"Gewehr Dreistellung", so die übliche deutsche Bezeichnung, ist ein Wettkampf, bei dem mit Kleinkaliber-Gewehren auf eine Entfernung von 50 Metern geschossen wird (international heißt die Disziplin offiziell "50 meter Rifle"). Weil in den drei unterschiedlichen Anschlagsarten erst kniend, dann liegend und abschließend stehend unter Zeitdruck geschossen und in der Weltspitze fast alle Schüsse im Zehnerring landen (es zählen dann die entscheidenden Zehntel), ist das ein Event für Sportler, die auch die damit einhergehenden körperlichen Belastungen aushalten: Mann und Frau müssen also topfit sein.
Früher dauerte es sogar noch länger als heute: Der Ursprung dieses Vielseitigkeitswettbewerbs liegt in der früheren Version des Dreistellungskampfs mit Großkalibergewehren auf 300 Meter, der seit 1900 olympisch ist, damals noch in der Reihenfolge liegend, stehend und abschließend kniend und mit jeweils 40 Schuss pro Position. Ein solches Match dauerte mit dem manuellen Scheibenwechseln bis zu sechs Stunden. Im Jahr 1972 wurde in München der letzte olympische Großkaliber-Medaillenkampf auf 300 Meter veranstaltet. Das olympische Debüt mit Kleinkaliber-Gewehren fand 1952 in Helsinki statt, wobei bis 1984 Damen und Herren im gleichen Wettbewerb starteten. Aber lediglich der Amerikanerin Margaret Murdock gelang es 1976, mit einer Silbermedaille die männliche Dominanz zu durchbrechen, bis die Damen ab 1984 in eigener Wertung über 3 x 20 Schuss starteten. Nach Olympia 2021 in Tokyo (was wegen Corona ja von 2020 verschoben wurde) wurden die Programme für Damen und Herren angeglichen, das Programm der Herren faktisch von 3 x 40 auf auch 3 x 20 Schuss halbiert. Ohnehin liegen seit Jahren die Ergebnisse beider Geschlechter gleich hoch, manchmal sogar etwas höher bei den Damen.
Gewehr in drei Stellungen: abwechslungsreich und hoch technisiert
In der Qualifikationsrunde werden 60 Schüsse von männlichen und weiblichen Sportlern abgegeben: 20 kniend, 20 liegend und 20 stehend in einer Gesamtzeit von 1 Stunde und 30 Minuten. In dieser Phase werden die Ergebnisse noch in ganzen Ringen gewertet. Die acht bestplatzierten Schützinnen und Schützen ziehen in den Endkampf ein, der aber für alle bei Null beginnt. Dann werden bis zu 45 Schüsse abgegeben: 15 im Kniendanschlag, 15 im Liegendanschlag und 15 im Stehendanschlag. Die Schüsse im Kniendanschlag werden in Fünfer-Serien innerhalb von 200 Sekunden abgefeuert, die Schüsse im Liegendanschlag in Fünfer-Serien innerhalb von 150 Sekunden. Die ersten zehn Schüsse der Stehend-Serie werden in Fünfer-Serien innerhalb von 250 Sekunden abgegeben. Am Ende der zweiten Serie scheiden die Schützen mit den beiden niedrigsten Wertungen auf den Plätzen 8 und 7 aus. Die fünf abschließenden Einzelschüsse werden auf Kommando und innerhalb von jeweils 50 Sekunden abgegeben. Nach jedem Einzelschuss scheidet der Athlet mit der niedrigsten Wertung aus und wird von Platz 6 bis 3 (gleichbedeutend mit der Bronzemedaille) eingereiht. Der letzte, dann 45. Schuss entscheidet über die Gold- und Silbermedaille. Gibt es einen Gleichstand beim Ausscheiden des am schlechtesten platzierten Athleten, so wird dieser durch einen oder mehrere zusätzliche Stechschüsse aufgelöst. Die Endwertung besteht aus Dezimalringen, wobei die maximale Wertung pro Schuss 10,9 Punkte und die maximale Punktzahl der Finalrunde damit 490,5 Punkte beträgt.
Gewehr Dreistellung: Waffen, Munition und Ausrüstung bei Olympia
Die von Damen wie Herren verwendeten Einzellader-Gewehre im Kaliber .22 long rifle sehen futuristisch aus, meist mit Metallschaft, der sich individuell ausbalancieren lässt. Maximal acht Kilo dürfen die Waffen mit allen Anbauteilen wiegen. Auf jeden Fall sind sie mit einer vielfach verstellbaren Schaftbacke und einer zum Haken geformten Schaftkappe ausgestattet. Das Gewehr oder das System dürfen zwischen den Stellungen nicht gewechselt werden; lediglich der Hinterschaft darf getauscht werden. Dort werden dann bereits für den Stehend- oder den Liegend-/Kniend-Anschlag voreingestellte Schaftelemente verwendet, was bei den kurzen Umbauzeiten im Finale Zeit und Nerven spart.
