SIG Sauer Electro Optics: Die beiden Zielfernrohre Tango 4 und Tango 6 im Praxistest

Die beiden SIG Sauer Tango Zielfernrohre sind vor allem für den taktischen Einsatz und das sportliche Long-Range-Schießen konzipiert. Als gemeinsame Konstruktionsmerkmale zeichnet sie aus: eine ausreichende Maximalvergrößerung, ein in der ersten Bildebene montiertes Absehen (wodurch die Absehenmaße bei jeder Vergrößerung gleich bleiben), eine Absehenbeleuchtung, die alle Markierungen des Absehens beleuchtet, ein Parallaxenausgleich sowie griffige Bedienelemente.

SIG Sauer Electro Optics Tango 4 
Das kleinere  SIG Sauer Tango 4 Zielfernrohr mit montierter Sonnenblende.

SIG Sauer Electro Optics Tango 4 Zielfernrohr

Dieses robuste Glas mit 30 Millimeter Mittelrohrdurchmesser der 1.000-Euro-Preisklasse hat angesichts des günstigen Preises erstaunlich viel Ausstattung zu bieten und ist aufgrund der 24fachen Maximalvergrößerung für viele sportliche Betätigungsfelder geeignet. Das "Dev-L"-Absehen liefert mit den Mrad- oder MIL-Markierungen viele Informationen. Neben den gebräuchlichen 0,5- und 1-Mrad-Strichen (= 5 und 10 Zentimeter auf 100 Meter) finden wir 0,2-Mrad-Striche in der Senkrechten Linie unterhalb des zentralen Punktes. Sollte bei einem Schuss auf Weitdistanz, beispielsweise auf 500 Metern, keine Zeit für die Betätigung des Höhenjustierturms verbleiben, dann verfügt man mit diesen Strichen, die auf dieser Entfernung 10 Zentimeter Zwischenraum ergeben, über einen exakteren Haltepunkt, als wenn man sich mit 0,5-Mrad-Strichen begnügen müsste. Uns persönlich gefiel das "Dev-L"-Absehen, weil es bei hoher Vergrößerung viele Informationen liefert ohne dabei viel Zielfläche zu verdecken. Auf der anderen Seite ist das Absehen auch bei geringer Vergrößerung noch verwendbar, weil die dickeren Balken die dünnen Linien des Zentrums tragen und das Auge ins Ziel führen. Der vom Hersteller angegebene Höhenjustiergesamtumfang ist mit 17 Mrad/170 Zentimeter für ein Long-Range-Zielfernrohr etwas dürftig, wobei wir bei unserem Testexemplar selbst 179 Zentimeter gemessen haben. Bei einer neutralen Montage befindet sich ja die Hälfte des Justierumfangs unterhalb und die andere Hälfte oberhalb des Absehen-Zentrums. Damit verfügt man in der Höhe über 85 Klicks (1 Zentimeter/100 Meter oder 0,1 Mrad), was je nach Kaliber zu knapp für Entfernungen im 1.000-Yards (914 Meter) Bereich ist. Für die Preisklasse ist das absolut ok, aber dann benötigt man eine für weitere Entfernungen zusätzlich eine Zielfernrohrmontage mit integrierter Vorneigung.

SIG Sauer Electro Optics Tango 6 Cockpit
SIG Sauer Tango 6 Cockpit: Die Türme der Höhen- und Seiteneinstellung müssen für Justierungen aus der Verriegelung gezogen werden. Der linke Turm besitzt mehrere Funktionen: Neben dem Parallaxenausgleich und der Absehen-Beleuchtung ist der Batteriedeckel mit Aufschrift "Levelplex" faktisch eine Drucktaste zur Aktivierung und Einstellung des Anti-Neigungs-Systems.

SIG Sauer Electro Optics Tango 6 Zielfernrohr

Das leistungsstarke Tango 6 mit 34 Millimeter Mittelrohrdurchmesser ist mit einer UVP von 2.819 Euro in einer anderen Preisklasse angesiedelt und muss sich hier auch gegen die namhaften Mitbewerber aus dem deutschsprachigen Raum beweisen. Das kompakte Long-Range-Glas besitzt das gleiche "Dev-L"-Absehen, darüber hinaus aber das interessante "Levelplex"-System. Das digitale "Anti-Cant"-System soll das unbeabsichtigte Verkanten verhindern. Welchen Einfluss etwaiges Verkanten auf die Treffpunktlage hat, haben wir in caliber 5/2021 erörtert. Vor allem für die wirklichen Weitschüsse ist die waagerechte Position wichtig. Das System wird ein- und ausgeschaltet, indem die Taste gedrückt wird. Diese Taste ist faktisch das Batteriegehäuse samt Deckel. Im Zielfernrohr sieht man am Rand eine der beiden Pfeile aufleuchten, wenn das Zielfernrohr nicht exakt waagerecht ausgerichtet ist. Feine Sache, denn so kann während der Zielbeobachtung zugleich die waagerechte Position beachtet werden. Bei Beobachtung einer Libelle, die an der Montage oder am Zielfernrohr montiert wurde, ist dies oftmals nicht möglich. Mittels eines Menüs, das aktiviert wird, wenn man die Taste drei Sekunden lang drückt, kann die Leuchtkraft der Pfeile und die Präzision eingestellt werden. Bei letzterem kann man auswählen, ob der Unterschied zur Waagerechten einen oder einen halben Grad beträgt. Die "Levelplex"-Funktion ist natürlich auch bei der korrekten Montage des Zielfernrohres hilfreich. Im professionellen Long-Range-Einsatz benötigt man dennoch eine Libelle oder einen Neigungsmesser (Levelbox), um die Waffe zuerst waagerecht zu positionieren! 

Höhen- und Seiteneinstellung des SIG Sauer Electro Optics Tango 6

Demontierte SIG Sauer Electro Optics Tango 6
Demontierte Tango 6 Höheneinstellung: Der Nocken, der den Anschlag des frei einstellbaren "Zero Stopps" bildet, ist auf dem Messingzylindersichtbar, der mittels Madenschräubchen auf der Höheneinstellachse befestigt wird. Der Verriegelungskörper wird mit einer Inbusschraube an der Achse befestigt.
SIG Sauer Electro Optics Tango 4 und Tango 6-Zielfernrohre von oben
Das Tango 6 wird in Japan montiert, das Tango 4 auf den Philippinen.

SIG Sauer Electro Optics verspricht für das Tango 6 einen Höhenjustierumfang von 22,3 Mrad (223 Zentimeter/100 Meter). Zur Kontrolle haben wir die Turmkappe abgenommen, die Verriegelung und den Anschlag entfernt und maximal verstellt – bei 210 Klicks war zumindest bei unserem Testzielfernrohr Schluss. Das bedeutet, dass der Langstreckenschütze dieses Zielfernrohr am besten mit Vorneigung montiert. Die Seitenverstellung bietet mit von uns gemessenen 14,0 Mrad ausreichende Justiermöglichkeiten. Korrekturen am Höhen- und Seitenturm können nur dann erfolgen, wenn man die Sperrfunktion aufgehoben hat. Manche Hersteller verzichten auf eine Sperre der Türme, weil die Deaktivierung derselben unter Zeitstress unter Umständen frustrierend sein kann. SIG Sauer hat die Sache jedoch sauber gelöst. Denn hier muss kein kleines Türmchen mit schwergängiger Sperrung, sondern ein Höhenturm mit stabiler, schwarz eloxierter Leichtmetallkappe mit einem üppigen Durchmesser von 41 Millimeter gehandhabt werden. Diese 41 Millimeter bieten übrigens ausreichend Platz für 120 Klicks innerhalb einer 360-Grad-Umdrehung. Um die Sperrung aufzuheben, schiebt man einfach den Turm hoch beziehungsweise nach rechts (Seitenturm). Ohne Federdruck einfach zirka 7 Millimeter aus der Verzahnung schieben, danach ist der Turm mit passender Reibung exakt zu verstellen. Nach der Justierung den Turm wieder einrasten – fertig. Der Vorteil? Wegen der Sperre kann man die Verstellung etwas geschmeidiger gestalten. Ohne Sperre muss schon ein schwerer Federstift eingesetzt werden, sodass sich der Turm nicht unbeabsichtigt verstellt, wenn der Schütze während Positionswechseln irgendwo anstoßen sollte.

Test: Tango 4 und 6 - Bildqualität, Leuchtabsehen und Zero Stopp  

Das Okular der SIG Sauer Electro Optics Tango 4 
Tango 4 Okular mit montiertem Schnellwechselhebel, der zum Standardzubehörgehört. Leider kann dieser nicht auf dem Tango 6 montiert werden.

