Der riesige "Park Patriot" ist eine im Sommer 2015 eröffnete Militäranlage beziehungsweise ein Kongress- und Ausstellungszentrum, in dem Besucher unter anderem Museen mit Panzern, Flugzeugen und Militaria aller Art besichtigen können. Es waren auch Tribünen für Vorführungen der Militärfahrzeuge und Truppenübungen im Gelände zu sehen. Die Anlage ist erst zu einem kleinen Teil fertiggestellt, der ganze kreisrunde Park wird mehrere Quadratkilometer groß sein.
Hier fand die pompöse Eröffnungszeremonie der IPSC Rifle Weltmeisterschaft statt. Nach dem Einlauf aller Nationen und den üblichen Ansprachen führte die Präsidenten-Garde ihr Können vor. Anschliessend sahen wir eine rund 20-minütige Flugshow mit sechs Kampfjets.
Die Shooting Range der 1. IPSC Rifle WM in Russland
Angegliedert an den Park entstand in den letzten Monaten die Shooting Range. Diese besteht einerseits aus dem kleineren "Kalashnikov" Center und aus der großen Hauptrange. Sie besteht aus 20 (!) 300 m-Bahnen. Jede Range etwa 20 m breit und mit hohen Erdwällen abgetrennt. Zusätzlich gibt es nochmals 10 kürzere Schießbahnen mit ca. 100 m. Im etwa 1 km entfernten Kalaschnikow Center, das auch über ein großes Gebäude verfügt, sind nochmals 6 Bahnen mit 100 m Länge aufgebaut.
Alle Schießstände haben überdachte Zuschauertribünen und eine Technikzentrale. Dort wird mit hochauflösenden Kameras auf die Scheiben gezoomt und den Zuschauern die Treffer direkt auf großen Monitoren angezeigt.
Die Schützen wurden jeweils mit Bussen vom riesigen Parkplatz in 10-minütiger Fahrt zu den Ständen geführt.
Der Aufbau der Stages und Areas der IPSC Weltmeisterschaft im Gewehrschießen
Die Teilnehmer schossen jeweils an einem halben Tag eine Area. Eine Area bestand aus 6 Stages. Die 30 Stages wurden also an 5 Halbtagen geschossen. Jede Area war wie folgt aufgebaut: ein Long Course mit bis zu 36 Schuss, zwei Medium Courses mit etwa 15 bis 20 Schuss sowie drei Short Courses mit rund 5 bis 10 Schuss.
Als Ziele waren Classic Targets und Classic Mini Targets aufgestellt. Zur besseren Sichtbarkeit für die Standard-Schützen mit offener Visierung beschossen die Teilnehmer die weiße Seite. "No-Shoot" Targets waren rot gefärbt.
Die Stahlziele waren ausschliesslich gelbe Popper und Mini Popper. Die Popper wurden auf bis zu 200 m beschossen. Das bereitete keinerlei größere Probleme, die Treffer waren gleich sichtbar.
Mehr Schwierigkeiten kamen bei den vielen Scheiben auf weite Distanzen von 200 - 300 m auf, zumal nicht immer aus einer stabilen Liegend-Position geschossen werden konnte. Auf einigen Stages waren Fenster die einzige Möglichkeit, die weiten Scheiben zu treffen.
Die Aufbauten waren zwar stabil gebaut, es stellte sich aber trotzdem als schwierig heraus, die Ziele sicher in einer vernünftigen Zeit zu treffen. Viele Scheiben mussten die Gewehrschützen stehend frei auf 50 - 80 m beschießen. Teilweise waren sie mit "No-Shoot"-Targets geschmückt.
Auch bei den Schießpositionen griffen die Stage-Designer tief in die Trickkiste. Es gab sehr schwierige Positionen rechts außen, dass sich der ein oder andere Teilnehmer wünschte, Linksschütze zu sein (ein Schulterwechsel ist auch nicht immer die erste Wahl). Auch waren etwa 10 Schwingscheiben zu beschiessen, die meisten auf 50 - 80 m Entfernung.
In einem Parcours war eine kleine, schmale Brücke aufgebaut, von der aus rechtwinklig zwei Scheiben auf 300 m und eine Schwingscheibe auf rund 80 m sichtbar waren. Die möglichen Optionen waren ein recht unstabiler, kniender Anschlag unter Zuhilfenahme des Geländers als Auflagefläche oder eine stabile liegende Position, die mangels Platz aber sehr unbequem war. Die Schützen lösten zwar alle Probleme, doch der Trick dabei war, möglichst schnell zu sein.
