100. Geburtstag von MAKAROV

Wie alles begann - die jungen Jahre von Makarov

Nikolai Fjodorowitsch Makarov wurde am 22. Mai (am 9. Mai nach dem alten, julianischen Kalender) 1914 in der Stadt Sasovo des Gouverments Rjasan in der Familie eines Lokomotivführers, Fjodor Wassiljewitsch Makarov, geboren. Die Mutter des zukünftigen Waffenkonstrukteurs, Pelageja Wassiljewna, war Hausfrau und zog sechs Kinder groß. Nach dem Abschluss der sechsjährigen Schule im Jahre 1929 begann Nikolai die Ausbildung bei einer Eisenbahn-Berufsschule in Rjasan. Zwischen 1931 und 1935 reparierte er als Schlosser Dampflokomotiven im Bahnbetriebswerk der Station Sasovo an der Kasan-Eisenbahn. Dann ging er zur RabFak (Arbeitsfakultät) in Moskau. Im Jahre 1936 begann Makarov ein Studium am Mechanischen Institut Tula, wo viele andere große russische Waffenkonstrukteure ihre Hochschulausbildung abgeschlossen haben.

100 Jahre MAKAROV Pistole
Nikolai Fjodorowitsch Makarov  (22. Mai 1914 -13. Mai 1988)
100 Jahre MAKAROV Pistole
Die 9 mm Pistole MAKAROV (PM) ist eine der weltweit bekanntesten und verbreitesten Pistolen. In Russland wurden insgesamt etwa 5 Mio. Exemplare PM produziert, etwa die gleiche Zahl wurde auch im Ausland nachgebaut.
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Das Haus in Tula, wo die Familie Makarov in einer 3-Zimmer-Wohnung seit 1954 lebte 
100 Jahre MAKAROV Pistole
Das Auto war das Lieblingshobby des Waffenkonstrukteurs
100 Jahre MAKAROV Pistole
Auf den Straßen von Tula mit Ehefrau Nadeschda Jakowlewna

Als der Deutsch-Sowjetische Krieg begann, brach er sein Studien ab. 

Er bekam vorzeitig die Ingenieurqualifikation und wurde nach Sagorsk versetzt, wo die Maschinenpistolen PPSch-41 hergestellt wurde. Bald wurde diese Fabrik in die Stadt Wjatskije Poljany in Oblast Kirow umgesiedelt. Dort arbeitete Nikolai Makarov unter der Leitung des Erfinders der PPSch-41, G.S. Schpagin. Er stieg damals sehr schnell vom Werkmeister zum Projektingenieur auf. Er schloss 1944 sein Studium mit Auszeichnung am Mechanischen Institut Tula ab. Das Thema seiner Diplomarbeit, das er selbst ausgewählt hatte, war die Entwicklung eines neuen Maschinenkarabiners für die neue Patrone 7,62 x 39 mm Modell 1943.

 

Nach dem Studienabschluss sollte Nikolai Fjodorowitsch Makarov am Forschungsinstitut NII SPWA in Kunzewo (heute ZNIItotschmasch in Klimowsk) als Projektkonstrukteur arbeiten. Aber schon im folgenden Jahr bat N.F. Makarov aus familiären Gründen um eine Versetzung ins Konstruktionsbüro ZKB-14 nach Tula (heute ОАО "KBP" Tula). Dort arbeitete er dann bis zu seinem Ruhestand.

Waffen-Legende mit dem Namen PM.

1945 rief die GAU (Hauptverwaltung für Artillerie des Verteidigungsministeriums) einen Wettbewerb für eine neue Dienstpistole in den Kalibern 7,65 mm und 9 mm ins Leben, um die veraltete Pistole TT zu ersetzen. Daran nahmen mehrere berühmte Konstrukteure  teil: F.W. Tokarev, P.W. Woewodin, S.A. Korowin, I.I. Rakov, S.G. Simonov, sowie einige Jungkonstrukteure aus Moskau, Ischewsk und Tula. Darunter auch Nikolai Fjodorowitsch Makarov. Makarov ging als Sieger aus diesem sehr harten und mehrstufigen Wettbewerb durch hervor.

Ihm gelang es, wesentlich mehr Prototypen als seine Konkurrenten zu entwickeln und zu testen. Die Besten waren die MAKAROV Pistolen TKB-412 im Kaliber 7,65 mm BROWNING und TKB-429 für die neue Patrone  9 х 18 mm. Das letzte Modell wurde 1951 in den Dienst aufgenommen - unter der Bezeichnung "Pistole MAKAROV" (PM,  GAU-Index 56-А-125).

