Nicht weniger als 180 Männer und 180 Frauen werden in Paris 2024 im Sportschießen antreten. Die Gesamtzahl von 360 Schützinnen und Schützen entspricht (ungefähr) derjenigen, die in Tokio 2020 teilgenommen haben. Bekanntlich wurden 312 Plätze (156 pro Geschlecht) für die von der ISSF-Internationalen Schießsportverband benannten Meisterschaften zwischen dem 14. August 2022 und dem 9. Juni 2024 vergeben, dabei wurden jedem Nationalen Olympischen Komitee (NOC) maximal 24 Quotenplätze (12 pro Geschlecht) für alle 12 einzelnen Schießsportdisziplinen zugestanden.
Tatsächlich hat kein Land alle 24 Quotenplätze, d. h. zwei für jede einzelne Disziplin, erhalten. China kam mit 23 Plätzen am nächsten, ist aber beim Skeetschießen der Männer nicht dabei. Indien hat 21 qualifizierte Athleten (mit einigen Defiziten in Trap und Skeet), die Vereinigten Staaten 18, die Republik Korea 16, Deutschland und Italien 15. Auf diesem Weg hat auch die von uns erst vor kurzem interviewte Kathrin Murche (Trap) einen Platz geholt – durch Bronze bei der WM in Baku/AZE. Frankreich als Gastgeberland hat 12 Quoten (6 pro Geschlecht) für die Schießsportwettbewerbe. Da jedoch acht seiner Schützinnen und Schützen die Teilnahme über das vorgesehene Verfahren erworben haben, hat es Anspruch auf 8 Quoten in den Disziplinen, in denen es keine Qualifikanten gab, und stellt somit insgesamt 16 Schützinnen und Schützen.
Die Einzelwertung bei den Olympischen Spielen Paris 2024
Erst am 9. Juni gab die ISSF die Vergabe der Einzelplätze für Paris 2024 an die letzten zwölf Athleten aus der endgültigen Liste der Qualifikationsrangliste für die Olympischen Spiele (QROG) der einzelnen Disziplinen bekannt. Die Quotenplätze gingen an die höchstplatzierten Athleten der QROG, die noch in keiner Disziplin qualifiziert sind. Im Gegensatz zu den durch Platzierung bei den Wettkämpfen errungenen Quotenplätzen, gehen diese direkt an die Athleten. Hier sind sie: 10m Luftgewehr Herren, Hajun Park (Republik Korea); 50m Gewehr 3-Stellung Herren, Romain Aufrere (Frankreich); 10m Luftpistole Herren, Lauris Strautmanis (Lettland); 25m Schnellfeuerpistole Herren, Matej Rampula (Tschechische Republik); Trap Herren, James Willett (Australien); Skeet Herren, Gabriele Rossetti (Italien); 10m Gewehr Frauen, Aneta Stankiewicz (Polen); 50m Gewehr 3-Stellung Frauen, Jolyn Beer (Deutschland); 10m Luftpistole Frauen, Sevval Tarhan (Türkei); 25m Pistole Frauen, Mathilde Lamolle (Frankreich); Trap Frauen, Alessandra Perilli (San Marino); Skeet Frauen, Assem Orynbay (Kasachstan).
Es handelt sich dabei um Athleten auf hohem Niveau, in einigen Fällen sogar absolutem Top-Niveau, weshalb das Qualifikationssystem diese Möglichkeit des "Hoffnungslaufs" vorsieht, um ihre Teilnahme an den olympischen Wettkämpfen zu gewährleisten. Dies gilt zum Beispiel für Perilli aus San Marino, einen Bronzemedaillengewinner im Trap-Einzel und Silbermedaillengewinner im Mixed mit Gian Marco Berti, für Rossetti aus Italien, Goldmedaillengewinner im Skeet bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro, und für Willet aus Australien, einen olympischen Finalisten im Doppeltrap, der auf Trap umgestellt wurde. Orynbay gewann "zu Hause" den Almaty Cup 2023.
Aber auch junge Hoffnungsträger wie der Franzose Aufrere, der als Junior alles gewonnen hat, oder erfahrene Sportler wie der Pole Stankiewicz oder die Deutsche Beer. Der Tscheche Rampula wurde beim letzten Weltcup-Finale im Schnellfeuer Vierter, ebenso wie Strautmanis, Vierter in der 10-m-Pistolenwertung, der bei den wichtigen internationalen Wettbewerben zahlreiche Medaillen gewonnen hat.
Was sind "Universality Plätze" bei den Schießsportwettbewerben für die Olympischen Spielen in Paris 2024?
Aber das ist noch nicht alles. Das Neueste sind die 16 sogenannten "Universality places" (8 pro Geschlecht): Olympische Plätze, die den förderfähigen NOCs für Paris 2024 zur Verfügung gestellt werden. Universality places sind ein Rettungsanker für Athleten aus unterrepräsentierten Nationalen Olympischen Komitees und sollen die Vielfalt der teilnehmenden Nationen im Sportprogramm der Olympischen Spiele erhöhen. Es gibt nur eine Regel: Nationale Olympische Komitees, die in Rio 2016 und Tokio 2020 mit durchschnittlich acht oder weniger Athleten in einzelnen Sportarten teilgenommen haben, haben Anspruch auf einen Universality-Platz. Das sind z.B. 35 afrikanische Staaten, 18 amerikanische, 17 asiatische, 9 europäische (d.h. Albanien, Andorra, Island, Liechtenstein, Malta, Monaco, Montenegro, Nordmazedonien, San Marino), 14 aus Ozeanien. Die dreigliedrige IOC-Kommission analysiert alle eingegangenen Bewerbungen und berücksichtigt dabei Kriterien wie die universelle Repräsentation, die Fitness und das technische Niveau der Athleten, die Ausgewogenheit zwischen den Kontinenten und den Geschlechtern sowie die Präferenzen der internationalen Sportverbände und der nationalen olympischen Komitees.
