Krieghoff: Die Geschichte der deutschen Jagd- und Sportwaffenmanufaktur Teil 2 - aktueller Stand der Waffenfertigung

 

Krieghoff mit kapitalen Hirsch 
Die Krieghoff-Familie hat mit dem erfolgreichen Erlegen des kapitalsten Hirsches des Jahres 1935 Jagdgeschichte mitgeschrieben.

Hans-Jürgen Fritze (2003) erzählt: "Heinrich Krieghoff war ein begeisterter Waidmann". Am Dolmar, dem alten Berg der Kelten, besaß er eine Jagdhütte mit Revier. Hier gingen Heinrich und sein Bruder Ludwig ihrer Leidenschaft nach. Hirsche hatten im dichten Westteil seines Reviers, das an die Ortschaft Rappelsdorf angrenzte, ihren Einstand. Sie kamen zur Äsung auf die Ackerflächen nördlich der Nahe. Deshalb ließ er sich dort eine Kanzel aufstellen. Bei einem Spätansitz im Jahre 1935 tauchte plötzlich in rund 20 Metern Entfernung ein gewaltiges Hirschhaupt auf, umrahmt von Brombeerranken im Vollmondschein, ein wahrhaft prachtvolles Bild. Ludwig jun. hatte einen Abschusshirsch frei und sah schnell, das ist ein Kapitaler. Allerdings hatte es auf den schon Forstrat Harke abgesehen und ließ sich unweit der nahe liegenden Reviergrenze auch eine Kanzel bauen. Nun beruhigte Krieghoff sein Gewissen, dass es dem Hirsch doch egal sein könne, wer ihn zur Strecke bringen würde. Er zögerte nicht, nahm seinen natürlich hauseigenen Neptun-Drilling in 8x57 R und wollte schießen. Da dies in höchster Erregung passierte, unterlief ihm dabei ein Fehler und er streifte mit seinem Zielfernrohr an dem Holz der Luke. Das leise Geräusch vergrämte den kapitalen Hirsch. St. Hubertus hatte ihn "vor der Sünde" bewahrt. Zwei Tage später saß er von 18.00 bis 23.00 Uhr wieder an, entschlossen zu schießen. Da kamen aus dem Hochwald, etwa 80 Meter rechts von ihm, zwei, drei Stücke Wild und dann "sein Hirsch". Dieses Mal lief alles glatt: Waffe einrichten, Zielaufnahme, Schuss, Treffer. Alles Wild flüchtete in den Wald, er konnte nicht sehen, ob der Kapitale auch dabei war. Warten, endloses Warten. Angeschweißt? Gar ein Fehlschuss? Nach einer guten halben Stunde stieg er vom Sitz und suchte im Glas den Acker ab – nichts. Jetzt sah er im Glas einen Ast aus dem Kartoffelfeld hochragen. Wie kam der auf den Acker? Mit schussfertigem, nachgeladenem Drilling ging er langsam darauf zu. Da! Sofort sah er das riesige Geweih "seines Hirsches" hochragen, der verendet dort lag. Strahlendes Mondlicht. Stille und Staunen. Es ist ein ungerader Achtzehnender, ein hochkapitaler Hirsch.  

Waffenrohteile in verschiedenen Größen
Krieghoff: im Ulmer Werk produziert man die Waffenrohteile mit einem modernen Maschinenpark.

Folgenreicher Schuss: Dann ging es Schlag auf Schlag: Im Auto heim, die Frau aus dem Bett geholt und Bruder Heinrich benachrichtigt, zurück nach Rappeldorf. Landwirt Frühauf holte die Beute mit dem Pferdewagen in den Schlosshof, wo das Forstpersonal den Hirschen bestaunte, aber auch vorausahnte, dass jetzt großer Ärger in der Luft lag. Ludwig meldete den Abschuss telefonisch dem Kreisjägermeister, der meinte, eventuell war es doch nur einer der freigegebenen Abschusshirsche, er wolle gleich selber mal nachsehen. Als er ihn sah, verneinte er das verständlicherweise. Er erlegte Krieghoff 75 Reichsmark Ordnungsgeld als Sühne auf, die dieser mit Vergnügen zahlte. Nicht damit einverstanden war Forstrat Harke, der beim Gaujägermeister Sauckel in Weimar Beschwerde einlegte, mit dem Antrag, das Ordnungsgeld empfindlich zu erhöhen und das Geweih zu konfiszieren. Krieghoff erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme und schilderte die "Mondnacht", worauf ein höherer Forstbeamter entsandt wurde. Der meinte vor dem Geweih stehend: "Herr Krieghoff, den hätte ich auch geschossen und wenn ich dafür stundenlang mit nacktem Arsch im Schnee stehen müsste. Waidmannsheil." Weimar entschied dann später: "Das Ordnungsgeld wird auf 300,- Reichsmark erhöht, das Geweih bleibt beim Erleger."