 

Obwohl einige Konstruktionsmerkmale der PM MAKAROVs von der Pistole WALTHER PP übernommen wurden, ist die MAKAROV keine verbesserte Kopie der deutschen Pistole. Die PM unterscheidet sich durch die einfache Konstruktion und die lange Lebensdauer, sowie durch den Aufbau von Abzugs- und Sicherungsmechanismen, Magazin- und Verschlusshaltern. Die Pistole besteht nur aus 32 (!) Bauteilen und ist extrem zuverlässig sowie einfach zu bedienen. Für ihre Entwicklung wurde Makarov 1952 eine Staatliche Prämie (Stalin-Prämie) verliehen.

100 Jahre MAKAROV Pistole
Zwei große russische Waffenkonstrukteure: M.Т. Kalaschnikov (li.) und N.F. Makarov
100 Jahre MAKAROV Pistole
Die 9 mm Pistole MAKAROV (PM) ist eine der weltweit bekanntesten und verbreitesten Pistolen. In Russland wurden insgesamt etwa 5 Mio. Exemplare PM produziert, etwa die gleiche Zahl wurde auch im Ausland nachgebaut.
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Die fast lautlose 9 mm-Pistole PB (6P9), die für KGB-SPEZNAZ und Armee-Aufklärer auf der Basis von PM-Bauteilen und -Mechanismen mit integriertem Schalldämpfer entwickelt wurde 
100 Jahre MAKAROV Pistole
Schnittbild der Pistole PB/6P9 mit integriertem Schalldämpfer
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Schnittbild der Pistole PB/6P9 mit Ansicht des Mechanismus der Rückschlagfeder

Die Pistole MAKAROV ging 1949 in Serienproduktion im Mechanischen Werk Ischewsk („Ischmech“) und entwickelte sich zur Standarddienstpistole der Sowjetarmee, der Miliz, der Armeen und der Polizei der meisten Staaten des Warschauer Pakts. 

Bis heute wird die PM bei der russischen Armee und Polizei eingesetzt und sie wurde insgesamt von Behörden in 30 Ländern in aller Welt verwendet. Die Pistole MAKAROV wurde auch in der damaligen DDR (9 mm М, das Ernst-Thälmann-Werk), in China (Typ 59, NORINCO), im ehemaligen Jugoslawien (M67), in Bulgarien, Lybien und in den USA produziert.

 

1994 wurde die Pistole MAKAROV für stärkere Patronen ausgelegt und sie bekam die Bezeichnung PMM. Darüber hinaus entwickelte der Konstrukteur des ZNIItotschmasch A.A. Derjagin 1967 eine fast lautlose, mit einem integrierten Schalldämpfer ausgestattete Version, die als PB (6P9) bekannt ist. In den letzten Jahren nahm das Werk „Ischmech“ die Produktion von vielen unterschiedlichen kommerziellen Varianten der PM und PMM auf. Dazu kamen Gas-, Luft- und Gummigeschoss-Versionen. 

Apropos: am Anfang der 60er Jahre entwickelte man eine experimentelle Version der Pistole unter der Bezeichung TKB-023, die einen Kunststoffrahmen aufweist. Sie ging jedoch nie in Serienproduktion, da ihre Festigkeit nicht den nachstehenden Anforderungen entsprach.

Und noch ein interessanter Fakt: Die Pistole PM gehörte zur Überlebensausrüstung von sowjetischen Wostok-Raumschiffen, so dass sie die erste Waffe gewesen ist, die ins Weltall gebracht wurde.

Seit über 60 Jahren: "Makar" oder "Makarka" 

So war der Name der PM im Militärjargon. Sie entwickelte sich zu einer echten Kult-Waffe. In den USA und in Europa ist sie ein beliebtes Sammlerstück. Amerikaner sind auch bereit, die Waffe für die persönliche Selbstverteidigung zu nutzen. Wegen der ungewöhnlich günstige Kombination von niedrigem Preis, geringen Abmessungen und ausreichender Feuerkraft war und ist sie in den USA sehr beliebt. Einige Kritiker behaupten, dass die PM angeblich eine geringe Präzision habe, aber das entspricht nicht der Realität. Laut der Gebrauchsanleitung liegt der Streukreis auf einer Distanz von 25 Meter unter 7,5 cm - im Nahkampf reicht das völlig aus. Die Pistole MAKAROV ist heute international so populär, dass sogar renommierte Munitionshersteller, wie der Schweizer Konzern RUAG, bis heute die Patrone in dem speziellen Kaliber 9 x 18 mm produzieren, um die Bedürfnisse von Sammlern und Behörden einiger osteuropäischen Ländern zu decken, wo die Pistole MAKAROV weiterhin verwendet wird. HIER finden Sie die wichtigsten Informationen z.B. zur Makarov Variante von GECO.

