Grundsätzliches zu Long-Range-Zielfernrohren:
Der Markt an Zielfernrohren ist inzwischen riesig und dementsprechend unübersichtlich das Angebot. Allerdings ist Zielfernrohr nicht gleich Zielfernrohr. Auch hier gilt wieder einmal: Bevor man sich ein solches optisches Gerät zulegt, sollte man sich genau darüber im Klaren sein, wozu man es eigentlich nutzen möchte. Zwar kann man die hilfreichen Zieloptiken grundsätzlich immer noch in drei große Kategorien einteilen: Sport-, Jagd- und taktische Zielfernrohre. Jedoch sind in den vergangenen Jahren immer wieder auch technische Entwicklungen und Errungenschaften aus dem einen in die anderen Bereiche geflossen und umgekehrt.
Und gerade die große Vielfalt und die vielen Schnittmengen zwischen den unterschiedlichen Verwendungszwecken machen es dem Long-Range-Schützen nicht gerade einfach, das für ihn optimale Zielfernrohr auszuwählen. Denn trotz vieler Gemeinsamkeiten unterscheiden sich die Ansprüche der Nutzergruppen teilweise doch sehr. So werden etwa ein Sportschütze und auch ein LR-Anhänger, die nur am Tag schießen, nicht ganz so viel Wert auf eine besonders hohe Lichttransmission legen wie ein Jäger. Dennoch wird jeder Long-Range-Schütze hier darauf bedacht sein, einen hinreichend großen Objektivdurchmesser zu wählen, um für alle auf die Sichtverhältnisse schlagenden wetterbedingten Kapriolen gerüstet zu sein. Am häufigsten trifft man auf den Long-Range-Schießbahnen übrigens Objektive mit rund 50 bis 56 mm Durchmesser an.
Ein möglichst großes Sehfeld ist beim Schützen, der nur seine Zielscheibe oder gar nur einen bestimmten Ausschnitt davon im Blick haben muss, nicht so wichtig wie beim Jäger oder Scharfschützen. Diese müssen schließlich meist einem beweglichen Ziel folgen und natürlich auch aus Sicherheitsgründen das Umfeld ihres Zieles beobachten können. Aber auch Distanzschützen, die mehrere Ziele in unterschiedlichen Entfernungen treffen möchten, profitieren von einem größeren Sehfeld.
Ähnlich verhält es sich mit der Vergrößerung eines Zielfernrohres und der generellen Frage, ob der Schütze eine Optik mit fester oder variabler Vergrößerung kaufen sollte. Wer wie etwa ein Benchrest- Schütze nur auf eine bestimmte Distanz mit immer dem gleichen Anschlag von einer stabilen Auflage schießt, der kann auch ein Glas mit fixer Vergrößerung wählen. Wer auf verschieden weite Entfernungen schießt, kommt an einem Glas mit variabler Vergrößerung dagegen nicht vorbei. In der Praxis trifft man hier oft Zielfernrohre mit einer 5- bis 25-fachen Vergrößerung an. Dabei sollte man aber beachten, dass die für den Waidmann konzipierten Gläser mit diesen Vergrößerungswerten hier werkseitig oft mit viel geringeren Verstellbereichen ausgestattet sind, als die für den sportlichen oder taktischen Bereich Modelle gedachten.
Ein Sportschütze, Long-Range-Jäger oder ein Sniper, der häufig auf weitere Distanzen schießt, wird wohl auch mehr Augenmerk auf eine bequeme Erreichbarkeit der Bedienelemente, insbesondere der Absehenverstellung, aber auch die Bedienung des Zoom-Einstellrings und der Parallaxenverstellung achten als der durchschnittliche Waidmann. Letztgenannter schießt sein Zielfernrohr in der Regel einmal mit seiner bevorzugten Laborierung auf die günstigste Einschussentfernung (GEE) mit 4 cm Hochschuss ein und profitiert dann davon, dass bei seinen Schussdistanzen von maximal 200 m die Trefferablage immer noch im jagdlich vertretbaren Bereich liegt.
Welche Rolle spielen die Absehenverstellung und Absehenebenen beim Long-Range-Schießen?
Deren Bedienbarkeit steht und fällt mit der Ausstattung respektive Funktion der sogenannten Ballistiktürme. Wünschenswert sind hier große und leicht, aber auch nicht zu leicht, rastende Drehelemente, bei denen man jeden Verstellklick klar hört und spürt. Noch besser ist es, wenn der Turm eine Schnellrastfunktion hat, die bei einer bestimmten Anzahl von Klicks stärker rastet. Gut ablesbare Skalen sollten hier eine Selbstverständlichkeit darstellen. Manche Höhenverstelltürme zeigen auch an, in welcher Rotationsebene sie sich befinden. Auch Türme, die sich werkzeuglos nullen lassen, dürften das Long-Range-Herz einhellig höher schlagen lassen.