Basküle im Rohzustand 
Krieghoff: aus einer 3 kg schweren Basküle im Rohzustand bleibt nach der Bearbeitung eine um 2 kg leichtere Ausführung übrig.

Das Geweih wurde auf vielen Ausstellungen gezeigt, galt als stärkster Hirsch des Jahres 1935 und machte selbst Reichsjägermeister Göring neidisch, als er es auf der "Berliner Grünen Woche" sah. In den Kriegswirren blieb das Geweih in Suhl und wurde nicht auf der Flucht mitgenommen. Im Jahre 1960 fand es ein Büchsenmacher aus Westdeutschland bei einem Besuch wieder und nahm bei seiner nächsten Reise ein billiges Hirschgeweih im Kofferraum seines Autos mit, das er in die Grenzpapiere eintragen ließ. Die beiden Kopfschmucke tauschte er aus, die Zöllner bemerkten bei der Rückfahrt nichts. Auch wenn hier sicherlich nicht zu einer Straftat aufgefordert werden soll, dieser Trick wird auch aktuell noch gerne in Afrika und anderswo auf der Welt in ähnlich gelagerten Fällen praktiziert. Heute hängt das Geweih, als "Rappel-Hirsch" bezeichnet, im Treppenhaus des Werkes neben anderen prächtigen Trophäen.

Krieghoff heute:  Aktueller Stand in der Waffen-Herstellung

Mitarbeiter von Krieghoff an der CNC Fräse
Krieghoff: Die CNC-gefrästen Baskülen werden mit viel Sachverstand und Liebe zum Detail auch heute noch manuell poliert.

Bei Krieghoff in Ulm werden heute etwa 2.000 Gewehre im Jahr gefertigt, dabei handelt es sich im Schnitt um 60% Flinten und 40% Jagdbüchsen. Es gehört zur Firmenphilosophie, dass man dabei auf die meist im eigenen Haus ausgebildeten Handwerker – seien es Büchsenmacher, Werkzeugmacher, Schäfter oder Graveure – setzt. Diese haben eine starke Bindung zum Unternehmen, was ein Garant für eine lange Partnerschaft zwischen Arbeitgeber und -nehmer darstellt. 

Ralf Müller, Prokurist und kaufmännischer Leiter, sagte uns dazu: "Unsere Mitarbeiter sind unser Kapital, die meisten sind auch hier ausgebildet. Wir haben alle ein gutes Verhältnis zueinander, mit dem Ziel, unseren Kunden ein gutes Produkt zu bieten. Mir ist klar, dass sich das im Zeitalter des emotionalen Marketings etwas abgedroschen anhört, hier ist das aber so." 

Im Ulmer Werk praktiziert man eine ausgewogene Mischung zwischen moderner, computergestützter Teilefertigung und klassischem Handwerk. Nur so ist man heutzutage in der Lage, wirtschaftlich am Markt orientiert zu fertigen. Aufbauend auf dieser Philosophie existiert eine ausgereifte Produktpalette, angeführt von den sportlichen Flintenmodellen der K-80-Serie. Im Bereich der Büchsen stehen die Zweischloss-Kombihandspanner-Modelle Optima (Drilling, ab 6.306,- Euro), Ultra (Bockbüchse/-flinte, ab 3.979,- Euro) und Classic (Doppelbüchse, ab 5.824,- Euro) sowie die Kombihandspanner Hubertus (Kipplaufbüchse, ab 3.729,- Euro) zur Auswahl. Krieghoff fertigt hin und wieder Sondermodelle in kleiner Stückzahl für Sammler und Liebhaber, wie die nun ausverkaufte Pistole 08 nach alter Bauart (limitiert auf 200 Stück, ab 12.495,- Euro) oder die Doppelflinte Essencia (limitiert auf 20 Stück im Jahr, ab 29.403,- Euro). Jüngster Spross der Produktpalette ist die innovative In-Line-Repetierbüchse Semprio (ab 2.892,- Euro).

Krieghoff: Tradition, Leidenschaft und moderne Technik im Einklang

Die Laufherstellungsmaschinen von Krieghoff
Die Laufherstellungsmaschinen von Krieghoff, sowie die Weiterverarbeitung in Gestalt des Zusammenlötens der Laufbündel.