Zum Zielen sind nur "offene Visierungen ohne Vergrößerung" erlaubt, also ein feinst justierbares Diopter und ein Ringkorn (im Korntunnel), wobei heute meist den eigentlichen Lauf überragende Röhren ("Tubes") eine Verlängerung der Visierlinie erlauben, was präziseres Zielen ermöglicht. Die mit Kammerstängel versehenen Verschlüsse liegen heute weit zurückgesetzt, so dass man im Liegendschießen den ladenden Arm nicht weit aus der Idealposition wegbewegen muss. Elektronische Abzüge haben die mechanischen Auslöser noch nicht komplett ersetzt, aber sie erlauben niedrigere Abzugswiderstände und reagieren gleichmäßiger. Die Läufe sind meist zwischen 66 und 69 cm lang, weil das bei den üblichen Match-Randfeuerpatronen die engsten Schussbilder bringt. Eine Dominanz bei den Waffenherstellern kann man kaum feststellen. Während das Modell KK500 von Carl Walther in den letzten Jahren an sehr vielen Erfolgen und Titeln beteiligt war, sind auch die Schweizer Firmen Bleiker und Grünig & Elmiger oft erfolgreich. Bei den deutschen Herstellern mischen noch Anschütz und Feinwerkbau vorn mit.
Die Wettkampfmunition, durchweg mit 40-grains-Bleigeschossen (2,6 Gramm), wird bei den Top-Schützen, aber oft auch schon auf der Ebene der Freizeitsportler aus eingespannten Läufen ermittelt und dann in "Losen" zwischen 5.000 und 10.000 Schuss eingekauft. Um dieses "Einschießen" kommt niemand herum, der die optimale Kombination aus Lauf und Patrone finden will. Neben der deutschen Marke RWS mit den Sorten R50, Rifle Match oder Special Match sind hier die Fabrikate Eley (Sorte Tenex) und Lapua (X-Act oder Midas+) oder SK (Rifle Match) auf den Ständen zu finden. Gerade aus Übersee und den USA kommen viele Schützen, die auch auf dortige Hersteller wie Federal oder CCI schwören.
Auch wenn heute nicht mehr auf Papierscheiben geschossen wird, sondern durch eine dem früheren schwarzen "Scheibenspiegel" entsprechende Öffnung in einem elektronischen Messkasten, sind die Ringmaße natürlich weiterhin identisch: Der Durchmesser des 10er-Rings beträgt 10,4 mm: winzig wie eine Ein-Cent-Münze. Der Durchmesser des 9er-Rings beträgt 26,4 mm, während der Durchmesser der gesamten schwarzen Zielfläche 154,4 mm beträgt. Es können spezielle Jacken, Hosen, Handschuhe und Schuhe verwendet werden, um die Standsicherheit zu verbessern, ebenso eine weiche Rolle zur Lagerung des knienden Fußes. Die Bekleidungshersteller übertreffen sich stets mit der Entwicklung neuer Materialien, die den Schützen im jeweiligen Anschlag die bestmögliche (weil unterstützende) "Steifigkeit" verleihen; allerdings gibt es ebenso strenge Bekleidungsregeln, deren Einhaltung vor dem Wettkampf bei der Waffen- und Ausrüstungskontrolle geprüft wird.
Sieger, Rekorde und Favoriten im olympischen Wettkampf Kleinkaliber-Gewehr Dreistellung auf 50 Meter
Der Weltrekord bei den Herren in der Qualifikation wird derzeit vom Chinesen Linshu Du (597) gehalten und stammt aus dem Jahr 2023, während der Finalrekord gerade erst im Mai von seinem Landsmann Yukun Liu (468.9) verbessert wurde. Bei den Frauen teilen sich die Norwegerin Jenny Stene (2022) und die Amerikanerin Sagen Maddalena (2023) den Qualifikationsrekord mit 596. Der Rekord der Finalrunde liegt bei 469,6 Punkten, aufgestellt von der Inderin Sift Kaur Samra.
Da augenblicklich aber noch ein Weltcup in allen olympischen Disziplinen auf der Schießanlage in München-Hochbrück läuft, sind auch hier noch Rekorde möglich – wir empfehlen daher für tagesaktuell korrekte Auskünfte die offiziellen ISSF-Ranglisten für Herren und die ISSF-Damen-Rangliste aufzurufen.