Die Bildqualität des Tango 4 ist durchaus ansprechend. Unsere Prüfscheibe ist auf 100 Meter gut erkennbar, sogar das aus 0,2 Millimeter starken Linien bestehende Raster ist identifizierbar. Für unsere Bewertung nehmen wir immer die gleiche Zielscheibe und fotografieren diese durch das Zielfernrohr auf 100 Meter Entfernung. Damit können die Resultate in Ruhe beurteilt und verglichen werden. Das offenbarte, dass die Bildqualität des Tango 6 auf einer deutlich höheren Ebene steht. Hinsichtlich der Auflösung kann dieses Zielfernrohr bei dreißigfacher Vergrößerung mit den üblichen Verdächtigen der  Spitzenliga mithalten. Das integral beleuchtete "Dev-L"-Absehen des Tango 4 und 6 ist für den Reviereinsatz weniger geeignet, denn in der Dämmerung bis in die Nacht wird bekanntlich nur auf Nahdistanz geschossen, wodurch zusätzliche Markierungen nicht gebraucht werden. Außerdem möchte man so wenig wie möglich Fremdlicht, demnach ist ein nur sanft beleuchteter, kleiner Punkt die wohl beste Option. Die bewegungsgesteuerte "Motac"-Beleuchtungsschaltung des Tango 6 hat uns gut gefallen. Die Absehenbeleuchtung schaltet nach 4 Minuten (Herstellerangaben 6 Minuten) aus. Erfährt das Tango 6 jedoch die geringste Bewegung, egal in welcher Position, dann schaltet sich die Beleuchtung sofort wieder ein.

Technische Daten und Preise des SIG Sauer Tango 4 und Tango 6 

Technische Daten:

SIG Sauer-Zielfernrohre
SIG Sauer-Zielfernrohre
Modell: Tango 4Tango 6
Länge in Millimeter:397365
Gewicht:7641116
Mittelrohrdurchmesser in Millimeter:3034
Länge Okular in Millimeter:
4446
Außendurchmesser Okular in Millimeter:4246
Außendurchmesser Objektiv in Millimeter:57,565
Objektivdurchmesser:6-245-30
Transmission:
keine Angabenkeine Angaben
Sehfeld (Meter auf 100 Meter):5,3-1,46,3-1,1
Austrittspupille in Millimeter:8-2,18,9-1,9
Dioptrien-Verstellbereich:±2,5
±2,5
Augenabstand in Millimeter:
8492-89
Parallaxenausgleich:
jaja
Parallaxenfreie Einstellung (Meter):45,7 (50 Yd) - ”27,4 (30 Yd) - ”
Verstellung pro Klick:
0,1 Mrad0,1 Mrad
Verstellbereich Höhe:
17 Mrad
23,2 Mrad
Verstellbereich Breite (100 Meter):8,5 Mrad
14,5 Mrad
Absehen:
Dev-L Mrad
Dev-L Mrad
Absehenbeleuchtung:
jaja
Abschaltautomatik:
neinja
Wasserdichtkeit:
IPX 7
IPX 7
Absehen Bildebene:
11
Preis: 
1.009,- Euro
2.819,- Euro
Sicht aus dem Zielfernrohr auf Zielscheibe
Auch bei fünffacher Vergrößerung ist das Absehen des Tango 6 verwendbar. Auf 100 Metern sieht man ein feines Kreuz, wobei die wesentlichen Markierungen noch sichtbar sind. Exaktes Zielen mit den cm-Markierungen wird natürlich etwas schwieriger, dafür gibt es ein sattes Sehfeld von gut 6,3 Meter und wesentlich mehr Schärfentiefe.

Unser Test-Fazit: Wie bewähren sich die beiden Modelle SIG Sauer Electro Optics Tango 4 und 6 in der Praxis?

Insgesamt überzeugte uns die Tango-Zielfernrohrbaureihe von SIG Sauer Electro Optics. Das Tango 4 mit dem gelungenen "Dev-L"-Absehen ist für das  Long-Range-Schießen geeignet, wenn es mit Vorneigung montiert wird. Es überzeugt durch ein gutes Preis-/Leistungsverhältnis. 

Das hinsichtlich der optischen Güte sehr gute, leistungsstarke Tango 6 mit identischem Absehen besitzt mit der "Levelplex"-Funktion ein Alleinstellungsmerkmal. Bei dem Höhenjustiergesamtumfang haben andere Gläser oftmals mehr zu bieten und mit einem Preis in der 3.000-Euro-Region muss es gegen starke Mitbewerber mit noch etablierteren Markennamen antreten. 

Noch ein Gedanke zum Abschluss: Ein weiteres Plus von SIG Sauer Electro Optics ist und bleibt das Thema "Systemanbieter". Klar macht sich eine Optik von SIG Sauer besonders gut auf einer Waffe der selben Marke. Vertrieben werden alle Produkte von SIG Sauer von GSG Premium Brands. Von dort kommen nicht nur die Produkte in den Fachhandel, sondern auch der Service.


Dieser Artikel ist auch in der caliber 11-12/2021 erschienen. Das Heft ist im VS Medien-Shop auch als e-Paper verfügbar

Weitere Information über die Waffen des Herstellers bekommen Sie auf der Seite von SIG Sauer

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