mussten mehr Mitarbeiter entlassen werden.
1985 vereinbarte Nokia mit dem staatlichen Waffenhersteller Valmet die Zusammenlegung der Produktionsaktivitäten der beiden Unternehmen. Das neue Unternehmen, Sako-Valmet, nahm Anfang 1986 den Betrieb auf und bestand aus drei Waffenfabriken, nämlich denen in Riihimäki, Tourula in Jyväskylä und Tikkakoski. Es war ein schwieriger Weg für das neue Unternehmen, denn um Rentabilität zu erreichen, musste man jahrelang Tätigkeitsbereiche und Personal ausdünnen. Mitte der 1990er Jahre setzte das Unternehmen, nun unter dem Namen Sako, nur noch die Herstellung von Jagdgewehren und Munition im Werk Riihimäki fort.
Als ausschlaggebend für die Unternehmensstabilisierung erwies sich die 1996 eingeführte Produktreihe Sako 75. Bei diesem Gewehr handelte es sich um das erste Gewehr, das Sako jemals vollständig entwickelt hatte, und der Erfolg veränderte die Richtung des Unternehmens. Dank dieses Verkaufsschlagers konnte Sako auch den nächsten Schritt tun. Es war schon seit einiger Zeit klar, dass die Ressourcen eines Unternehmens der Größe von Sako und der damaligen Eigentümer, Nokia und Valmet, im internationalen Wettbewerb nicht ausreichen würden. Es war zwingend notwendig, dass das Unternehmen Teil einer größeren Einheit in der Waffenindustrie wurde. Dies wurde zu Beginn des Jahrtausends realisiert, als das große italienische Unternehmen Beretta sich für Sako interessierte und die Geschäftsanteile erhielt.
Unter der Leitung von Beretta erlebte Sako 21 Jahre lang ein stetiges Wachstum: Einer der größten Erfolge war das Jagdgewehr Tikka T3, von dem im Jahr 2020 das einmillionste Exemplar verkauft wurde. Nicht viele Jagdgewehre können ähnliche Verkaufszahlen vorweisen. Im selben Jahr stellte das Unternehmen die neue Sako S20 Hunter vor. Die Markteinführung dieser technisch hochentwickelten Waffe fiel perfekt mit dem langjährigen Produktionsrekord von Sako zusammen. Das finnische Unternehmen geht in sein zweites Jahrhundert als hochkompetenter, langfristig orientierter Waffenhersteller, der die Herausforderungen der Gegenwart fest im Griff hat.
Beteiligung von Franco Gussalli Beretta – die Erfolgsgeschichte von Sako geht weiter und macht das Unternehmen fit für die Zukunft
Das hundertjährige Bestehen von Sako wurde mit einer Online-Veranstaltung am 1. April 2021 gefeiert. An dieser Veranstaltung war die gesamte Beretta Holding in allen Teilen der Welt beteiligt. Insbesondere Franco Gussalli Beretta, Executive Vice-President der Holding, ließ in seiner Rede die zwanzig Jahre italienischer Führung der finnischen Marke Revue passieren. Dabei erinnerte er daran, dass die mit dem Outdoor-Lifestyle verbundene Kultur in der Geschichte von Sako von grundlegender Bedeutung war und viele Mitarbeiter des Unternehmens selbst Jäger sind.
Ein weiterer entscheidender Faktor ist die Einbindung des Endkunden in den Entwicklungsprozess der Waffen, wie z.B. bei den Waffen für die Polizei und das Militär. Er führte auch aus, wie sich der Zusammenschluss von drei kleinen Unternehmen wie Sako, Valmet und Tikka als erfolgreiche Strategie erwies sowie die Entscheidung, selbst Munition herzustellen. Franco Gussalli Beretta setzte seine Rede mit den Worten fort: "Sako hat von Anfang an verstanden, wie wichtig es ist, dem Markt sowohl Schusswaffen als auch Munition als integriertes System anzubieten. Jetzt kann diese Erfahrung durch den Einsatz digitaler Technologie vor und nach der Jagd erweitert werden. Konfiguratoren und ballistische Apps sind nur einige der Produkte, die wir entwickeln."
Abschließend teilte Gussalli Beretta mit, dass zu den anstehenden Projekten die Rückkehr zur Produktion von militärischen Vollautomaten, die Ausweitung des weltweiten Munitionsvertriebs, der Einsatz von Technologien und Materialien wie Kohlefaser für Komponenten sowie die Entwicklung einer Reihe von wichtigen Zubehörteilen, einschließlich Schalldämpfern, gehören. Ziel ist 2021 ein Holding-Umsatz von 100 Millionen Euro, zu dem 25 Millionen von Stoeger hinzukommen sollen. Im zweiten Teil des Programms kam auch Raimo Karjalainen, General Manager von Sako Ltd, zu Wort, der die Geschichte des Unternehmens mit Anekdoten und Kuriositäten nachzeichnete.
Die Veranstaltung endete mit der Vorpremiere eines 55-minütigen Dokumentarfilms über die ersten 100 Jahre von Sako. Hier sehen Sie die Kurzversion der Sako-Dokumentation:
Weitere Informationen zur 100jährigen Geschichte erhalten Sie auf der Homepage von Sako. Das aktuelle Modellprogramm für Deutschland finden Sie auf der Homepage des deutschen Importeurs Manfred Alberts.