Historische Meister in dieser Disziplin sind der Engländer Malcolm Cooper, Gold in Los Angeles 1984 und Seoul 1988, der Slowene Raymond Debevec (Gold in Sydney 2000 und zweimal Bronze in London und Peking), und der Italiener Niccolò Campriani, Gold in London 2012 und Rio 2016. Debevec, der schon 61 Jahre alt ist, hatte seine ersten internationalen Erfolge bereits 1992, im Jahr 2023 wurde er nochmals Weltmeister im Liegendschießen auf 300 Meter. In Paris startet er allerdings nicht mehr. Doppel-Olympiasieger Campriani hat nach seiner aktiven Karriere als Waffenkonstrukteur gearbeitet. Aktuell ist er als Sport-Direktor für die Planung der Olympischen Schießwettbewerbe in Los Angeles 2028 verantwortlich. Aus deutscher Sicht war lediglich der Bremervörder Gewehrschütze Bernd Klinger olympisch erfolgreich, er gewann Gold im Dreistellungskampf 1968 in Mexico-City, also vor 56 Jahren. Und wie es aktuell aussieht, hat sich leider kein deutscher Sportschütze bei den Herren für Paris 2024 qualifiziert.
Bei den Frauen sind die Russin Ljubov Galkina, die in Athen 1996 vor der Italienerin Valentina Turisini und der Chinesin Wang Chengyi Gold gewann, und die Tschechin Kateřina Kurkova, Silbermedaillengewinnerin von Athen, besonders hervorzuheben. Hier liegt es in der Familie: Sie ist die Tochter von Peter Kurka, ebenfalls Olympiaschütze, und die Ehefrau des US-Schützen Matthew Emmons, Goldmedaillengewinner im KK-Liegendschießen von Athen.
Bei den letzten Olympischen Spielen in Tokio gewann der 21-jährige Changhong Zhang aus China die Goldmedaille, aber er hat seit zwei Jahren nirgendwo mehr vorn mitgemischt. Bei den Frauen heißt die amtierende Olympiasiegerin Nina Christen aus der Schweiz. Die Auswahl der Kandidaten für die Medaillen von Paris 2024 ist schwierig. Bei den Frauen scheinen die Britin Seonaid McIntosh und Anna Janssen aus Deutschland, die die ISSF-Rangliste anführen, sowie Nina Christen und die frischgebackene Europameisterin Chiara Leone (ebenfalls Schweiz) die Favoritinnen zu sein. Bei den Männern tippen wir auf den Tschechen Jiri Privratsky, der derzeit die ISSF-Rangliste anführt, den Norweger Jon-Hermann Hegg, die Chinesen Yukun Liu und Linshu Du oder den Inder Aishwary Pratap Singh Tomar.
Das Finale der Herren mit dem 50m-Gewehr 3-Stellungen findet am Mittwoch, dem 31. Juli, statt, das Finale am darauffolgenden Tag, dem 1. August 2024.
Die Damen beginnen mit der Qualifikation am 1. August, während das Finale für den darauffolgenden Tag, den 2. August, auf der Schießanlage des Centre National de Tir Sportif (CNTS ) in Châteauroux-Déolentre vorgesehen ist.
ACHTUNG: Da aus organisatorischen Gründen Verschiebungen im Zeitplan auftreten können, finden Sie hier den stets aktuellen Zeitplan für alle olympischen Schießwettbewerbe in Chateauroux (in deutsch)!
Alle bisherigen Folgen der all4shooters Olympia-Reihe "Road to Paris" 2024
- Road to Paris, Teil 1: Das sollten Sportschützen über die Olympischen Spiele 2024 in Paris wissen
- Road to Paris, Teil 2: Die Schießwettbewerbe bei den Olympischen Spielen Paris 2024 vom 27. Juli bis 5. August in Châteauroux
- Road to Paris, Teil 3: Olympische Schießwettbewerbe, Medienberichterstattung und Zeitplan
- Road to Paris, Teil 4: Interview mit Luciano Rossi, ISSF-Präsident
- Road to Paris, Teil 5: Schießwettbewerbe bei den Olympischen Spielen: 10 Meter Luftpistole
- Road to Paris, Teil 6: Trap: anfangs waren es gläserne Zielkugeln, die sich in Tontauben verwandelten
- Road to Paris, Teil 7: Das ISSF-Haus in Chateauroux, Treffpunkt für Sportler, Trainer, Ausstatter und Presse
- Road to Paris, Teil 8: Schnellfeuerpistole und Sportpistole, beides auf 25 Meter