"Das Boot" Staffel 2 startet am 24.4.2020 − was kann man von der Serie erwarten und wie nah ist sie der Realität?

Was passierte in "Das Boot" Staffel 1?

"Das Boot" Staffel 2 startet am 24.4.2020 − was kann man von der Serie erwarten und wie nah ist sie der Realität?
Die Neuauflage von "Das Boot" ist eher Liebesschnulze denn Kriegsserie.

U612 läuft Ende 1942 aus dem französischen La Rochelle zur Feindfahrt in den Atlantik aus. An Bord ein Funker, dessen Schwester als Marinehelferin beim "Führer der U-Boote" im Vorzimmer sitzt und gleichzeitig eine Beziehung eingeht mit dem örtlichen Kommandeur der GeStaPo und eine lesbische Affäre mit der lokalen Anführerin der Résistance. Derweil erlebt der Bruder auf See zahlreiche Abenteuer, zu denen der Austausch eines amerikanischen Millionärssöhnchens gegen einen gefangenen U-Boot-Kommandanten ebenso gehört wie eine Meuterei an Bord von U612: Der alte "Alte", also Kaleu Hoffmann, wird dabei in einem Gummiboot ausgesetzt und der neue "Alte" übernimmt das Kommando – nur um sich als Geisteskranker herauszustellen, der sich selbst mit dem Boot in einem Suizidangriff auf einen Geleitzug umbringen will. Weil dabei aber der Sprit ausgeht, wird kurzerhand ein russisches Schmugglerschiff geentert, damit "Das Boot" mit dem entwendeten Treibstoff heil nach Hause kommt.

Bei so einem Plot stellt sich fast automatisch die Frage: Was soll das? Zwischen langen Erzählstrecken in Frankreich und den erotischen Abenteuern einer blutjungen Marinehelferin wechselt die Handlung aus heiterem Himmel zu Feuergefechten zwischen Widerständlern und Wehrmachtssoldaten, bei denen sich die Heldin nie so recht entscheiden kann, auf welcher Seite sie denn nun teilnehmen möchte. Dies erinnert traurig an "Historiendramen" um die Berliner Luftbrücke, den Mauerbau oder die Versenkung der "Wilhelm Gustloff", bei denen man zu dem für die Drehbuchautoren offensichtlich zu langweiligen historischen Stoff krampfhaft noch eine Liebesgeschichte einbauen musste. 

"Das Boot" Staffel 2 startet am 24.4.2020 − was kann man von der Serie erwarten und wie nah ist sie der Realität?
Diese Szene wurde nahezu 1:1 kopiert vom Original.

Fans von Wolfgang Petersens Original kommen dabei jedoch voll auf ihre Kosten, können sie doch in den Szenen mit Bezug zur Atlantikschlacht problemlos ganze Dialogstrecken mitsprechen – und das ist keine Übertreibung: Faktisch wurden ganze Strecken aus dem Meisterwerk "Das Boot", neu verfilmt und die Dialoge einfach kopiert. Wobei das dann wirkt, als hätte die Berufsvorbereitungsklasse einer Medienschule sich in Schauspielkunst versucht, denn von den tiefen Emotionen blieb kaum noch etwas übrig. Nur dass hier eben nicht das Boot vor Gibraltar auf den rettenden Grund aufschlägt, sondern eben mitten im Atlantik in 260 m Tiefe eine Sandbank erwischt. Doch die tatsächlich größte Gefahr für deutsche U-Bootmänner im Krieg waren nicht etwa allgegenwärtige Fliegerangriffe oder Wasserbomben, denn hier tötet sich die Besatzung mehr oder weniger gegenseitig.

"Das Boot" Staffel 2 startet am 24.4.2020 − was kann man von der Serie erwarten und wie nah ist sie der Realität?
Das Modell von "U571" kam für Außenaufnahmen zum Einsatz.