Vorteile mit Zweibeinen an den Gewehren bei der IPSC WM
Diejenigen Schützen, die stehend frei sehr sicher auf 100 m Popper treffen konnten, hatten sicher Vorteile. Allerdings waren auch vermehrt lange Zweibeine vertreten. Damit können Ziele kniend sehr schnell und sicher getroffen werden. Der grosse Vorteil ist, dass der Schütze schnell in der Position ist und auch schnell wieder weiter kann. Allerdings benötigen die langen Zweibeine an den Gewehren einen hohen Trainingsaufwand, um ganz vorne mitzumischen.
So zum Beispiel Olle Ackehed, der in der Semi-Auto Open Division den 4. Rang belegte. Er behauptet von sich selbst, dass er stehend freihändig ein sehr schlechter Schütze sei. Ackehed benutzte ab etwa 50 m aufwärts, wo immer möglich, sein langes Zweibein.
Auf vielen Stages war das möglich, da immer einige weite Distanzen dabei waren. Es gab keine einzige Übung, bei der die Ziele nur sehr weit oder nur nah waren. Alle Stages mit weiten Scheiben enthielten zugleich auch kurze Distanzen, so dass die Wahl der Vergrösserung der Optik eine entscheidende Rolle spielte.
Die Wahl der Optiken bei der 1. Weltmeisterschaft im IPSC-Gewehrschießen
Es gibt einerseits die Möglichkeit, die Vergrößerung im Wettkampfgeschehen zu verändern oder der Schütze legt die Einstellung der Primäroptik vor dem Parcours fest und beschiesst die nahen Ziele mit einem Leuchtpunktvisier (Sekundäroptik).
Dafür muss das Gewehr etwa 30 Grad zur Seite gedreht werden, um durch die Nebenoptik das Ziel anvisieren zu können. Je näher dabei das Rotpunktvisier am Auge ist, desto grösser das Sehfeld. Ideal ist ein kleines Reflexvisier mit grossem Fenster.
Alles in allem war es ein toller Wettkampf mit dem einer WM entsprechendem Schwierigkeitsgrad. Alle Aufgaben waren lösbar, und wie so oft beim IPSC trennte die Zeit die Spreu vom Weizen. Die meisten Teilnehmer konnten wohl beim einen oder anderen Parcours etwas dazulernen, vor allem, nachdem sie gesehen oder gehört hatten, mit welchem Ablauf sie die Stage auch hätte schiessen können.
Shoot-Off bei der 1. IPSC Rifle Weltmeisterschaft in Russland
Nach dem letzten Wettkampftag fand am Samstag, 11. Juni 2017, das Shoot-Off statt. Jeweils die besten 16 Schützen in der Gesamtwertung sowie die besten 8 Schützen und Schützinnen in den Kategorien durften sich in diesem Show-Wettkampf messen.
Jeweils zwei Schützen traten gegeneinander an, wer zuerst 8 Mini Popper auf etwa 50 m und am Schluss den Stopp-Popper zuerst getroffen hatte, kam eine Runde weiter.
Im Finale gab’s dann "Best of Three". Auch hier war es interessant und beeindruckend, wie die Top-Schützen vorgingen: Jerry und Lena Miculek gewannen beide stehend freihändig, wobei Kristian Rommen, der Shoot-Off-Sieger in Open, sich hinwarf und liegend die neun Stahlziele blitzschnell traf.
Ergebnisse und Siegerehrung der 1. IPSC Weltmeisterschaft Gewehrschießen
Am Samstagabend fand in einer riesigen Halle des Patriot Parks die Siegerehrung statt und alle versammelten sich zum Diner an Tischen zu 10 Personen. Wie zu erwarten war, schossen sich in Open Semi-Auto die Finnen auch auf der Weltmeisterschaft aufs Podest, und dies gleich dreimal.
Obwohl Teemu Rintala am ersten Tag einen Nulldurchgang hatte, konnte er mit 15 Matchpunkten (entspricht 0,7 %) vor dem mehrfachen Europameister Raine Peltokoski gewinnen. Dritter wurde Jarkko Laukia vor dem Schweden Olle Ackehed. Fünfter wurde der letzte im Open Team Finnland, Kim Leppanen. Das ist eine unglaubliche Teamleistung!
Erwähnenswert ist auch die Leistung der bestplatzierten Lady, Lena Miculek aus den USA. Sie erreichte sehr gute 84,47 % in der Overall Wertung, noch vor ihrem Vater Jerry, der die Super Senioren Wertung gewann. Auch der beste Senior kommt aus den USA: Jojo Vidanes.
Beeindruckend war der junge Caleb "Hunter" Cayll, der trotz erheblicher Behinderungen an Armen und Beinen sehr fix unterwegs war. In der Wertung Standard Semi-Auto (ohne Optik und Zweibein) konnte sich der Norweger Haavard Ostgaard vor drei Finnen durchsetzen.
An Level III Matches normalerweise nicht präsent, waren in Moskau auch die Divisionen Open Manual und Standard Manual (Repetierbüchsen mit Optik und mechanischer Visierung) vertreten. Hier konnten jeweils russische Schützen gewinnen.
Zum Schluss der mit Live-Musik ausklingenden Zeremonie wurde draußen ein beachtliches Feuerwerk gezündet. Dies war der Abschluss einer unvergesslichen Woche in Russland.
Der Veranstalter verdient große Anerkennung, eine von Grund auf neue Anlage in kurzer Zeit fehlerfrei zum Laufen gebracht und eine rundum gelungene erste IPSC Rifle Weltmeisterschaft mit allem Drum und Dran perfekt organisiert zu haben.
Probleme bei der Mitnahme von Waffen schon vor der Einreise nach Russland zur IPSC Rifle WM
Leider gab es von Seiten der Behörden bei der Ausfuhr der Gewehre aus dem Inland schwerwiegende Probleme. Denn gegen Russland gibt es seit der Ukraine-Krise ein Embargo, das den Handel von Waffen und Munition einschließt. Einige Regierungen, allen voran unsere Bundesregierung, legten dieses Verbot so weit aus, dass den Sportschützen die Mitnahme der Sportgewehren nach Russland verweigert wurde.
Im Grunde betrifft dieses Embargo lediglich den Handel! Sportschützen betreiben keinen Handel. Sie reisen mit ihren Sportgeräten zu den Sportveranstaltungen ins Ausland und kommen anschließend auch damit wieder zurück. Die deutsche Bundesregierung ging sogar noch einen Schritt weiter: sie wandte sich an Brüssel, um auch andere EU-Länder davon zu überzeugen, eine Mitnahmeerlaubnis zu verweigern!
Einigen Nationalteams wurde dadurch tatsächlich die Mitnahme der Sportgewehre von ihren eigenen Regierungen nach Russland verweigert. So konnten unter anderem die Teams aus Deutschland, Frankreich und Dänemark nicht mit ihren eigenen Gewehren an der WM teilnehmen. Unseren Nachbarn Österreich traf es besondes unvorhergesehen: ganz spontan unmittelbar bei der Abreise auf dem Flughafen in Wien wurde den Kollegen mitgeteilt, dass sie ihre Matchgewehre nicht mitnehmen dürfen.
Kommentar:
Wir von all4shooters.com finden das eine bodenlose Frechheit, denn für uns Sportschützen sind die Matchgewehre lediglich Sportgeräte und die Mitnahme der eigenen Waffen zu Sportveranstaltungen ist essentiell. Das hat so gar nichts mit Waffenhandel oder der Unterstützung eine Staates zu tun, der auf einer schwarzen Liste für Waffenexporte steht. Aus unserer Sicht ist das reine Willkür der Bundesregierung und eine sehr fragwürdige Auslegung von EU-Beschlüssen.
Den Schützen, die ohne ihre eigenen Matchgewehre angereist waren, wurden allerdings vor Ort von vielerlei Seiten Leihwaffen angeboten. Das zeugt von ausgezeichnetem Sportsgeist und Kameradschaft in der IPSC-Welt.
Weitere Informationen und detaillierte Matchresultate erfahren Sie auf der offiziellen Webseite der 1. IPSC Rifle Weltmeisterschaft.
Die IPSC Weltmeisterschaft Kurzwaffe 2017 fand in Frankreich statt. Wir haben live darüber mit Videos berichtet. Hier finden Sie die Matchberichte und die Ergebnisse.
Den Beitrag über die IPSC Rifle WM finden Sie in der caliber Ausgabe 9/2017. Die Ausgabe können Sie hier über den VS Medien Online-Shop bestellen.