Ein Matchgeschoss "Made in Germany" macht natürlich gleich in mehrerlei Hinsicht Sinn, denn schließlich kann es nicht zuletzt immer mal zu Lieferengpässen bei Ladekomponenten aus ausländischer Produktion, gerade auch aus den USA, kommen. In der phantasievollen Wortschöpfung "Scorion" steckt der englische Begriff "Score" für "Erzielen, Treffen oder Ergebnis" und ob man mit dem jungen Projektil auch etwas treffen kann, wollten wir genauer in Erfahrung bringen. Im Rahmen unserer Untersuchungen war auch ein 300-Meter-Test geplant, der aufgrund der bescheidenen Witterungsverhältnisse aber im wahrsten Sinne des Wortes leider ins Wasser fiel. Somit müssen wir uns vorerst mit 100-Meter-Daten begnügen, wobei wir für die Erprobungen gleich 3 Repetiergewehre im Standardkaliber .308 Winchester verwendeten.
Erst messen, dann schießen: Das Scorion von RWS im Detail
Der Markt der Matchgeschosse ist hart umkämpft und wird seit vielen Jahren durch Hersteller wie Hornady, Lapua und Sierra dominiert. Hier muss man schon durch Leistung glänzen, wenn man als Neueinsteiger ein Stück vom Kuchen abhaben möchte. RWS hat bei dem neuen 168 Grains Scorion-Matchgeschoss offensichtlich auch den Versuch unternommen, die Geometrie zu optimieren. Hier sind vor allem auch der Führungsteil und das Torpedoheck entscheidende Faktoren. Im Vergleich zum populären Sierra MatchKing HPBT ist beim RWS Scorion der Führungsteil deutlich länger ausgelegt und mit dem Lapua Scenar vergleichbar, ohne dabei aber die lange Schräge des Torpedohecks zu übernehmen. Hier ist das Scorion wieder eher mit dem MatchKing vergleichbar.
Warum haben die Konstrukteure das RWS Scorion so gestaltet? Die Antwort ist recht einfach: Die meisten Schützen, die sich intensiv mit dem Wiederladen auseinandersetzen, minimieren den Freiflugweg des Geschosses so gut wie möglich. Und wer dies mit einem Geschoss von RWS macht, hat dafür Idealbedingungen, denn durch den langen Führungsteil verändert sich die Maximallänge der Patrone nicht so stark. Gleichzeitig sorgt das kurze Torpedoheck dafür, dass das Geschoss immer noch optimal in der Hülse geführt wird. Am Geschossboden kann man noch eine Vertiefung erkennen, die für eine optimierte Pulvergasableitung sorgen soll, wenn das Geschoss aus der Mündung austritt. Bei dem Wiegen von 10 aus der Schachtel gegriffenen Geschossen von Lapua, RWS und Sierra ergaben sich folgende Resultate: Die höchste Abweichung mit 0,43 Grains gab es hier bei dem Sierra Matchking Geschoss, Lapua schnitt hier mit 0,26 Grains besser ab, doch die geringste Differenz von nur 0,17 Grains offenbarte das neue RWS Scorion. Diese geringeren Toleranzen in der Fertigung des RWS Scorion erklären dann auch schnell den angemessenen Preisunterschied. Denn für 50 Geschosse möchte der deutsche Hersteller dann auch schon 30 bis 35 Euro haben. Der Wettbewerb ist etwas preisgünstiger, hier werden 100 Geschosse für etwa 42 bis 50 Euro angeboten.
Geschosstoleranzen von Sierra, RWS und Lapua im Vergleich
Wir waren mit dem neuen Matchgeschoss von RWS bereits auf dem Schießstand zum Testen
Um ein wenig die Leistungsmöglichkeiten bei einer Bandbreite an verschiedenen Gewehren abzuklopfen, zogen wir gleich mit drei Testwaffen auf den 100-Meter-Schießstand. Zudem wurden die Handlaborierungen mit dem RWS Scorion Geschoss mit 3 unterschiedlichen Pulversorten erstellt, die verschiedene Geschwindigkeitsbereiche abdecken: Vihtavuori N140 für moderatere Geschwindigkeiten, IMR Enduron 4166 für mittlere Geschwindigkeiten und Lovex D73.5 für Maximalgeschwindigkeiten, wobei hier die Übergänge natürlich fließend sind. So deckten wir einen Geschwindigkeitsbereich von rund 720 bis 810 m/s ab. Mit der Matchbüchse mit neuem HERA H7-Schaftsystem und Remington 700 Short Action-Zylinderverschluss und -lauf sowie dem jungen deutschen Bullpup-Scharfschützengewehr TTS Xceed gelangen uns jeweils 2 Topstreukreise unterhalb der 10-mm-Marke.