Die dreigliedrige Kommission hat die Zuweisung der Universality-Plätze an die betreffenden NOCs bereits schriftlich bestätigt. Und die Auswahl scheint nicht willkürlich zu sein, wenn auch ein wenig gezwungen. Der israelische Schütze Sergey Richter, 24. der Weltrangliste mit dem 10-m-Luftgewehr der Männer, kann sogar einen Weltcupsieg 2009 und einige weitere Platzierungen vorweisen, während sich Md Robiul Islam Robiul aus Bangladesch nur zweimal für ein Finale qualifiziert hat, nämlich beim Weltcup und bei den Asienmeisterschaften. Auch beim 10-m-Luftgewehr der Frauen haben es die drei qualifizierten Athletinnen noch nie in ein internationales Finale geschafft. Der Salvadorianer Israel Gutierrez war zwar schon in Tokio dabei, liegt aber in der Rangliste der 50-m-Gewehr-3-Stellungs-Männer auf Platz 152. Der Österreicher Andreas Thum kann zwei Mannschaftsmedaillen im Cup und eine Einzelbronze in Kairo im vergangenen Jahr vorweisen. Philip Elhage, der das in der Karibik gelegene Aruba mit der 10-m-Luftpistole vertritt, liegt in der Rangliste noch weiter hinten, war aber bereits in Tokio und sogar in Peking dabei. Der Ukrainer Oleh Omelchuk ist ein Veteran, der schon viele "Schlachten" hinter sich hat. Die Albanerin Manjola Konini war 2022 beim Cup in Kairo Finalistin mit der 25-m-Pistole, während die Pistolenschützin Xiu Hong Teh aus Singapur einen Einzel- und zwei Mannschaftssiege beim 25-m-Weltcup vorweisen kann. Im Trap der Herren ist der Malteser Gianluca Chetcuti auf Platz 68 der Weltrangliste und konnte sich in den letzten Jahren in einigen Finalen platzieren, während sich der Omaner Said Al Khatri noch nie für ein internationales Finale qualifiziert hat. Im Skeetschießen liegen der Isländer Hakon Svavarsson und der Palästinenser Jorge Antonio Salhe auf Platz 110 der Rangliste und wissen nicht, was ein internationales Finale ist. Die finnische Trap-Schützin Noora Antikainen, die über 40 Jahre alt ist, hat die Etappe des Baku-Cups 2022 gewonnen.
Für die Nominierten ist die Qualifikation schon gelaufen, aber für das Gastgeberland und für einige Mannschaften gibt es noch Vorbehalte, denn die Verbände oder die technischen Kommissare können beschließen, den fähigsten Schützen nach Paris zu schicken, der vielleicht nicht persönlich den Platz gewonnen hat. Und dann ist da noch die Tatsache, dass sich Schützen dafür entscheiden können, zusätzlich zu dem Wettkampf, für den sie sich qualifiziert haben, an einem zweiten teilzunehmen. So wird etwa Olympiasieger Christian Reitz (GER) nicht nur mit der Schnellfeuerpistole starten, sondern auch mit der Luftpistole, obwohl er dafür nicht explizit qualifiziert war. Einige Umschichtungen und Ersetzungen sind geplant.
Am Ende dieser Prozedur werden bei jedem Wettkampf etwa dreißig Schützen gegeneinander antreten, die sich dann in Châteaurox qualifizieren und aus denen dann die acht bzw. bei einigen Spezialitäten die sechs Finalisten hervorgehen. Diese Athleten werden um die wichtigsten Medaillen des Vierjahreszeitraums kämpfen: Für einige, aber vielleicht für alle, die Krönung einer sportlichen Karriere. Aus diesem Grund ist der Gewinn einer Medaille bei den Olympischen Spielen der Jackpot, aber auch die bloße Teilnahme ein echter Traum für die Athleten.
ACHTUNG: Da aus organisatorischen Gründen Verschiebungen im Zeitplan auftreten können, finden Sie hier den stets aktuellen Zeitplan für alle olympischen Schießwettbewerbe in Chateauroux (in deutsch)!
Um unsere vorherigen Artikel der Serie "Road to Paris" zu lesen, klicken Sie bitte hier:
- Road to Paris, Teil 1: Das sollten Sportschützen über die Olympischen Spiele 2024 in Paris wissen
- Road to Paris, Teil 2: Die Schießwettbewerbe bei den Olympischen Spielen Paris 2024 vom 27. Juli bis 5. August in Châteauroux
- Road to Paris, Teil 3: Olympische Schießwettbewerbe, Medienberichterstattung und Zeitplan
- Road to Paris, Teil 4: Interview mit Luciano Rossi, ISSF-Präsident
- Road to Paris, Teil 5: Schießwettbewerbe bei den Olympischen Spielen: 10 Meter Luftpistole
- Road to Paris, Teil 6: Trap: anfangs waren es gläserne Zielkugeln, die sich in Tontauben verwandelten
- Road to Paris, Teil 7: Das ISSF-Haus in Chateauroux, Treffpunkt für Sportler, Trainer, Ausstatter und Presse
- Road to Paris, Teil 8: Schnellfeuerpistole und Sportpistole, beides auf 25 Meter
- Road to Paris, Teil 9: Kleinkaliber-Gewehr Dreistellung auf 50 Meter
- Road to Paris, Teil 10: Die drei Skeet-Wettbewerbe bei den Olympischen Spielen 2024 in Paris. Alles über die Disziplin "Skeet" und die Favoriten