In den 50er Jahren entwickelte MAKAROV zusammen mit I. Ja. STETSCHKIN eine kompakte Maschinenpistole TKB-486 mit einer einklappbaren Metall-Schulterstütze, die als Bewaffnung für Besatzungen gepanzerter Fahrzeuge dienen sollte. Jedoch zeigte das sowjetische Militär kein Interesse an dieser Waffe und sie kam nie in Serienproduktion. 

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Der strategische Bomber ТUPOLEV Tu-16K-10-26 hat den NATO-Codename „Badger“ („Dachs“). Diesen Namen bekam er nicht zufällig, sondern dank seiner starken Abwehrbewaffnung mit sieben 23-mm-Schnellfeuerkanonen Afanasjew-Makarov AM-23. Jeder Jäger weiß, dass der Dachs ein Tier ist, das man besser nicht berühren solle und das auch größere Raubtiere verärgern kann.

MAKAROV baute auch Waffen für Flugzeuge

Eine weitere international bekannte Erfindung von N.F. Makarov ist die 23-mm-Maschinenkanone AM-23 für Flugzeuge, die er mit N.М. Afanasjew zusammen entwickelte. Sie wurde im Jahr 1953 in Dienst gestellt. Diese, auf der Basis des Flugzeugmaschinengewehres Afanasjew A-12,7 konstruierte Kanone, ging als Sieger aus dem Wettbewerb mit berühmten „Gurus von Bordwaffen für Flugzeuge“, B.G. Schpitalny und A.E. Nudelman, hervor. Die AM-23 (Betriebsbezeichnung TKB-495, Bezeichnung der Luftwaffe 9А036) wurde serienmäßig im Maschinenbauwerk in Tula hergestellt. Sie diente als Verteidigungsbordwaffe von strategischen Bombern wie der Tu-16, Tu-95, M-4, 3M, Aufklärern Tu-142, Transportflugzeugen An-8, An-12 und Il-76, sowie Grenzschutz-Schnellbooten Projekt 125. Dabei steht Tu für Tupolev und An für Antonov – die beiden größten russischen Hersteller von Flugzeugen.

Obwohl die meisten Waffenexperten glauben, dass moderne Kampfflugzeuge keine beweglichen MG und Kanonen als Verteidigungsbewaffnung führen sollen, war gerade eine solche Bewaffnung während des Kalten Krieges sehr nützlich, um möglichen Provokationen gewachsen zu sein. Häufig kamen Flugzeuge der NATO und ihrer Alliierten den sowjetischen Flugzeugen sehr nahe, und verhinderten Luftbetankungen. Sowjetische Besatzungen lösten diese Probleme damals sehr einfach: Ein Drehturm mit zwei 23-mm-Schnellfeuerkanonen, die in einer Sekunde Geschosse mit einer Gesamtmasse von 8 kg verschießen können, wurde auf den Gegner gerichtet, was auf den Gegner wie eine kalte Dusche wirkte. Auch wenn zum Beispiel der Schlauch bei Luftbetankung abgerissen wurde und er den Rumpf umwickelte, gab es nur eine einzige Möglichkeit, sich von ihm zu befreien und das Flugzeug zu retten: man muss mit den Kanonen das Ende des Schlauches wegschießen. 

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Das Panzerabwehrlenkwaffensystem 9K111-1M „Konkurs-М“. Das ist eine vollkommenere Version des PALR-Systems „Konkurs“, einer deren Co-Autoren N.F. Makarov war. Das PALR-System „Konkurs“ war weltweit genauso verbreitet wie die Pistole MAKAROV und kam bei Streitkräften von mehr als 30 Staaten zum Einsatz. Foto: KBP.

Schrecken für Panzer: Raketentechnik

N.F. Makarov gehörte zu einer kleinen Gruppe der Waffenkonstrukteuren von Schusswaffen und Flugzeugwaffen, die sich damals entschieden, sich mit dem auch für sie absolut neuen Gebiet der Raketentechnik zu beschäftigen. Zusammen mit einem anderen bekannten Pistolen-Konstrukteur, I.Ja. Stetschkin, war er Co-Autor der Panzerabwehrlenkwaffensysteme „Fagot“ (1970) und „Konkurs“ (1974).  Dabei wurde Makarov für die Entwicklung des PALR-Systems „Fagot“, wo er für die Drahtlenkung verantwortlich war, mit der zweiten Staatsprämie ausgezeichnet. Später wurde er sogar stellvertretender Projektleiter.