Mögen das Hauptgebäude und die Werkshallen den Charme der 1960er Jahre versprühen und eventuell eine Auffrischung nach neuen Management/Kaizen-Maßstäben vertragen, so spürt man doch schnell, dass alle Mitarbeiter im Hause tatsächlich mit Leidenschaft bei der Sache sind. Diese ambitionierte Mentalität bemerkt man im Maschinensaal mit acht CNC-Fräsmaschinen (zwei hochmoderne Exemplare können bis zu 143 Werkzeugköpfe selbstständig wechseln) ebenso wie in der Schäfterei, Polierwerkstatt oder in den Räumen, in denen die Läufe gelötet, gerichtet und brüniert werden. Krieghoff produziert mit den modernen Fräszentren viele Kleinteile, wie Sicherungsschieber, Kornsattel oder Montageteile. Man kauft nicht zu, wie es viele andere Hersteller handhaben. Aber auch diese Waffenkomponenten gilt es zu polieren und die Oberflächen zu veredeln. Das wiederum führen weitere Abteilungen durch, wo mehrere Dutzend Mitarbeiter diese Arbeitsgänge von Hand ausführen, so wie es schon vor einhundert Jahren der Brauch war. Da hat sich nichts geändert, wenn man mal von dem Transmissionsantrieb des Maschinenparks absieht, der heute aus Sicherheitsgründen mit Elektromotoren erfolgt.

Krieghoffs Oberflächenbeschichter und das Verfahren

Baukomponenten für Waffen von Krieghoff
Auch kleinteilige Baukomponenten der Krieghoff-Waffen entstehen im eigenen Werk.

Leidenschaft hört man auch, wenn man mit den Handwerkern ins Gespräch kommt. So wie bei Dietmar Krüger, der "Bademeister", der sich um Oberflächenbeschichtungen kümmert. Krieghoff bietet dazu fünf Verfahren an: Buntgehärtet, chemisch vernickelt, nitriert sowie streich- oder tauchbrüniert. Die Bunthärtung erfolgt extern außer Haus, alles andere im Ulmer Werk in einem speziellen Raum mit permanentem Luftaustausch. Gerade für das chemische Vernickeln der Basküle und von Kleinteilen braucht man viel Erfahrung, um die Nickel-Phosphor-Legierung gleichmäßig und ansprechend im Farbton sowie auch als effektiv wirkenden Korrosionsschutz anzubringen. Die zu vernickelnden Waffenteile werden in spezielle Elektrolyte eingetaucht und ohne das Anlegen einer elektrischen Spannung scheidet sich auf der Oberfläche der Gegenstände ein Nickelüberzug ab. Dieses Verfahren zeichnet sich durch eine gleichmäßige Schichtdicke aus – auch bei komplizierten Teilen und an innenliegenden Flächen. Sie sind danach noch lötbar und nicht ferromagnetisch. Das wesentlich einfachere, galvanische Vernickeln, bei dem zur Abscheidung Strom eingesetzt wird, hat sich nicht so bewährt. Man kann zwar schneller arbeiten und die Bäder sind wesentlich länger einsetzbar, aufgrund der "Knochenbildung" an den Kanten und somit unterschiedlicher Schichtdichte ist es aber in der Praxis nicht ideal. Bei der Brünierung stellt sich wie immer die alte Frage: "Welche ist besser?", wobei Krieghoff beide Verfahren offeriert. Grundsätzlich werden hartverlötete Teile tauch- und weichverlötete Teile streichbrüniert. Beides kann, wenn es der Profi macht, seinen Zweck voll erfüllen und ebenso gut aussehen. Letzteres ist auch eine Geschmackssache, wobei die meisten der Meinung sind, dass eine sehr gute Brünierung immer einen leichten Blauschimmer haben muss und nicht zu 100% ins Schwarze gehen soll. 

Oberflächenbehandlung eines Flintenlaufs
Krieghoff: Die Formvollendung und Oberflächenvergütung des Laufbündels erfordert viel Erfahrung und handwerkliches Geschick.

Dietmar Krüger: "Bei dem Streichverfahren werden die polierten, entfetteten Läufe mit der Beize, bestehend aus Eisenchlorid, Kupfersulfat und Alkohol, gleichmäßig und mehrfach gestrichen. Meist nimmt man dazu einen Handschwamm. Dies erfordert einige Übung, damit es an allen Stellen gleichmäßig ist und es keine Tropfbildung gibt. Danach muss es 10 bis 12 Stunden trocknen, wobei der Vorgang aber auch mittels Wasserdampfkammer zeitlich um die Hälfte verkürzt werden. Nach einem Abkochen in reinem Wasser, trocknen die Läufe durch Eigenwärme erneut. Damit die Leidenschaft aber auch messbar, in verwertbare Zahlen zu packen ist, gibt es einen Mitarbeiter, der sich ausschließlich um die Qualitätssicherung (QS) kümmert. In seiner abgetrennten kleinen Werkstatt macht er Stichproben von gelieferten Materialien, ob sie den Ansprüchen genügen oder Fehler schon im Vorfeld aufweisen. Er kontrolliert den Maschinenpark, ob die Justierungen stimmen, hält Supervision bei der Endkontrolle und prüft natürlich einzelne Gewehre in Theorie und Praxis bevor sie das Werk verlassen. Eine wichtige Institution, die es in dieser professionellen Form nicht bei allen Herstellern gibt.

Krieghoff-Tradition: Gravuren für das persönliche Exemplar

Gravur von einer Classic-Doppelbüchse
Eine erstklassige Gravur von Michael Oke auf einer Krieghoff Classic-Doppelbüchse.

Ein weiteres Beispiel für die interne Betriebskompetenz ist Annemarie Mack. Sie ist fest angestellte Graveurin und seit vielen Jahren auch Jägerin, was in dieser Kombination selten ist. Ausdrucksstark sind ihre Gravuren, man kann an vielen Details erkennen, dass sie das Tier kennt, seine Eigenheiten wie Muskelspannung, Körperproportionen und Blickrichtung. Krieghoff arbeitet mit fünf fest angestellten Graveuren zusammen, die im Hause oder Zuhause arbeiten. Es sind eben Künstler und so sollten sie auch behandelt werden. Für besondere Aufträge gibt es noch ein bundesweites Netzwerk mit frei schaffenden Lohnarbeitern. Schon in den 1930er Jahren wirbt man: "Fotografieren Sie den Winkel Ihres Reviers, den Sie besonders lieben oder die Höhenzüge, in denen Sie mit Vorliebe jagen oder Ihre Jagdhütte, Ihren Hund und geben Sie uns diese Bilder für unsere Gravurabteilung. Dann wird Ihnen Ihr Gewehr nicht mehr nur ein Schießwerkzeug sein, sondern Sie werden auch dann Ihre Freude daran haben, wenn Sie es betrachten, ohne damit zu schießen. Wir geben zu, die Gravur und schön gemasertes Schaftholz sind nicht das wichtigste am Gewehr, aber es schmerzt uns, einen Drilling oder eine Flinte nüchtern und nackt wie ein Militärgewehr hinauszuschicken."

Krieghoffs Sammlungen von Brehms Tierleben oder die Werke von Kuhnert
Krieghoffs hausinterne Sammlung, in der die Klassiker wie Brehms Tierleben oder die Werke von Kuhnert ausgestellt sind. 

Auch heute noch kann man ein Foto einsenden und sich spezielle Motive zusammenstellen lassen. Oder die Spezialisten stellen die Auswahl zusammen, wobei sie auf eine hausinterne Sammlung zurückgreifen, in der die Klassiker wie Brehms Tierleben oder die Werke von Kuhnert vertreten sind. Dazu der Wer (Spezialist für ornamentale Gravuren, besonders für "Feines Englisch"): "Jagdgewehre sind schon immer mehr als reine Gebrauchsgegenstände. Neben ihrer zunächst einmal wichtigen Funktionstüchtigkeit im jagdlichen Einsatz waren und sind sie auch in ihrer äußeren Gestaltung stets ein Ausdruck von Stil, Stand und Persönlichkeit. Dies gilt heute mehr denn je: In unserer von DIN-Normen und standardisierten Produktionsmethoden geprägten Welt ist es das uralte Handwerk des Waffengraveurs, der veredelt und individualisiert. Mit künstlerischem Einfühlungsvermögen, Liebe zum Detail und viel Geduld kann ein Könner seines Faches Ihrer Jagdwaffe einen besonderen, eigenen Charme verleihen. Eine individuell entworfene und nach Absprache mit Ihnen handgefertigte Gravur wertet Ihre Jagdwaffe zu einem Kunstwerk auf, sowohl in ideeller Weise als auch im Hinblick auf Werterhaltung und Wertsteigerung."


Hier geht's zum ersten Teil der Krieghoff Historie.
Diese Serie zur Unternehmensgeschichte von Krieghoff Jagd- und Sportwaffen wird hier bei all4shooters.com fortgesetzt.


Fotos: Dr. Frank B. Metzner, Herstellerarchiv

Diesen Artikel gibt es auch in dieser Sprache: