Jawohl: Das Wunderland exisitiert und ist gar nicht so weit entfernt. Die Umgebung für unser "Spielzeugland" ist außergewöhnlich. Es handelt sich um den “Reckturm” in der netten Stadt Wiener Neustadt in Österreich. Sie liegt nicht weit von der Hauptstadt Wien entfernt und ist unter anderem für den Steyr-Mannlicher-Schießstand bekannt, dazu für zahlreiche zivile und militärische Schießstände - nicht zulätzt auch durch die Übungsanlage des österrreichischen Einsatzkommandos Kobra.
Als Teil der mittelalterlichen Befestigungsanlagen der Stadt steht der Reckturm als mächtiges Bollwerk da. Er vermittelt dem Besucher einen Eindruck vom vergangenen Glanz, ist ein historisch und städtebaulich bedeutendes Bauwerk. Entstanden ist der Turm im 13. Jahrhundert. Seit der Renovierung im Jahr 1994 steht er wieder im alten Glanz da.
Sie mögen einwenden, dass dies nicht ausreiche, um den Turm zu einer art Austro-Rovaniemi zu machen. So nennen die Finnen das kommerzielle Hauptquartier des “Santa Claus”. Sie wollen ihn auch nicht als Filiale des “Duncan's Toy Chest” in New York, durchgehen lassen, jenes Spielzeugladens, den Kinder in aller Welt kennen? Nun denn; das, was uns der Eigentümer, Herr Josef Karlik, zeigte, ist atemberaubend. Der Wert dieser "Spielzeuge" wächst noch dadurch, wie und wo sie präsentiert werden.
Das Museum ist privat und im Familienbesitz. Herr Karlik öffnete extra für uns und führte uns persönlich durch den Turm, bis es zum Abschluss der Führung an der netten Bar im Erdgeschoss ein gutes, heimisches Bier gab.
Betritt man den Reckturm, eröffnet sich einem im Erdgeschoss ein Szenario aus Stumpen, Ketten und Palletten, auf die Schaufensterpuppen befestigt sind. Hier hatte man einmal die Knochen der ehemaligen Bewohner gefunden. Das gibt eine klare Vorstellung davon, wofür der Turm ursprünglich einmal da war: als Kerker und Folterkammer.
Dadurch bekommt man eine Vorstellung von den Lebensumständen der Menschen, die in allmächtigen oder tyrannischen Staaten leben mussten beziehungsweise müssen - denn in vielen Staaten gibt es Bestrebungen, ihre Bürger zu entwaffnen, was diese wehrlos machen würde.
Die fünf Stockwerke sind durch hölzerne Treppen miteinander verbunden. Sie bieten dem Besucher eine große, gut sortierte und aufbereitete Reihe von Vitrinen, aber auch lose Ausstellungsstücke, eine Sammlung alter Waffen einschließlich einiger Schwerter, Vorderlader, Rad- und Steinschlosswaffen aus örtlicher Fertigung und auch aus Osteuropa. Davon sind einige Stücke sehr fein gearbeitet, manches öffentliche Museum wäre froh darum, mancher Auktionskatalog verblasst dagegen.
Die Sammlung geht dann mit einer Reihe von Hinterladern wieter, viele Originalstücke aus dem "Wilden Westen", Unterhebelrepetierer von Winchester und Colt, einige von 1851 und 1860 (nebenbei auch einige italiensiche Replikas der Gegenwart), alles aber in neuwertigem oder fast neuwertigem Zustand. Dazu kommen die noch selteneren Beispiele der zugehörigen Munition.
Im urtümlichen baulichen Umfeld bei Wandstärken von zwei Metern ist das natürlich eine Menge. Ergänzt wird dieser Teil der Ausstellung durch örtliche und afrikanische Jagdtrophäen.
Dagegen stechen die einzeln stehenden historischen Maschinengewehre ab: Maxim, Lewis und Schwartzlose, ebenso ein Johnson Automatics und ein VZ 26, daneben Tische voller Handgranaten verschiedener Hersteller. Die sind natürlich entschäft und dienen dazu, Kinder für diese gefährlichen Fundstücke zu sensibilisieren und sie davor zu warnen. Für Kinder interessant sind auch Schaukästen mit altem Spielzeug: Schuco und viele andere, in bester mitteleuropäischer Tradition, Sammlerherzen schlagen hier höher. Es folgen andere hervorragende Kästen und Regale mit Doppelbüchsen in afrikajagdtauglichen Kalibern, dazu weitere "Delikatessen", alles zwischen niedrigen Steingewölben, -herden und antikem Werkzeug. Jeder sinnvoll nutzbare Platz ist mit einer wachsenden Zahl automatischer Waffen belegt.
Folgerichtig wird dann die Entstehung der modernen militärischen Selbstladebüchsen dargestellt. Es beginn mit dem FAL, geht über das G3 zum Stg77 (Steyr AUG). Bei den Maschinenpistolen reihen sich MP40, MP44, Shpagin (Ppsh41) und andere (Sten, Thompson, AK 47, etc.) aneinander. Im letzten Stockwerk folgen dann Vitrinen mit Gewehren, Revolvern und - mehr oder minder bekannten, aber immer vorzüglich erhaltenen - Pistolen. Da sticht ein Mannlicher-Karabiner Modell 1901 im Kaliber 7,63 mm Mannlicher hervor. Das Stück mit der Fertigungsnummer 176 ist besser als das im Steyr-Museum. Auch die spanische Royal MM31 findet sich hier mit 140 mm langem Lauf und einem 20-Schuss-Magazin.
Die wertvolle und rare, sehr rare Sammlung von Ordonnanzpistolen verschiedener Herkunft kontratiert mit einer Reihe von originalen Maschinengewehren, japanischen, MG 34, MG 42 komplett mit Zubehör und greifbar, um sie zu zerlegen und zu inspizieren, wie man es mag.
Wenn man wie wir aus Italien kommt, dann stellt man sich vor, dass eine solche Sammlung nur einem erlauchten Kreis zugänglich wäre, dass sie vielleicht nur von Enthusasten oder Leuten, die hier arbeiten müssen, besucht würde. Nichts von dem: Alles ist öffentlich, nur eine Voranmeldung wird erbeten.
Also: Genießen Sie es!
Der Reckturm ist für die Öffentlichkeit vom 1. Mai bis zum 31. Oktober jeweils am Dienstag, Mittwoch und Donnerstag von 10:00 bis 12:00 und von 14:00 bis 16:00 Uhr geöffnet, ebenso am ersten Samstag und Sonntag im Monat.
Weitere Informationen bei:
Herr Josef Karlik, Grazerstrasse 24,
A-2700 Wiener Neustadt,
Tel. 0043-2622/27924