Suhl – eines der Herzen der deutschen Waffenindustrie. Und es schlägt noch immer seinen Takt. Viele namhafte Hersteller haben hier ihre Wurzeln oder finden sich nach wie vor in dem Thüringer Landstrich, wie etwa Merkel. Wen wundert es da noch, dass man gleich in der Stadt sich den Nachwuchs selbst heranzieht? Büchsenmacher und Graveure – zwei unverzichtbare Berufe, wenn es um Handwerkskunst bei Waffen geht. "Wir stehen als Graveure leider immer etwas im Schatten der Büchsenmacher", sagte Ausbildungsleiter und Graveurmeister Andreas Amthor beim Besuch des all4shooters-Teams vor Ort. Er selbst lernte den Beruf von der Pike an, absolvierte die Ausbildung, arbeitete danach unter anderem für Merkel und darf sich seit dem Jahr 1997 Graveurmeister (natürlich mit Meisterbrief) nennen. Und nun gibt er sein Wissen um diese Kunst an nachfolgende Generationen weiter und die Schüler nehmen es dankbar und gerne an.
Disziplin: Eine Notwendigkeit in der Ausbildung zum Graveur
Eines fiel sofort auf. Hier herrscht strenge Disziplin. Jeder Schüler arbeitet akribisch an seinem Arbeitsplatz, widmet sich ganz seiner Aufgabe und alles hört auf das Kommando von Andreas Amthor. Ein Wort und alle folgen seinen Anweisungen. Das ist auch nötig, denn ohne Disziplin dürfte es kaum möglich sein, solche Kunstwerke zu schaffen, wie man sie in der Schule findet. "Das, was alle zuerst einmal machen und beherrschen müssen, ist das Zeichnen. Eine Vorlage genau treffen und umsetzen ist das A und O. Dann folgen eigene Motive. Man muss bedenken, wenn man an einem Realstück einen Fehler macht, etwa bei einer filigranen Jagdszene, kann es schwierig werden, diesen Fehler zu korrigieren", erklärt der Fachpraxislehrer.
Die Ausbildung: Der Weg zum staatlich geprüften Graveur
Entsprechend der Anforderungen benötigt man in Suhl auch drei Jahre, um zum staatlich geprüften Graveur zu werden. Dabei gliedert sich die Ausbildung in einen theoretischen und einen praktischen Teil. Im ersten Jahr werden die Grundlagen gelegt, zum Beispiel in Kursen wie "Grundlehrgang Metall", "Einführung in Graviermaschinen" und "Anwenden von Prüftechniken". Schon im zweiten Jahr wird es dann intensiver. Es stehen unter anderem "Heraldik", die "Gravur einer Doppelflinte", das "Anwenden von mechanischen und chemischen Ziertechniken" auf dem Lehrplan, bevor es dann im letzten Jahr an das sprichwörtlich Eingemachte geht: "Reliefgravuren in Metallen und Nichtmetallen", "Stempel- und Prägewerkzeuge herstellen", "Anfertigung von Tauschierungen", "Menschliche Darstellung", "CNC-Programme gestalten und optimieren", um nur einige der Lerninhalte zu nennen. Ein volles Programm, das noch durch ein Betriebspraktikum und die Fächer Deutsch, Sozialkunde, Sport, Englisch, Religion/Ethik und Wirtschaftslehre ergänzt wird. Dementsprechend sollte eine gewisse Leidenschaft für die Arbeit vorhanden sein, wenn man den langen Weg zum Graveur einschlagen möchte.
"Ich habe mich dazu entschieden, Graveur zu werden, um entweder später in der Industrie zu arbeiten oder aber um als Tätowierer meinen Lebensunterhalt zu verdienen", sagte einer der Schüler auf Nachfrage. Gerade diese Verbindung von Tattoo-Kunst und Gravur scheint, so sagte man, nicht allzu selten vorzukommen, da beide Berufsfelder aus dem gleichen Reservoir schöpfen und sich entsprechend bedienen. Andere setzen dagegen ganz auf das Feld der Industrie. Und wer hat nicht Interesse daran, aus seiner Waffe von der Stange eine individuelle zu machen, verziert mit Motiven seiner Wahl? Jagdszenen mit Wild und Hunden, Naturabbildungen, gebläute Elemente, Putten, Ranken, Laub... eigentlich begrenzt nur die eigene Vorstellungskraft die Möglichkeiten der Graveure. Nebenbei: Ein Besuch des Waffenmuseums Suhl sei an dieser Stelle noch einmal wärmstens empfohlen. Dort finden sich ebenfalls Waffen, die sowohl auf ihren Metallteilen als auch auf den Holzelementen wahre Gravurkunstwerke aus der Suhler Schule zeigen. Aber bis man es zu so einer Meisterschaft bringt, vergehen Jahre. "Mit dem Abschluss zum staatlich geprüften Graveur können unsere Schüler den Weg zum Graveurmeister einschlagen", erläutert Andreas Amthor. Und viele werden wohl nach der Ausbildung einen der Wege einschlagen und in der Mehrzahl Suhl verlassen, um an anderen Orten ihr Brot zu verdienen.
Abschied:
Am Ende standen dann noch Vitrinen offen, die Stücke der Schüler enthielten. Viele Verfahren und Stile waren zu sehen. Selbst Gesichter von Personen – eine der Aufgaben für die angehenden Graveure – waren zu sehen. Jagdszenen mit Hirschen oder Wildschweinen, gebläute Blumen, Eichen- und Distellaub, Gravuren im sogenannten Druckenglisch, gravierte Pistolengriffkäppchen und noch vieles mehr zeugten davon, was hier an Wissen vermittelt wird. Davor kann man nur den imaginären Hut ziehen. Das ist alles große, wenn auch leider verkannte Kunst. Und vor allem brauchen sich die Graveure mit ihrer Kunst nicht im Schatten der Büchsenmacher zu halten. Beide sind auf ihren Feldern immens wichtig. Punkt!
Diese Reportage stammt aus der VISIER, Ausgabe 02/2020. Das Heft kann im VS Medien-Onlineshop bestellt werden. Dort ist es auch als e-Paper käuflich zu erwerben.
Weitere Informationen zum Graveurs-Handwerk und der Ausbildung gibt es auf den Seiten der Berufsfachschule für Büchsenmacher und Graveure in Suhl.