Zuerst kommen wir zu den Details aus dem Beschluss:
In einem Zehn-Punkte-Plan wurde in Bezug auf den Export von "kleinen und leichten Waffen" unter anderem festgelegt: Ab sofort zählen nicht nur tragbare Kriegswaffen, sondern auch Scharfschützengewehre und Vorderschaft-Repetierflinten ("Pump Guns") zu den kleinen und leichten Waffen. Die Bundesregierung schließt zukünftig aus, dass Scharfschützengewehre und Vorderschaft- Repetierflinten an private Endempfänger in Drittstaaten geliefert werden. Als Drittstaaten gelten dabei alle Länder der weltweiten Staatengemeinschaft, außer den EU-Mitgliedstaaten, den NATO-Ländern und den NATO-gleichgestellten Ländern wie Australien, Japan, Neuseeland und die Schweiz.
Diese Regelung stellt eine Verschärfung der Genehmigungspolitik der Bundesregierung dar, die auch die Hersteller und Händler ziviler Waffen betrifft. Allerdings ist die Regelung nicht auf "Jagd- und Sportwaffen" anzuwenden. Nun wird sich der waffentechnisch Versierte die Frage stellen, wie denn Scharfschützengewehre und Vorderschaft-Repetierflinten von jagdlichen und sportlichen Präzisionsgewehren oder Vorderschaft-Repetierflinten abzugrenzen sind. Im Genehmigungsverfahren ist schließlich die Frage zu beantworten, wann von einem Scharfschützengewehr oder von einer Vorderschaft-Repetierflinte einerseits und von einer Jagd- oder Sportwaffe andererseits zu sprechen ist. Hierzu ist bislang jedoch nichts bekannt. Derjenige, der derartige Regelungen schafft, sollte sich jedoch auch Gedanken über deren Vollzug machen und diese Frage nicht einer nachgeordneten Behörde überlassen. Auslegungshilfen wären das mindeste, was man sich für die Verwaltungspraxis gewünscht hätte.
Nach aller Erfahrung wird diese Richtlinie die Bearbeitung von Antragsverfahren komplizieren. Denn das hier zuständige Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) ist ja nun verpflichtet, Exportgenehmigungsanträge abzulehnen, die Lieferungen von Scharfschützengewehren oder Vorderschaft-Repetierflinten an private Endempfänger in Drittstaaten umfassen. Andererseits darf das BAFA aber die Erteilung von Genehmigungen nicht verweigern, wenn die Lieferung von Jagd- oder Sportgewehren beabsichtigt ist. Entscheidend ist nun die Frage, ob eine Zylinderverschluss-Präzisionsbüchse im Kaliber .308 Winchester oder im Kaliber .223 Remington eine Waffe für das jagdsportliche, jagdliche Schießen oder für den Jagdeinsatz ist oder ob es sich um eine Scharfschützenwaffe im Sinne der "Kleinen und leichten Waffen" handelt. Das Gleiche gilt natürlich in Bezug auf die Vorderschaft-Repetierflinten.
Praxisempfehlung von VISIER:
Im Zweifel wird der Hersteller einer derartigen Waffe hier den Sachbearbeiter in seiner Entscheidungsfindung unterstützen müssen, ob die fragliche Waffe für den jagdlichen oder sportlichen Einsatz oder eben den militärischen oder polizeilichen Einsatz konzipiert wurde. Bei der Beantragung von Ausfuhrgenehmigungen scheint es somit angebracht zu sein, dass dem BAFA bereits mit dem Antrag entsprechendes technisches Informationsmaterial zu den jeweiligen Waffen überlassen wird. Das kann langwierige Rückfragen vermeiden.
Sonstiges im Zehn-Punkte Plan:
Rüstungstechnische Kapazitätserweiterungen im Ausland dürfen von Deutschland aus nicht mehr gefördert werden. Die Bundesregierung wird zukünftig keine Genehmigungen für die Ausfuhr von Komponenten und Technologie in Drittländer erteilen, sofern dies in dem betreffenden Land eine neue Herstellungslinie für "Kleine und leichte Waffen" oder entsprechende Munition eröffnen würde. Dies gilt beispielsweise im Zusammenhang mit Lizenzvergaben.
Keine Weitergabe solcher Waffen:
In den Fällen, in denen die Erteilung einer Ausfuhrgenehmigung für die gerade genannten "Kleinen und leichten Waffen" überhaupt noch in Betracht kommt, muss der staatliche Endempfänger sich verpflichten, eine gleiche Menge alter Waffen auszumustern und zu vernichten. Es gilt damit ausnahmslos der Grundsatz "neu für alt". Falls durch die Neubeschaffung ein Mehrbedarf gedeckt werden soll, muss der Endempfänger sich verpflichten, die neu beschafften Waffen bei der Ausmusterung / Aussonderung zu vernichten. Außerdem kündigte die Bundesregierung an, dass sie sich dafür einsetzen wird, dass der Grundsatz "neu für alt" und die Variante "nach Mehrbedarfsdeckung, Vernichtung bei Aussonderung" internationaler Standard wird.
