Komplizierte und praxisferne Regelungen gibt es im deutschen Waffengesetz reichlich. Wer herausfinden will, was erlaubt oder verboten ist, muss sich zunächst durch Definitionskataloge in den Anlagen des Gesetzes kämpfen. Auch die vielen Querverweise in den einzelnen Paragraphen erleichtern die Suche nach Ge- und Verboten nicht. Zumal sich in der Allgemeinen Verordnung zum Waffengesetz (AWaffV) oft noch weitere, konkretere Vorschriften finden. Die Aufbewahrungsbestimmungen sind da keine Ausnahme.
Doch der Grundsatz in § 36 Abs. 1 WaffG ist einfach: "Wer Waffen oder Munition besitzt, hat die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, um zu verhindern, dass diese Gegenstände abhanden kommen oder Dritte sie unbefugt an sich nehmen."
Deshalb ist es unzulässig, die Pistole oder die Jagdflinte unter dem Bett oder im Kleiderschrank aufzubewahren. Wer es trotzdem tut, gilt als unzuverlässig und muss mit dem Widerruf seiner Erwerbs- und Besitzerlaubnis(se) rechnen.
Das leuchtet ein - und passiert trotzdem immer wieder, wie ein Blick in die Rechtsliteratur zeigt. Der Online-Kommentar des Walhalla-Verlags (www.walhalla-online.de) weist zum Beispiel auf zwei solcher klaren Urteile hin:
- "Wer sorglos einen mit acht Patronen geladenen Colt auf dem Wohnzimmerschrank in seiner Wohnung, eine ebenfalls mit acht Patronen geladene Pistole Mauser unter dem Bett im Schlafzimmer und eine (ungeladene) Repetierbüchse auf einem Schrank im Kinderzimmer verwahrt und obendrein noch weiter der Ansicht ist, hiermit den Sicherheitsbedürfnissen Genüge getan zu haben, hat seine persönliche waffenrechtliche Unzuverlässigkeit so nachhaltig unter Beweis gestellt, dass seine Waffenbesitzkarte zu widerrufen ist." So urteilte der VGH München schon 1996 (AZ: 21 CS 95.3505).
- Die Aufbewahrung eines geladenen Gewehres im Schlafzimmerschrank ist auch dann unzulässig und ein Verstoß gegen die Sorgfaltspflichten, wenn das Schlafzimmer nur für den Waffenbesitzer zugänglich ist und nur dieser den Schlüssel zum Schrank besitzt. (VGH München, 11. 6. 2001, AZ: 21 ZB 01.631)
Für solche Fälle muss niemand die Rechtsprechung studieren, der gesunde Menschenverstand führt zum gleichen Ergebnis. Das gilt ebenso beim Schlüsselproblem: Auch der beste Tresor schützt nicht vor unbefugtem Zugriff, wenn der Schlüssel offen herumliegt oder die Zahlenkombination an der Tür klebt, weil der Besitzer sie sich nicht merken kann.
Waffenbesitz und Zuverlässigkeit: Schuldig, obwohl die Waffe im Tresor weggesperrt ist?
Trotzdem bietet die Rechtsprechung zum Thema "Aufbewahrung von Schusswaffen" hin und wieder Überraschendes. Zum Beispiel der Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 3. März 2014 (AZ: 6 B 36.13). Dabei entschied das BVerwG über die Nichtzulassung einer Revision durch das Oberverwaltungsgericht Münster. Der dem Beschluss vorangestellte Leitsatz spricht für sich:
- "Die Verwendung für die Kaninchenjagd im eigenen Garten erfordert es nicht, dafür eine geladene Waffe bereit zu halten."
- Sorgfältig und sicher werden die dem Waffenrecht unterliegenden Gegenstände - d.h. außer Waffen auch vom Waffenrecht umfasste Munition - nach § 13 AWaffV jedenfalls nur dann aufbewahrt, wenn sie vor dem unberechtigten Zugriff geschützt sind. Dem widerspricht die Aufbewahrung in einem Raum, der ohne weiteres von Familienmitgliedern oder Hauspersonal betreten werden kann."
Soweit, so klar - interessant ist der Fall aus einem anderen Grund: Unter anderem ging es nämlich um die Frage, ob eine Waffe geladen im Tresor aufbewahrt werden darf.
