Würde ein Makler versuchen, die Werkshallen von Benelli Armi zu verkaufen, würde er sie als "lichtdurchflutet" beschreiben. Das wäre freilich eine Übertreibung, aber tatsächlich wirkt die Fertigungsstätte im norditalienischen Urbino angenehm hell und verblüffend leise. Produziert wird dort im 3-Schicht-System. Die Nachtschicht verrichten allerdings ausschließlich die Maschinen. Vollständig computergesteuert und mit eigenen Messeinrichtungen ausgestattet, würden sich die automatisierten Anlagen im Falle eines Falles selbst abschalten, sobald die gefertigten Teile nicht mehr dem Toleranzbereich entsprechen. Kontrolliert werden die Waffenteile aber später nochmals in mindestens 2 Stufen von Mitarbeitern und weiteren Mess-Anlagen. Die 3. Qualitätskontrolle vor dem Verpacken erfolgt visuell.
Laut Exportleiter Andrea Luini gehört dies zu den anstrengendsten Arbeiten in der Fabrik, da man rund um die Uhr sehr genau hingucken muss, damit keinesfalls Flinten auch nur mit kleinen kosmetischen Mängeln das Werk verlassen. Besonders fordernd sei diese visuelle Kontrolle bei den Flintenmodellen mit Tarnmuster. Luini sollte es wissen, da er diese Arbeitsstation wie auch viele andere in der Fabrik zunächst persönlich durchlaufen musste, bevor er Exportchef werden konnte – bei Benelli müssen die Manager zunächst auch in der Fertigung ihre ganz persönlichen Erfahrungen mit den diversen Tätigkeiten machen.
Apropos Tätigkeiten: Die meisten Mitarbeiter in der Produktion sind mit Aufgaben wie Qualitätskontrolle oder Montage bis hin zur Verpackung zuständig, die eigentlichen Fertigungsmaschinen führen sich größtenteils selbst. Die Verpackung samt Check, dass der Inhalt eines Kartons auch wirklich der Bestellung und Beschriftung entspricht, ist meistens das letzte Mal, dass in Urbino jemand Hand an die Waffe legt. Denn das Warenlager wird vollautomatisch von Maschinen versorgt, bis es für eine Benelli hinaus in die Welt geht. Manchmal kommen sie wieder. Aber scheinbar nicht sehr oft: Die Mitarbeiter der Abteilung Wartung und Service von reklamierten Kundenwaffen wirkten besonders entspannt. Dies möglicherweise auch schon deshalb, weil in ihrem Werkraum, anders als in den Produktionshallen nebenan, nur sehr wenig an Waffen oder deren Ersatzteilen zu sehen war. "Always a step ahead": Immer einen Schritt voraus – das Firmenmotto kennzeichnet den Anspruch, den man in Urbino an die eigenen Waffen hat.
Alles begann 1911 im Örtchen Pesaro bei Rimini, als 6 Brüder die Firma "Garage Benelli" ins Leben riefen. Flinten wurden dort aber nicht gebaut, sondern Krafträder. Der Flintenhersteller, Benelli Armi Spa, wurde 1967 von Giovanni Benelli gegründet. Schon bald zog der Waffenhersteller von der Küste landeinwärts nach Urbino. Dort residiert Benelli noch heute: Die Firma ist nach der Universität der zweitgrößte Arbeitgeber der Kleinstadt mit ihrem malerischen, von der UNESCO als Weltkulturerbe anerkannten Stadtkern samt dem herzoglichen Palast. 1983 kaufte Beretta die Firma Benelli Armi. Heute firmiert man wie viele andere bekannte Namen aus dem Bereich Jagd, Waffen und Schießsport auch unter dem Dach der Beretta Holding. Seinen Ruf verdankt Benelli seinen halbautomatischen Rückstoßladern, der Konstrukteur Bruno Civolani ersann das "sistema inerziale Benelli" noch in den 1960ern. Aktuell fertigt man unter dem Namen Benelli diverse Baureihen an Rückstoßladern, etwa die Flinten Raffaello und Montefeltro, die M2, den Pump-Selbstlader-Hybrid M3 sowie die neue Baureihe Vinci. Dazu gesellen sich noch 2 Gasdrucklader in Form der Flinte M4 und der Büchse Argo. Und inzwischen müssen es auch nicht immer Halbautomaten sein: Mit der 828U offeriert man auch eine Bockflinte für Jagd und Sport, dazu die Pumpflinten Nova und Supernova.