Der beste Streukreis lag bei 7 mm (40,0 Grains Lovex D.73.5, realisiert mit der TTS Xceed), dicht gefolgt von 8 mm (42,0 Grains Vihtavuori N140 aus der HERA H7/Rem 700) sowie zwei Mal 9 mm (42,0 Grains IMR 4166 Enduron aus HERA H7/ Rem 700 und 41,0 Grains Lovex D73.5 aus TTS Xceed). Die Savage 110 Precision SA vertrug sich nicht ganz so hervorragend mit dem deutschen RWS Scorion Geschoss, wobei Topstreukreise von 12 mm (41,0 Grains IMR 4166 Enduron) oder 13 mm (41,0 Grains Vihtavuori N140) nun auch alles andere als wirklich schlecht sind.
Alle anderen Ergebnisse unseres exklusiven Tests können Sie unserer übersichtlichen Ballistiktabelle entnehmen:
Alle Schießstand-Ergebnisse verschiedener Laborierungen mit dem RWS Scorion Matchgeschoss
HERA H7 | Savage 110 | TTS Xceed | |||||||||
Geschoss | Treibladung | OAL | v2 | Δv2 | SK | v2 | Δv2 | SK | v2 | Δv2 | SK |
168 grs. HPBT RWS .308 | 40,0 grs. Vihtavuori N140 | 72 | 719 | 15 | 20 | 723 | 12 | 18 | 720 | 14 | 16 |
168 grs. HPBT RWS .308 | 41,0 grs. Vhitavuori N140 | 72 | 737 | 6 | 16 | 744 | 6 | 13 | 746 | 10 | 14 |
168 grs. HPBT RWS .308 | 42,0 grs. Vihtavuori N140 | 72 | 756 | 8 | 8 | 765 | 3 | 19 | 765 | 9 | 11 |
168 grs. HPBT RWS .308 | 41,0 grs. IMR 4166 | 72 | 737 | 10 | 14 | 732 | 13 | 12 | 749 | 8 | 18 |
168 grs. HPBT RWS .308 | 42,0 grs. IMR 4166 | 72 | 755 | 7 | 9 | 758 | 10 | 15 | 761 | 5 | 15 |
168 grs. HPBT RWS .308 | 43,0 grs. IMR 4166 | 72 | 778 | 12 | 12 | 791 | 16 | 18 | 792 | 11 | 10 |
168 grs. HPBT RWS .308 | 39,0 grs. Lovex D73.5 | 72 | 762 | 11 | 11 | 765 | 12 | 16 | 767 | 12 | 19 |
168 grs. HPBT RWS .308 | 40,0 grs. Lovex D73.5 | 72 | 781 | 10 | 17 | 792 | 7 | 21 | 790 | 4 | 7 |
168 grs. HPBT RWS .308 | 41,0 grs. Lovex D73.5 | 72 | 806 | 9 | 19 | 800 | 8 | 28 | 808 | 7 | 9 |
Anhang: Alle Handlaborierungen in fabrikneuen RWS Hülsen mit RWS Large Rifle Zündhütchen. Testaufbau: Sitzend aufgelegt unter Verwendung eines vorderen Zweibeins und einer hinteren Sandsack-Auflage. 5 Schuss auf 100 Meter. Visierung: Sightron-Zielfernrohr auf HERA H7/Rem 700, Leupold-Zielfernrohr 8,5-25x50 auf Savage 110 Precision SA, Delta Optical-Zielfernrohr 4,5-30x56 auf TTS Xceed.). Abkürzungen: OAL in Millimeter, v2 = Geschossgeschwindigkeit in Metern pro Sekunde (2 Meter vor der Mündung gemessen, Δv2 = Differenz der Geschossgeschwindigkeit in Metern pro Sekunde, SK = Streukreis auf 100 Meter. Für die angegebenen Ladedaten wird keine Gewähr übernommen. Jeder Wiederlader handelt eigenverantwortlich!
Fazit: Das kann das neue RWS Scorion Matchgeschoss
Das neue deutsche Matchgeschoss in Gestalt des RWS 168 Grains Scorion HPBT braucht die etablierte, internationale Konkurrenz keinesfalls zu fürchten und befindet sich in allen entscheidenden Leistungsparametern mindestens auf dem gleichen Niveau. Hinsichtlich der Gewichtstoleranzen ist es den Mitbewerbern teilweise überlegen, was vom hohen Fertigungsaufwand zeugt. Von daher kann man auch den Preis als gerechtfertigt bezeichnen.
Text: Michael Fischer und Stefan Perey
Dieser Artikel erschien zuerst in der caliber, Ausgabe 11+12/2020. Das Heft kann sowohl als Print- wie auch als Digitalversion im VS Medien-Shop erworben werden.
Mehr über RWS und die verschiedenen Wiederladekomponenten, finden Sie auf den Seiten des Herstellers.