Die zuständige Behörde hatte dem Betroffenen wegen Verstoßes gegen die Aufbewahrungsbestimmungen die Zuverlässigkeit abgesprochen und seine WBK widerrufen. Dieser wollte das nicht hinnehmen, klagte und verlor 2010 vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf. Dann suchte der Kläger Rettung vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster. Doch auch hier blitzte er 2013 ab, wie schon der zitierte Leitsatz verrät. Und das nicht nur, weil seine Waffen nicht ausreichend vor unberechtigtem Zugriff geschützt waren. Sondern offenbar auch, weil eine Waffe geladen, also mit Patrone im Patronenlager, im Tresor stand. Das mochte der Waffenbesitzer nicht einsehen. Denn das Corpus Delicti stand schließlich in einem Tresor, in dem Waffen und Munition gemeinsam aufbewahrt werden durften.
Das Bundesverwaltungsgericht fasst die Argumentation des Betroffenen so zusammen: "Der § 36 Abs. 1 Satz 2 WaffG erlaube in Waffenschränken der Norm DIN/EN 1143-1 Widerstandsgrad 0 die gemeinsame Aufbewahrung ohne weitere behördliche Genehmigung. Ebenso sei eine gemeinsame Verwahrung aufgrund behördlicher Genehmigung möglich. Sei jedoch die gemeinsame Verwahrung von Waffe und zugehöriger Munition in einem Behältnis erlaubt, so mache es keinen Unterschied, ob die Munition sich dann im Patronenlager befinde oder neben der Waffe liege."
Waffenrecht: Wie müssen Waffe und Munition korrekt gelagert werden?
Die Sichtweise der OVG-Richter war eine völlig andere. Dass der Kläger die Waffe mit Patrone im Patronenlager in seinen Waffenraum stellte, sei ein unsachgemäßer Umgang, "weil ein sachgemäßer Umgang die Beachtung grundlegender Vorsichtsmaßregeln erfordere." Und weiter: "Die Aufbewahrung einer durchgeladenen Waffe sei per se nicht ordnungsmäßig (sorgfältig). Es handele sich um eine Selbstverständlichkeit, Schusswaffen nach dem Gebrauch zu entladen. Dies ergebe sich aus der grundlegenden Umgangs- und Vorsichtsmaßregel. Dementsprechend habe für den Gesetzgeber keine Veranlassung bestanden, ausdrücklich die Aufbewahrung geladener Waffen zu untersagen. Aus der ausnahmsweisen Zulassung von Waffen und Munition in einem Sicherheitsbehältnis nach § 36 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 WaffG folge nichts Gegenteiliges." Deshalb lägen Tatsachen vor, die die Annahme rechtfertigen, dass der Kläger mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen und diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren werde. Folgerichtig hielten die OVG-Richter den Betroffenen gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG für unzuverlässig.
Zudem ließen die OVG-Richter in Münster auch keine Revision gegen ihr Urteil zu. Weil der Kläger nicht aufgeben wollte, legte er dagegen Beschwerde ein, über die dann das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entscheiden musste. Doch die obersten Verwaltungsrichter in den roten Roben lehnten diese ab, weil die genannte Annahme des Oberverwaltungsgerichts "offensichtlich zutreffend" sei: "Es besteht keinerlei Zweifel, dass die Aufbewahrung von Waffen in durchgeladenem Zustand grundlegenden Vorsichts- bzw. Sorgfaltsmaßgaben im Umgang bzw. bei der Aufbewahrung von Waffen und Munition im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG widerspricht. Nur bei Beachtung dieser Maßgaben ist sichergestellt, dass Dritten die einfache Wegnahme von Waffen zum schnellen, sofortigen Gebrauch erschwert wird. Die Maßgaben dienen im Übrigen auch dem Schutz des Berechtigten.“
Waffe geladen im Safe? Auch potenzielle Notwehr ist kein Grund!
Legalwaffenbesitzer sollten deshalb penibel jede einzelne Waffe nach dem Gebrauch kontrollieren, bevor sie die Tresortür wieder schließen. Für Sportschützen und Jäger mag das albern klingen, weil sie die Waffe schon entladen, bevor sie sich auf den Heimweg machen. Außerdem folgt vor dem Reinigen noch eine Sicherheitskontrolle. Doch es kann auch anders ablaufen:
Eine versehentlich nicht entladene Jagdwaffe, die wieder im Tresor landet, weil die Kinder rufen und man das Putzen verschiebt. Oder eine kleine Unaufmerksamkeit, wenn man die Patronen aus der Repetierflinte wieder ins Freie befördert. Eine zusätzliche Kontrolle kann also nicht schaden. Steht plötzlich die zuständige Behörde unangekündigt für die Nachschau vor der Wohnungstür, kann der WBK-Inhaber sein Hobby sonst nur wegen einer Unachtsamkeit an den Nagel hängen.
Wichtig ist der Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts allerdings auch noch in einer anderen Hinsicht: So mancher Sportschütze, Sammler oder Jäger legt absichtlich eine seiner Kurzwaffen aufmunitioniert und durchgeladen in den Waffenschrank - um etwa bei Raubüberfällen in den eigenen vier Wänden gewappnet zu sein.
Einige WBK-Inhaber beschafften sich genau aus diesem Grund extra einen Tresor, in dem Waffen und Munition gemeinsam aufbewahrt werden dürfen. Damit schien alles in bester Ordnung. Schließlich gibt es ein Recht auf Notwehr. Doch so eine "Vorsorge" ist nach dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts nicht zulässig. Nicht nur die Besitzer einer wertvollen Waffensammlung werden das verständlicherweise kritisieren. Denn für Kriminelle sind oft die Waffen selbst das Objekt der Begierde, weil sie damit weitere Straftaten begehen wollen.
Für Legalwaffenbesitzer gibt es insofern ein zusätzliches Risiko, in der eigenen Wohnung Opfer einer Straftat zu werden. Das deutsche Waffengesetz berücksichtigt dies allerdings nicht: Der Umgang mit Schusswaffen ist nur im Rahmen des Bedürfnis umfassten Zwecks erlaubt. Schon deshalb ist das Bereithalten einer durchgeladenen Waffe im Tresor für eventuell eintretende Notwehrlagen grundsätzlich unzulässig.
Mindestanforderungen an die Waffenaufbewahrung
Art und Anzahl der Waffen | Tresor-Mindestanforderung (Sicherheitsstufe / Widerstandsgrad) |
max. 10 Langwaffen | A nach VDMA 24992 |
max. 10 Langwaffen + Munition | A mit verschließbarem Innenfach Stufe B nach VDMA 24992 |
max. 10 Langwaffen + max. 5 Kurzwaffen | A für Langwaffen, verschließbares Innenfachfür Kurzwaffen nach VDMA 24992 |
mehr als 10 Langwaffen + max. 10 Kurzwaffen | B nach VDMA 24992* |
mehr als 10 Langwaffen + max. 10 Kurzwaffen + Munition | B nach VDMA 24992, Munition im verschließbaren Innenfach* |
mehr als 10 Langwaffen + max. 10 Kurzwaffen + Munition | 0 nach DIN/EN 1143-1 (verschließbares Innenfach verzichtbar)* |
mehr als 10 Langwaffen + mehr als 10 Kurzwaffen+ Munition | 1 nach DIN/EN 1143-1 (verschließbares Innenfach verzichtbar) |
Hinweise: * Zusätzliche Bedingung: Das Tresorgewicht muss über 200 kg liegen oder der Schrank mit einem entsprechenden Abrissgewicht an der Wand verankert sein. Das Über-Kreuz-Lagern von Munition ist zulässig: Munition, die sich nicht aus den im Tresor lagernden Waffen verschießen lässt, darf im Tresor aufbewahrt werden.
Fazit zur Waffenaufbewahrung:
Eine Gefahr, dass es bei der Entnahme einer durchgeladenen Waffe aus dem Tresor zu unbeabsichtigter Schussauslösung kommt, lässt sich nicht leugnen. Dennoch legen das Oberverwaltungsgericht Münster und das Bundesverwaltungsgericht die Latte für Waffenbesitzer - wieder einmal - viel zu hoch: Schon ein versehentlich nicht geleertes Patronenlager kann in Zukunft den Vorwurf der Unzuverlässigkeit begründen. Ein Blick in den Spiegel hätte den Richtern vielleicht zu einer etwas lebensnäheren Entscheidung verholfen. Denn wie wäre es, wenn ein Richter nicht mehr Recht sprechen dürfte, der auch nur einmal ein Fehlurteil gefällt hat?
Der Artikel stammt aus der VISIER 8/2014. Hier können Sie die komplette August-Ausgabe der VISIER im VS Medien Online-Shop bequem nachbestellen.
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