Anlässlich der Gründung des Sportteams für dynamische Disziplinen öffnete man auch die Pforten für einen Ortstermin. Was das Herstellermotto nicht verrät, offenbart sich bereits im Foyer mit dem Fürstenbildnis neben Flinten und deren Prototypen und auch in vielen Modellnamen. Benelli fühlt sich eng mit ihrem Heimatort Urbino verbunden, einem auch baulich von der frühen Renaissance geprägten Städtchen, das sein heutiges Gesicht wie auch seine große Blütezeit Fürst Federico da Montefeltro (1422 – 1482) verdankt. Deshalb heißen manche Flinten heute Raffaello, benannt nach dem berühmtesten Sohn der Stadt, dem Renaissance-Künstler Raffaello Sanzio da Urbino. Die historische Altstadt wird von der UNESCO als Welterbe Nummer 828 gelistet. Das Wappen des schwarzen Adlers findet sich in jedem Raum des Fürstenpalasts, mal versteckt, mal ganz offen.
Der Grund für unseren Besuch: Das Be Team − "Be Fast or be Last"
"Sei schnell oder werde Letzter" – das ihre Flinten nicht nur bei Polizei und Militär, Tontauben-Sportschützen und Jägern, sondern auch gern in dynamischen Wettkämpfen wie 3gun oder IPSC eingesetzt werden, wusste Benelli schon seit geraumer Zeit. Aber inzwischen analysierte man genau, was und in welcher Zahl bei internationalen IPSC-Wettkämpfen geschossen wird. Laut Benelli lag bei der Weltmeisterschaft 2012 im ungarischen Debrecen der Anteil der eigenen Flinten bei 65%. 3 Jahre später waren bei Agna in Italien neben 27 Saiga-Flinten und 53 von Molots auch 235 Benellis im Einsatz, neben 57 Flinten von Beretta. Die russischen Selbstlader dominieren dabei naturgemäß die Offene Klasse, weil dort Selbstlader mit abnehmbaren Magazinen geschossen werden. Solche Flinten haben Benelli (oder Beretta) nicht im Programm. 2018 holten Schützen beim World Shoot in Frankreich mit Benellis in diversen Wertungsklassen 14 Silbermedaillen und 13 mal Gold. Keine Frage, der dynamische Sportsektor entwickelt sich äußerst positiv für die Waffenschmiede. Um die Präsenz weiter zu stärken, lancierte man jüngst das IPSC-Modell M2 Speed Performance. Zudem machte man sich heuer auf die Suche nach talentierten Benelli-Schützen aus ganz Europa, die in ihrem Heimatland wie auch bei internationalen IPSC-Wettkämpfen weit vorne mitmischen, die Geburtsstunde des Be Team. Das hat auch gut funktioniert: Kim Leppänen (Weltmeister 2016 in Standard Manual) und der Engländer Jushua Kenny sicherten sich mit der Benelli M2 bei der Weltmeisterschaft in Frankreich Silber und Bronze in der Standard-Klasse, Ivan Romanov Rang 8, Paul Sartor Platz 18 sowie Bronze bei der Deutschen Meisterschaft. Jaakko Viitala holte sich in Standard Manual mit der Super Nova den Weltmeistertitel – nein, alles kein schlechter Anfang ...
Weitere Informationen zum Unternehmen und zum neuen Be Team finden Sie auf der Homepage von Benelli.
Viele der Benelli Concept Guns stellen wir in diesem Artikel vor.
Benelli kann auch taktisch: Tactical Shotgun Kurs bei der Benelli Academy.