Dauerhafte Kennzeichnung von Waffen:
Nach diesem Beschluss vom 18. März 2015 sollen "Kleine und leichte Waffen" mit solchen Kennzeichen versehen werden, die leicht erkennbar, lesbar, dauerhaft und nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten auch wiederherstellbar sind. Die umfassende Kennzeichnung von in Deutschland hergestellten Waffen soll rechtsverbindlich geregelt werden.
In diesem Zusammenhang stellt sich für den Fachmann die Frage, was mit dieser Ankündigung bewirkt werden soll. Nach § 24 WaffG (Waffengesetz) sind von demjenigen, der gewerbsmäßig Schusswaffen herstellt oder sie in den Geltungsbereich des Gesetzes verbringt, bereits jetzt auf einem wesentlichen Teil der Waffe solche Kennzeichnungen anzubringen. "Neu" könnte demnach allenfalls die Vorgabe sein, dass die Kennzeichnungen nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten wiederherstellbar sein müssen. Die Bundesregierung sollte aber eindeutig vorgeben, wie sie sich die Wiederherstellung einer einmal entfernten Kennzeichnung denn vorstellt.
Folgen der Exportkontrollpolitik für die Wirtschaft:
Die deutschen Hersteller von Schusswaffen und Munition, sowie die mit Waffenexporten befassten Händler, werden damit erneut in ihrem Geschäftsfeld beschränkt. Sie mussten seit dem letzten Regierungswechsel ohnehin die überaus schmerzliche Erfahrung machen, dass selbst erprobte und gängige Verwaltungsverfahren innerhalb der üblichen Fristen nicht mehr abgewickelt werden können. So stellen Wartezeiten von mehreren Monaten, ja sogar bis zu einem Jahr zwischen Antragstellung und der Entscheidung über den Antrag längst keine Ausnahme mehr dar. Ein Grund für die mehr als unerfreuliche Situation liegt darin, dass das BAFA den überwiegenden Teil der Anträge im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, geführt von Vizekanzler und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel, zur Entscheidung vorlegen muss. Die Entscheidungskompetenz des BAFA wurde offensichtlich durch Gabriel weitgehend beschränkt.
Inkonsequente Exportpolitik:
Zu den sehr bewährten Grundsätzen der Exportkontrollpolitik der Bundesrepublik Deutschland gehörte bislang das Prinzip, in Spannungsgebiete grundsätzlich keine Schusswaffen und Munition zu liefern. Im Sommer des vergangenen Jahres erlaubte die Bundesregierung dann, Folgendes aus Beständen der Bundeswehr an die autonome Region Irakisch-Kurdistan zu liefern: 8.000 Sturmgewehre des Typs G3 samt 2.000.000 Patronen, 40 Maschinengewehre des Typs MG 3 samt 1.000.000 Patronen, 8.000 Sturmgewehre des Typs G36 samt 4.000.000 Patronen, 8000 Pistolen des Typs P1 samt 1.000.000 Patronen, 30 Panzerabwehrwaffen des Typs Milan mit 500 Lenkflugkörpern, 200 Stück Panzerfaust 3 mit 2.500 Schuss Munition, 40 schwere Panzerfäuste mit 1.000 Schuss Munition, 100 Signalpistolen samt 4.000 Schuss Munition sowie 10.000 Handgranaten.
Das geschah im Zusammenhang mit der Versorgung der Flüchtlinge und beim Kampf gegen den Islamischen Staat im Nordirak. Diese Lieferung erfolgte direkt in ein Spannungsgebiet. Wer sich hierdurch auch eine Lockerung der ansonsten ja restriktiven Exportpolitik der Bundesregierung versprach, wurde durch den besagten Beschluss der Bundesregierung vom 18. März 2015 bitter enttäuscht.
Fazit zu den verschärften Exportkontrollbestimmungen:
Nach der persönlichen Bewertung der Verfasser sind mit diesem Beschluss gerade für die Hersteller ziviler Waffen erneute Erschwernisse, rechtliche und technische Unsicherheiten verbunden. Das Tagesgeschäft dieser Unternehmen wird zusätzlich erschwert. Wie die Vorgaben der Bundesregierung technisch umzusetzen sind, wird sich noch zeigen. Es verfestigt sich aber immer mehr der Eindruck, dass die mit der Herstellung und dem Handel von Schusswaffen und Munition befassten Firmen in Deutschland in keiner Weise das Wohlwollen der Politik genießen. Es wird sich zeigen, ob es unter verteidigungs- und arbeitsmarktpolitischen Aspekten ratsam ist, die eigene Waffenindustrie so sehr zu schwächen, dass diese entweder in den Ruin oder außer Landes getrieben wird. Im Zweifel werden die Waffen- und Munitionshersteller wohl eher in das benachbarte Ausland ausweichen müssen. Der Sicherung von Arbeitsplätzen in Deutschland dient diese Politik jedenfalls nicht. Aber das Schicksal der Beschäftigten in der Waffenbranche steht wohl für den Bundeswirtschaftsminister auf dem Weg zur angestrebten Kanzlerschaft genauso zur Disposition, wie das der Arbeitnehmer in der Rüstungsindustrie.