Sie verziehen keine einzige Miene. Unter ihren Helmen starren die Augen ins Nichts. Touristen schießen ein Selfie nach dem anderen, aber die Soldaten zeigen keine Regung. Mitten im Herzen Londons befindet sich das Gebäude namens "Horse Guard". Es liegt zwischen der "Whitehall" und der großflächigen "Horse Guards Parade".
Und genau hier stehen jeden Tag bei jedem Wetter Männer einer Eliteeinheit Wache, die auf eine lange Tradition zurückblickt: die Household Cavalry.
Dabei existiert diese Einheit an sich erst seit dem Jahr 1992, als man die beiden Gardekavallerie-Regimenter namens "Life Guards" und "Blues and Royals", zusammenlegte. Diese beiden Regimenter versehen schon seit vielen hundert Jahren ihren Dienst. Sie sind eng mit der britischen Monarchie verwoben – worauf man auch sehr stolz ist.
Die Kriegsgeschichte der Household Cavalry
Eng verbunden sind die Gardekavalleristen aber auch mit den britischen Kriegen, die sie bis in die heutige Zeit mitführen. Die berittene Leibgarde des Königs entstand im Jahr 1660 im niederländischen Exil von Charles II. aus 80 sogenannten "cavalier gentlemen".
Nach Wiederherstellung der Monarchie in England wurde der Umfang der Truppe stetig erweitert, bis dann die Life Guards und andere Formationen offiziell entstanden. Sie formten eine kämpferische Elite, die ein ums andere Mal ihre Stärke beweisen konnte. So leisteten sie anno 1685 einen wichtigen Beitrag beim Sieg in der Schlacht von Sedgemoor und 1815 in Waterloo.
Auch das 19. Jahrhundert war geprägt von Konflikten, und die britischen Gardekavalleristen mittendrin. So bei den Kämpfen im Sudan (1880er Jahre) gegen den Mahdi oder auch im Burenkrieg (1898-1902). Der Erste Weltkrieg brachte dann das Ende, zumindest für den Kampf zu Pferde. Als Fahrradkompanie, MG-Bataillon und andere Formationen beendeten die verschiedenen "berittenen Einheiten" den Krieg.
Der Zweite Weltkrieg sah auch wieder den Einsatz von Pferden, aber auch den motorisierten Einsatz der Soldaten. Sie kämpften in Italien, Nordafrika und in der Normandie. Nach Kriegsende wurden sie in Deutschland als Besatzung eingesetzt. Später waren die Kavalleristen mit ihrer modernen Ausrüstung auf dem halben Erdball zu finden, um das zerfallende Empire zu sichern.
Als dieses mehr und mehr kollabierte, strich man auch die Regimenter zusammen. Die Anzahl an Panzern, Soldaten und Stützpunkten wurde reduziert. Dennoch setzt man sie nach wie vor im Kampf ein, so etwa im Irak oder in Afghanistan.
Die Household Cavalry als berühmtes Wachregiment
Für die meisten Menschen sind die Gardekavalleristen wohl am ehesten verbunden mit den Wachaufgaben, die sie in ihrer "alten Uniform" ausüben. Dies ist aber der zweite Teil der Household Cavalry – das Mounted Regiment, das berittene Wachregiment der britischen Krone. Diese zeremonielle Rolle üben die Kavalleristen seit vielen Jahren aus. Vor allem bei wichtigen, offiziellen Feierlichkeiten sieht man die "Household Cavalry" in vollem Ornat oder auch hin und wieder einmal abgesessen paradieren.
Dennoch stecken auch in diesen altertümlich anmutenden Uniformen mit Säbel und Kürass echte Soldaten. Gerade die lange Tradition der berittenen Leibwache macht den Dienst in dieser Einheit zu etwas Besonderem. Mit hohem Schauwert präsentiert sie sich, wenn etwa die Wachen stündlich wechseln:
Die Polizei rückt an und sperrt den Eingang ab. Dann erschallen markige Töne, zwei Berittene erscheinen und ein Soldat zu Fuß mit gezücktem Säbel postiert sich in der Mitte des Platzes am Eingang zur Horse Guard. Kommandos erschallen. Die beiden Reiter bewegen ihre Tiere von hinten an je eines der beiden Wachhäuschen.
Die bisherigen Wachen lenken ihre Pferde nach vorne heraus, machen Platz für die Ablösung und postieren sich auf dem Hof nebeneinander. Es folgen weitere Kommandos, die Säbel werden gezückt, die Pferde mit einem kräftigen (lobenden) Schlag auf den Hals bedacht und dann geht es zu Fuß zurück in den Stall. So spielt sich – ganz kurz dargestellt – der Wachwechsel ab.
Das Museum der Household Cavalry
Im Jahr 2007 eröffnete die Queen das Museum der "Household Cavalry". Sein Eingang liegt an der "Horse Guard Parade". Hier präsentieren die Briten eine umfangreiche Sammlung mit Stücken aus den letzten 350 Jahren. In englischer Sprache gehalten, besteht aber die Möglichkeit, ausgestattet mit einem Touchscreen und einem Audioguide (Französisch, Deutsch, Spanisch und andere Sprachen) durch das Museum geleitet zu werden.
Der Rundgang beginnt klassisch in einem Stall, in dem man auch das Selbstverständnis der Kavalleristen besser versteht: "Horses first, Soldiers next, Officers last" (deutsch: "Pferde zuerst, Soldaten als Nächstes, Offiziere als Letztes"). Hier lässt sich durch ein Fenster ein Blick in die Stallungen der Wachen werfen, die täglich an der "Horse Guard" ihren Dienst versehen. Dort werden die Pferde gestriegelt und gefüttert. Es wird alles unternommen, damit es den Tieren während des Dienstes an nichts mangelt.
Regulär befindet sich der Stützpunkt der Einheit allerdings in den Hyde Park Barracks – etwa einen Kilometer vom Buckingham Palast entfernt. Hier finden sich auch die meisten Pferde.
Traditionell greift die Einheit auf irische "Draught Horses" zurück, die als gute Arbeitspferde gelten. Die Mindestgröße liegt bei 1,65 m. Die meisten Pferde sind schwarz oder zumindest dunkel. Nur der Trompeter reitet einen "Grauen". So war er auf dem Schlachtfeld besser zu erkennen.
Die Benennung der Pferde erfolgt alphabetisch, je nach Jahr, in dem sie zur "Household Cavalry" kamen. "Invader" kam im Jahr 2008 zur Einheit, "Jubilee" im Jahr 2009. Um das erste Mal an einer Zeremonie teilzunehmen, bedarf es eines sechsmonatigen Trainings für die Vierbeiner.
Die Sammlung zeigt sich klein und übersichtlich, aber modern ausgestattet. Interaktiv durch die Räume geführt wird der Besucher, wenn er sich für ein technisches Helferlein entschieden hat. Natürlich fehlen auch die obligatorischen Schaukästen mit Devotionalien nicht, wobei sie zeitlich gemischt sind. Das Vickers-MG steht etwa unweit der Reiterfigur, die an Waterloo erinnern soll – in heroischer Pose versteht sich.
Vorbeizuschauen lohnt sich auf alle Fälle, wenn Sie mal wieder in London sind!
Der Artikel zur britischen Household Cavalry stammt aus der VISIER 4/2017. Die Ausgabe können Sie ganz bequem im VS Medien Online-Shop bestellen.
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