Die Raketensysteme „Fagot“ und „Konkurs“ waren in den 70еr und 80er Jahren das Rückgrat der Panzerabwehr bei der Sowjetarmee und den anderen Armeen des Warschauer Paktes. Sie dienten später als Grundlage für die Entwicklung der weiterentwickelten PALR-Systeme „Metis“ und „Kornet“.

 

Der Unfall, der sein Leben veränderte

Wahrscheinlich hätte N.F. Makarov in seinem Leben noch mehr erreichen können, wenn er 1969 nicht einen schweren Autounfall gehabt hätte. Er zog sich dabei einen komplizierten Beinbruch zu und wurde danach von zahlreichen Krankheiten geschwächt. Er war damals erst 55 - und fünf Jahre später ging er sogar schon in Rente. Allerdings hatte er immer eine Verbindung mit seinem KBP und blieb Berater für diverse technische Angelegenheiten. Nikolai Fjodorowitsch Makarov wurde zweimal als Abgeordneter des Bezirksrates in Tula gewählt und war lange Zeit auch Mitglied im regionalen Rat NTO "Mashprom". 

100 Jahre MAKAROV Pistole
Poster mit detaillierten technischen Angaben zur Pistole MAKAROV PM 9x18 mm

Die Verdienste MAKAROVs

Makarov ist Urheber von 36 Erfindungen. Im Jahr 1974 wurde er mit dem Titel Held der Sozialistischen Arbeit ausgezeichnet. Ihm wurden der Lenin-Orden (1971), Orden des Roten Banners der Arbeit (1966), verschiedene Medaillen, zweimal die Staatsprämien (1952, 1967), und einmal eine Prämie von Mosin (1963) verliehen.

100 Jahre MAKAROV Pistole
Eine der Patentzeichnungen der MAKAROV PM 9x18 mm
100 Jahre MAKAROV Pistole
Diagramm mit der Funktionsweise des Schlittens der MAKAROV PM 9x18 mm

Makarov ein einfacher Mann - eine einfache Pistole

N.F. Makarov war nicht nur ein talentierter Waffenkonstrukteur, sondern auch eine außergewöhnliche Persönlichkeit. Er war im Grunde seines Herzens ein bescheidener Mensch. Als Makarov in Rente ging, zahlte der Staat ihm eine „großzügige“ Rente von 150 Rubel. 

Aber er, der Erfinder der Pistole, die Millionen mal verkauft wurde, weigerte sich, die Vorteile und Privilegien für sich selbst in Anspruch zu nehmen: Er sagte einfach, dass er genug zum Leben habe und verzichtete. Das größte wirkliche „Vermögen“ von Makarov war das Geschenk zu seinem 60. Geburtstag: Eine „Wolga“ - eine russische Limousine mit dem Kennzeichen 60-60, an dem die Bewohner Tulas den berühmten Konstrukteur erkennen konnten. Seine erste Staatsprämie, 50.000 Rubel, gab er nach eigenen Aussagen für Geschenke für seine Verwandten aus.

 

Sein ganzes Leben lang war er nie Mitglied der Kommunistischen Partei der UdSSR, trotz mehrmaliger Ermahnungen. Den Agitatoren antwortete er: „Ich kann keine Zeit in Parteiversammlungen verbringen, ich muss doch arbeiten!". Dennoch hatte er Zeit für seine Familie (aus seinen Erfindungen fand er am wichtigsten vor allem eine Gläserverschließmaschine für seine Lieblingsfrau) und seine Hobbys. Makarov interessierte sich für Malerei, Autos, Jagd, Angeln, Natur und Sport. Frühere Mitarbeiter von „Ischmech“, wo die Pistole MAKAROV hergestellt wurde und wo er oft auf Dienstreise war, erinnerten daran, dass der berühmte Konstrukteur immer alle Mittagspausen auf dem Werksvolleyballplatz verbrachte, wo er mit seinen Kollegen aus Ischewsk spielte. Makarov kleidete sich sehr einfach, so dass viele ihn für einen Fahrer oder Arbeiter hielten – denn er war immer ein einfacher und bescheidener Mensch geblieben.

Am 13. Mai 1988 starb Nikolai Fjodorowitsch Makarov im Alter von 74 nach einer langen Krankheit. Er wurde in der russischen Stadt Tula auf dem 1. Städtischen Friedhof beerdigt. Aber seine Erfindungen und vor allem die MAKAROV Pistole sind ein Vermächtnis für die Ewigkeit.