Genretypisch bediente man sich ganz offensichtlich nicht nur bei der Requisite an "U571", sondern übernahm auch Teile der Handlung gleich mit. Doch auch andere Filme finden ihre unverkennbaren Anklänge. Was auch zwingend notwendig erscheint angesichts der Tatsache, dass die Versprechungen im Intro, wonach der Stoff auf den Romanen "Das Boot" und "Die Festung" des Bestseller-Autors Lothar-Günther Buchheim basieren sollen, schlicht nicht zutreffend sind: Nirgendwo in den beiden Romanen finden sich auch nur Hinweise auf die hier präsentierte Handlung, die jedoch nun mal eine gewisse Inspiration brauchte. Augenscheinlich entstanden die Verträge für die neue Serie auf Grundlage von Romanen, die kein Verantwortlicher zuvor gelesen hatte. Schnell also − so wirkt es − musste eine halbwegs passable Handlung herbeigezaubert werden. Die jedoch hätte besser den Titel "Die Abenteuer einer Marinehelferin" getragen, denn mit "Das Boot" hat das alles nur herzlich wenig zu tun. "Hierbei unter dem Titel Das Boot firmierend auf Buchheim zu verweisen, ist bereits eine Frechheit!", so kritisiert Matthias Faermann vom Deutschen Marinebund die neue Serie: "Das Boot selbst spielt bestenfalls noch eine Nebenrolle." 

Die Schlacht im Atlantik − so war es auf dem "Boot" wirklich:

"Das Boot" Staffel 2 startet am 24.4.2020 − was kann man von der Serie erwarten und wie nah ist sie der Realität?
Ruhe: Besatzung während der Unterwasserfahrt.

Es sind vor allem die vielen kleinen Details, die den Erfolg von 1981 ausmachten. Achim Jaworski, ehemaliger U-Boot-Offizier der Crew I/41, beriet bei der Verfilmung ebenso, wie der "Alte" tatsächlich am Set vorbeischaute: Im Gegensatz zum Film überlebte Heinrich Lehmann-Willenbrock den Krieg und besuchte Buchheim bei den Dreharbeiten, der damals an Bord von U96 als Kriegsberichterstatter an einer Feindfahrt teilgenommen hatte. Das Ergebnis zeigt einen Realitätsgehalt, der auch vor einer mit Vorräten vollgepackten Zentrale nicht halt macht und die Bananen von Rohren herabhängen lässt. "Das Leben an Bord eines U-Bootes vom Typ VII C auf Feindfahrt war ausgesprochen fordernd. Ständige Feuchtigkeit, keine Waschgelegenheiten und die Mischung aus Schwitzwasser, Öl und Abgasen, sowohl der Diesel als auch der Besatzung, schlug sich bis in die Verpflegung nieder" berichtete Flottillenadmiral Otto Kretschmer (†1998) einst gegenüber VISIER. Details, die der aktuellen Serie schlicht fehlen. Nach 3 Wochen auf See präsentiert sich die Besatzung größtenteils frisch rasiert dem staunenden Zuschauer. Dass die im Krieg getragenen "U-Bootfahrerbärte" keine Modeerscheinung waren, sondern Folge des knappen Trinkwassers und man daher auf die Rasur verzichten musste, erscheint den Machern unbekannt. Und selbst nach langen Tauchfahrten und schwerer See zeigt sich die Besatzung in trockener Wäsche. Besonders erheiternd wirkt es, wenn der Kommandant einen Angriff fährt und am Sehrohr markige Kommandos gibt: "Bug rechts, Lage 40, Gegnerfahrt 13, Entfernung 1100!" und im nächsten Schnitt sieht man dann das feindliche Schiff nach links fahren. Auch erstaunt es, dass in einem Boot von 1942 Kommandos und Traditionen der Bundesmarine auftauchen: Das "Aufwärts" beim Erklimmen des Turmes gab es seinerzeit ebenso wenig wie die fertig gebauten Stellungen am Atlantikwall, die im Hintergrund bedrohlich ihre Geschütze gen See recken. Von der ursprünglichen Detailverliebtheit ist somit kaum noch etwas vorhanden und es fehlt so der Neuverfilmung an wesentlichen Merkmalen der Originalserie. Rein gefühlsmäßig kommt U612 also nur bei jüngeren Zuschauern an, denen der Kultstatus um U96 bisher entgangen ist. Faermann, der selbst bei der Bundesmarine Kommandant auf U20 war und später das U-Boot-Geschwader befehligte: "Die neue Serie kommt nicht über die Hürde, insgesamt synthetisch zu erscheinen und hat nichts mehr mit dem Leben auf einem U-Boot zu tun – anders als beim Original." 