Insbesondere für den Long-Range-Jäger bieten einige Optikhersteller auch sogenannte Absehen-Schnell-Verstellungen (kurz: ASV) an. Das sind spezielle Höhenverstelltürme, die sich mit einer auf die Flugbahn einer zuvor ausgewählten Laborierung ausgelegten Entfernungsskala bestücken lassen. Dank diesen soll der Schütze nur noch die Entfernung zum Ziel am Turm einstellen müssen, um das Absehen auf den für die gewählte Distanz erforderlichen Haltepunkt zu justieren.
In puncto Verstellbereich pro Klick haben sich im Long-Range-Bereich Verstellungen von ¼ Minute of Angle MOA (~ 0,7 cm auf 100 m) oder 1/8 MOA (~ 0,4 cm auf 100 m) oder 1/10 Milliradiant mrad (= 1 cm auf 100 m) etabliert. Wichtig ist hierbei, dass man bei der Wahl des Absehens auf eines zurückgreift, das auf dem gleichen Winkelmaß basiert. Dann kann man mit dem Zielfernrohr ermittelte Ablagen auch ohne großes Umrechnen an den Türmen einstellen.
Jedes Zielfernrohr verfügt mindestens über die drei Komponenten Objektiv, Umkehrsystem und Okular. Das vom Ziel einfallende Licht gelangt dabei durch das meist aus einem System von mehreren Linsen bestehende Objektiv in das Zielfernrohr. Hinter dem Objektiv erscheint ein seitenverkehrtes und auf dem Kopf stehendes Zwischenbild des Zieles. Den Bereich, an dem dieses erste Abbild entsteht, nennt man auch Objektivbildebene oder schlicht: 1. Bildebene (1. BE). Hinter dieser schließt sich das Umkehrsystem an. Wie sein Name schon sagt, sorgt dieses dafür, dass dann vor dem Okularsystem, sprich: in der Okularbildebene (2. BE), wieder ein aufrechtes und seitenrichtiges Abbild des Zieles entsteht. Bei Zielfernrohren mit variabler Vergrößerung können die Linsen des Umkehrsystems so gegeneinander verschoben werden, dass das Zwischenbild in der 2. BE unterschiedlich groß wiedergegeben wird. Bei variablen Zielfernrohren spielt es daher auch eine entscheidende Rolle, in welcher der beiden Bildebenen das Absehen eingebaut wird. Befindet sich die Zielmarke in der 1. BE, wird sie bei einem Vergrößerungswechsel in gleichem Maße mit dem Zielbild vergrößert oder verkleinert. Bringen die Konstrukteure das Absehen dagegen in der 2. BE an, wird das Zielbild beim Zoomen zwar entsprechend vergrößert oder verkleinert, aber das Absehen verändert seine Größe hier nicht.
Beide Bauweisen haben sowohl Vor- als auch Nachteile:
- Bei den sich mit verändernden Absehen in der 1. BE (englisch: First Focal Plane, kurz FFP) bleiben die Deckungsmaße immer konstant. Darunter versteht man die Bereiche des Ziels, die von den Marken des Absehens verdeckt werden. Auch die Abstände zwischen den einzelnen Elementen des Absehens bleiben aufs betrachtete Gelände übertragen stets gleich groß, egal bei welcher Vergrößerung. Daher kann man die Marken bei bekannter Zielgröße sehr gut zum Entfernungsermitteln nutzen. Allerdings sind die Marken bei sehr kleinen Vergrößerungen auch sehr fein und je nach Hintergrund schwer zu erkennen.
- Ein Absehen in der 2. BE (Second Focal Plane, SFP) bleibt dagegen beim Vergrößerungswechsel immer gleich groß. Bei starker Vergrößerung verdecken die Marken also auch mehr vom Ziel, sind dafür aber auch bei kleiner Vergrößerung gut zu erkennen. Wer in die Anleitung seines Zielfernrohrs mit Absehen in der 2. BE schaut, weiß danach auch, wie er damit genaue Entfernungen ermitteln kann. Das geht hier aber nur bei einer bestimmten Vergrößerung.
Die Auswahl an Absehen scheint mittlerweile fast genauso groß zu sein wie die an Zielfernrohren, sodass auch hier jeder Long-Range-Schütze vor der Qual der Wahl steht. Für Anfänger empfehlen sich klassische Mil-Dot oder MOA-Absehen.
Welches Budget sollten Sie für ein Long-Range-Zielfernrohr einplanen?
Für den Preis eines Long-Range-Zielfernrohrs gilt die Faustregel, dass die Zieloptik mindestens genauso viel kosten sollte, wie eine gute Einsteigerwaffe, sprich etwa 1.200,- bis 1.500,- Euro. Damit landet man automatisch schon im mittleren Preissegment. Bei den Montagen setzt sich immer mehr der aus dem taktischen Bereich kommende Picatinny-Standard (MilStd 1913) durch. Aber auch hier sollte man nicht gleich zum Billigsten greifen, was der Markt hergibt, und sollte hierfür inklusive Basis etwa 450,- bis 500,- Euro einkalkulieren.
Sie möchten weiter Informationen zum Long-Range-Schießen? Hier finden Sie eine Einführung in den Long-Range-Sport.
Einige typische Long-Range-Zielfernrohre haben wir bereits für Sie getestet: