Doch fangen wie erstmal ganz von Anfang an an. Horst und ich laden unsere Munition für das dynamische IPSC Schießen bereits seit über 6 Jahren selber. Mittlerweile können wir auf keinem Wettkampf mehr ohne unsere eigene Munition starten.
Zunächst sei jedoch gesagt, dass es zwei Hauptgründe gibt, warum man Munition selber baut und dazu alte oder neue Hülsen mit neuem Zündhütchen, Pulver und Geschoss ausstattet. Entweder tut man dies aus finanziellen oder qualitativen Gründen. Die Komponenten, insbesondere bei Pistolenmunition, sind in der Regel günstiger als Fabrikmunition. Und beim Wiederladen kann man Patronen bauen, die exakt auf die eigenen Ansprüche und die Ansprüche der Waffe angepasst sind. So kann man – beispielsweise deutlich präzisere Büchsenmunition – bauen oder, in unserem Fall, Munition mit der wir bei einem IPSC-Wettkampf starten können.
Allerdings muss man hier wieder unterscheiden, dass es beim Wiederladen von hoch präziser Long Range-Gewehrmunition wirklich um Qualität geht. Jeder Schritt wird einzeln per Hand durchgeführt und unzählige Male auf die kleinsten Abweichungen kontrolliert.
Wir hingegen laden auf Quantität. Bei uns stehen zwei voll automatische Dillon Wiederladepressen, die auf Knopfdruck zwischen 800 bis 1.200 Patronen in der Stunde produzieren. Das da auch mal fehlerhafte Patronen dabei sind liegt auf der Hand.
Also, warum tun wir es dann? Warum laden wir wieder, wenn es nicht auf die Präzision ankommt?
Zwei Gründe:
- Der vorgeschriebene MAJOR Powerfaktor
- Die reibungslose Funktion in unseren überarbeiteten und hochgetunten OPEN Race Pistolen
Exkurs IPSC: Was heißt jetzt schon wieder MAJOR und OPEN?
Nun jetzt kommen wir in die Wissenschaft des IPSC-Sportes 😉: In der dynamischen Disziplin IPSC gibt es 6 verschiedene Divisions , in die die Waffen, mit denen gestartet werden, eingeteilt werden.
PRODUCTION – das sind ehemalige Dienstpistolen, Service Pistolen wie die GLOCK oder Sportpistolen, die von Spezialeinheiten geführt werden und auf der Production Liste stehen, wie die CZ Shadow 2. Hier gibt es nur eine MINOR Wertung mit 9 mm.
STANDARD – hier darf etwas getunt werden, was in der Production verboten ist. Allerdings darf man keine Rotpunktvisierungen oder Kompensatoren verwenden. Es gibt eine MINOR und MAJOR Wertung.
In der MINOR muss 9 mm geschossen werden und es muss mindestens ein Powerfaktor von 125 erreicht werden. Der Powerfaktor ergibt sich aus der Mündungsgeschwindigkeit und dem Geschossgewicht.
In der MAJOR Wertung wird in der Regel mit .40 S&W geschossen und es muss ein Powerfaktor von mindestens 170 erreicht werden.
Startet man in der MAJOR Wertung bekommt man mehr Punkte für Randtreffer, was nicht nur sehr angenehm ist, sondern oftmals auch über Sieg und Niederlage entscheiden kann.
In der PRODUCTION und STANDRAD Division, aber auch in den anderen Divisions wie in der CLASSIC (1911er mit 10 Schuss Magazin), REVOLVER oder PRODUCTION OPTICS (Production Pistolen mit einem Rotpunkt-Visier auf dem Schlitten) wird in der Regel schwächere Munition wiedergeladen, welche angenehmer zu schießen ist und gerade so den vorgeschriebenen Power Faktor erreicht.
Wiederladen von Patronen und der Power Faktor in der IPSC OPEN Division
In der OPEN Division sieht dies aber wieder ganz anders aus. In dieser Division wird lediglich die Länge der Magazine begrenzt, sonst ist fast alles erlaubt. Diese Waffen haben daher ein Rotpunktvisier und unter anderem einen Kompensator, in unserem Fall sogar noch Port Holes – also Löcher im Lauf. Der Kompensator funktioniert im Grunde wie eine Mündungsbremse, nur nach oben. Die Gase, welche aus dem Lauf ausströmen werden nach Oben umgelenkt. Dadurch wird der Hochschlag der Waffe drastisch verringert. Die Pistolen "stehen" im Schuss, das heißt, sie haben kaum noch Hochschlag. Dadurch kann der Schütze schneller einen präzisen zweiten Schuss schießen, da die Waffe ihr Ziel nie verlässt.
Damit dies jedoch funktioniert braucht der Kompensator Gasdruck. Viel Gasdruck.
Um in der OPEN Division in MAJOR gewertet zu werden, benötigt man einen Powerfaktor von Mindestens 160. Die meisten Open-Schützen, und so auch wir, schießen aber eine viel höheren Powerfaktor. Denn hier wird geladen, bis die Pistole "steht". Der Kompensator also genug Gasdruck hat um den Hochschlag auszugleichen und somit mit maximaler Geschwindigkeit schießen zu können.
Schießen Horst oder ich also im Training mit Fabrikmunition "flattert" die Pistole, heißt sie steht nicht, sondern hat merklich Hochschlag und wir müssen langsamer schießen.
Doch es gibt noch einen anderen Grund, warum wir Wiederladen, und das ist die Funktion:
Ein Formel 1-Auto läuft auch nicht mit normalem Benzin, und so auch nicht unsere Race-Pistolen. Wir schießen das Kaliber .38 SA. Dieses Kaliber ist im Grunde einen lange 9 mm, 9x23 um genau zu sein. In diesem Kaliber gibt es einen Unterschied zwischen Super Auto und Super Comb. Wie auch die 9 mm Luger-Patrone hat die Super Comp keinen Rand, welcher über die Hülse hinaussteht, sondern eine Rille. Die Super Auto Patrone hat einen Rand, welcher vom Auszieher leichter ausgezogen wird und somit die Pistole weniger Ausziehstörungen hat. Allerdings birgt dieser Rand die Gefahr, dass sich die Patronen im Magazin zu verklemmen.
Daher schießen wir im Training mit GECO .38 Super Auto Patronen, können mit diesen jedoch keinen Wettkampf schießen, da sie einen zu geringen Power Faktor haben, die Pistolen nicht stehen und es immer wieder zu Zuführstörungen kommt, da sich die Patronen im Magazin "füßeln" , also verklemmen.
Jetzt wissen wir also, warum wir Wiederladen müssen und ab wann es für dich sinnvoll sein könnte.
In die Praxis: So laden Samantha und Horst ihre Patronen für die IPSC OPEN Division
Beim Wiederladen werden entweder neue Hülsen verwendet oder bereits abgeschossene Hülsen entzündert, also das abgeschossene Zündhütchen entfernt, die Hülse rekalibriert, also wieder in die ursprüngliche Form gebracht, da sich jede Hülse beim Abfeuern leicht verformt, und anschließend ein neues Zündhütchen einsetzt. Dies passiert entweder auf einer Einstationen-Presse, wie beim Wiederladen von Gewehrmunition. Oder auf Mehrstationen-Pressen die entweder händisch oder durch einen Motor angetrieben werde. In unserem Fall schießen mein Verlobter und ich glücklicherweise beide in der OPEN Division, beide mit identischen ATLAS GUNWORKS Pistolen und beide mit .38 Super Comp.
Während Horst also die Wiederladepresse bedient, prüfe ich die Wettkampfmunition. Zum Wiederladen nutzen wir eine 8-Stationen-Presse von Dillon mit einem Mark7-Motor. Die Hülsen werden automatisch zugeführt und auf die Shell Plate gesetzt. Diese Dreht sich wodurch die Hülse bei jedem Zyklus eine Station weiter wandert. Bei der ersten Station wird die Hülse entzündert, das alte Zündhütchen also ausgestoßen. Anschließend rekalibriert die Maschine die Hülse, bringt sie also wieder in Form. Dann wird ein neues Zündhütchen eingesetzt, Pulver eingefüllt und der Hülsenmund leicht geweitet, sodass das Geschoss im nächsten Schritt aufgesetzt werden kann. Danach wird das Geschoss gekrimpt, heißt der Hülsenmund wird wieder an das Geschoss angepresst. Und fertig ist eine neue Patrone. Dies ist der grobe Ablauf, abhängig davon wie viele Stationen die Presse besitzt und welches Kaliber geladen wird werden Schritte zusammengefasst oder einzeln wiederholt. Ob Hülsen vorher gewaschen werden müssen oder nicht hängt meist von den Toleranzen der Pistole und den Vorlieben des Wiederladers ab.
Meine Empfehlung für jeden, der anfangen möchte Wederzuladen, ist sich jemanden zu suchen, der einen grundlegend einführt. Man sollte sich vorab im klaren sein, aus welchen Gründen man Wiederladen möchte: Aus finanziellen Gründen, wegen der Qualität oder der Funktion. Und man sollte wissen, es ist laut, schmutzig, und zeitaufwendig. Mal eben im Wohnzimmer neben dem Fernsehen funktioniert das nicht. Man benötigt eine eigene, den Sicherheitsvorschriften entsprechende Kammer und zudem Geduld und technisches Verständnis, wie die eigene Waffe und Munition funktioniert.
Zudem noch ein paar Sicherheitswarnungen zum Wiederladen:
Dass beim Hantieren mit Munition und Pulver Vorsicht geboten ist, sollte jedem klar sein.
Doch sollte nicht vergessen werden, dass auch das Nitrozellulosepulver allein gefährlich werden kann. Was beispielsweise oft unterschätzt wird ist die Gefahr einer Explosion beim Staubsaugen. Denn durch das Bürstenfeuer des Elektromotors kann es zu einer Entzündung kommen. Daher gibt es eigene explosionsgeschützte Spezial-Staubsauger.
Doch auch bei den Zündhütchen ist Vorsicht geboten. Denn diese bestehen aus Initialsprengstoff und im Gegensatz zum Nitrozellulosepulver, das genau genommen nur brennt, wobei Hitze und Druck entsteht, können diese tatsächlich explodieren. Ab und zu passiert das beim Zündhütchen setzen, was dazu führt, dass alle Zündhütchen darüber in der Zündhütchen Zuführung ebenfalls mit hochgehen. Selten führt das zu ernsthaften Verletzungen, dennoch empfehle ich jedem dringend eine Schutzbrille und Gehörschutz, und seien es nur Musikkopfhörer. 😉
Anmerkung der Redaktion: Die Autorin lebt in Österreich. Hier gelten andere rechtliche Bestimmungen als in Deutschland. In Deutschland ist für das Wiederladen eine Erlaubnis nach §27 SprengG erforderlich, die einen entsprechenden Fachkundenachweis voraussetzt. Der Tipp der Autorin, die ersten Schritte mit einem erfahrenen Wiederlader zu gehen, hat – auch nach bestandener Prüfung und vorhandener Erlaubnis – dennoch volle Gültigkeit.
Und abschließend gilt natürlich: Jeder Wiederlader handelt in eigener Verantwortung! Die Komponenten gibt es von fast allen großen Munitionsmarken.