"Das Boot" Staffel 2 startet am 24.4.2020 − was kann man von der Serie erwarten und wie nah ist sie der Realität?
U673, Typ VIIC als "Flakfalle" mit zusätzlicher 3,7-cm-Flak M42 vor dem Turm.

Dabei hätte die Atlantikschlacht des Jahres 1942 tatsächlich historische Höhepunkte geboten, die für eine Fortsetzung von "Das Boot" getaugt hätten. Damals begann mit dem Unternehmen "Paukenschlag" der Handelskrieg gegen die USA, jagten die "Wölfe" vor der amerikanischen Ostküste und drang U123 sogar in den Hafen von New York ein. Der Kommandant, Reinhard Hardegen (†2018): "Wir konnten die hell erleuchtete Skyline von New York tatsächlich durchs Sehrohr beobachten. Sogar einzelne Autos und ihre Lichter waren klar erkennbar." Es folgten für die "Grauen Wölfe" Einsätze in der Karibik, die ersten U-Boote umrundeten Afrika, drangen vor in den Indischen Ozean und die Monsun-Boote fuhren bis nach Japan, so etwa Alfred Eick (†2015). 

Kritik an Lothar-Günther Buchheim und dem Roman "Das Boot":

Aber auch die Romanvorlage von Lothar-Günther Buchheim bildet die Kriegswirklichkeit in der Atlantikschlacht nicht vollkommen real ab. Die Kritik damals noch lebender U-Bootmänner entzündete sich allerdings weniger an den technischen Darstellungen, vielmehr waren es seine vulgär-erotischen Abschweifungen und die überzeichneten Charaktere primitiver Besatzungsmitglieder. Teilweise wurde dieser Streit so erbittert geführt, dass der Spitzname "Das Buchschwein" auftauchte.

"Das Boot" Staffel 2 startet am 24.4.2020 − was kann man von der Serie erwarten und wie nah ist sie der Realität?
Auf Schleichfahrt gab es spezielle Schuhe gegen Geräusche.

Der tatsächliche U-Bootkrieg 1939 bis 1945 kann jedoch so oder so nicht durch Erlebnisse oder Darstellungen eines einzelnen Bootes erzählt werden. Zu groß zeigt sich die Bandbreite zwischen heimkehrenden Besatzungen auf der einen Seite, die über ihre Erfahrungen noch berichten konnten, und versenkten Booten, deren Schicksal selbst heute noch teilweise ungewiss ist. Von etwa 38.000 U-Bootfahrern dieses Krieges kehrten etwa 32.000 nicht mehr von ihren Feindfahrten zurück – die höchste Verlustrate einer Waffengattung im Zweiten Weltkrieg. So gab es denn auch Boote, die bereits in der Biscaya beim Auslaufen durch Fliegerbomben unmittelbar versenkt wurden oder Besatzungen, die trotz mehrerer Feindfahrten nie ein einziges Schiff versenkten, dafür aber umso reichhaltiger die Jagd auf sie selbst erlebten.

"Das Boot" Staffel 2 startet am 24.4.2020 − was kann man von der Serie erwarten und wie nah ist sie der Realität?
Im hohen Norden: Ein aus Norwegen auslaufendes U-Boot im Jahr 1944.

Und es gab auch Boote, wie das tatsächliche U612, das als reines Ausbildungsboot in der Ostsee den zukünftigen Besatzungen zum Training diente. Denn im Gegensatz zur aktuellen Verfilmung hat dieses Boot niemals auch nur an einer einzigen Feindfahrt teilgenommen. Wohl einer der wesentlichen Unterschiede zwischen "Das Boot" und "Das Boot", dass die Sky-Variante pure Fiktion darstellt und man ihr dies auch nahezu ständig anmerkt. Matthias Faermann: "Die gezeigten Charaktere gab es bestenfalls bei Kriegsende, die dargestellte Linientreue ist utopisch!" Die in der Serie gezeigte Kiste mit Ordonnanzwaffen im Torpedoraum gab es jedoch tatsächlich an Bord. Allerdings waren die 5 Kurzwaffen, zumeist P.08 und P.38, unmittelbar beim Kommandanten unter Verschluss. Und "der Alte" hatte ebenso als einziger den Schlüssel für die an Bord befindlichen Maschinenpistolen und Karabiner, die jedoch in aller Regel nicht bei den Mannschaften, sondern im Hecktorpedoraum aufbewahrt wurden. Wie heute moderne Boarding-Teams, so mussten gerade zu Beginn des Krieges Besatzungen tatsächlich zu Handelsschiffen übersetzen und diese auf Ware und Bestimmungsort überprüfen. Die unmittelbare Versenkung auf Sicht kam erst ab etwa 1940 durch die zunehmende Bewaffnung von Handelsschiffen auf Seiten der Alliierten auf. Ebenso wurden natürlich diese Waffen auch für Wachaufgaben eingesetzt oder in Einzelfällen später auch zur Abwehr von Haien: Als die Bedrohung aus der Luft durch Träger-Flugzeuge noch nicht so ausgeprägt war, unternahmen Besatzungen Schwimmexkursionen in tropischen Gewässern und wurden dabei von Kameraden an Deck gesichert. Zudem hatte fast jeder Offizier noch seine persönliche Pistole beschafft, die er an Land zur Eigensicherung verwendete. Hier ist die Bandbreite der verwendeten Taschenpistolen, die häufig wirklich einfach nur in der Uniformtasche mitgeführt wurden, nahezu unüberschaubar und reicht von der spanischen Eibar im Kaliber 6,35 mm Browning bis zur Walther PPK in 7,65 mm Browning. Auch auf Feindfahrt wurden diese Pistolen mitgeführt. Im Gegensatz zu den bestandsmäßig geführten Waffen, die leicht an der Stempelung "M" unter dem Reichsadler zu identifizieren sind, können die privat beschafften Taschenpistolen heute jedoch nur in seltenen Ausnahmefällen noch identifiziert werden. 

Unser Fazit zur Fernsehserie "Das Boot":

Um den I WO aus "Das Boot" zu zitieren: "Das Geistige kommt hier zu kurz!" Entsprechend sollte man die Neuverfilmung nicht als Fortsetzung oder Neuverfilmung des originalen Stoffes begreifen, sondern eher als reines "Popcorn-Kino" unserer Gegenwart, bei dem moderne Themen in den historischen Stoff eingebettet worden sind. Wer historische Akkuratesse erwartet, der wird enttäuscht. Kann man schauen, muss man aber nicht, lautet deswegen die Bewertung für diesen lauwarmen Aufguss. In Zeiten von Covid-19 mag es für manchen Fan mit Zugang zum Pay-TV ein netter Zeitvertreib sein.


Wenn Sie sich Ihr eigenes Bild machen möchten, können Sie die 2. Staffel von "Das Boot" ab dem 24.4.2020 um 20:15 Uhr auf Sky One HD, Sky Q, On Demand, Sky Go, Sky Ticket, Sky X.