EU-Bleiverbot bei Munition: Aktueller Stand September 2020 – alles, was Sie über Bleischrot über Feuchtgebieten und die langfristigen Folgen für Jäger und Schützen wissen müssen

Wie all4shooters und all4hunters bereits berichtet haben, führte die EU in den letzten Jahren einen regelrechten Kreuzzug gegen Bleimunition. Nun beschloss der REACH-Ausschuss vor einigen Wochen den Entwurf einer Verordnung der Kommission zur Änderung von Annex XVII der REACH-Verordnung zu einem Verbot der Verwendung und des Tragens von Bleischrot in oder innerhalb von 100 Metern Entfernung von Feuchtgebieten. Dies bedeutet, dass 7 Millionen europäische Jäger nun mit (sehr) ernsthaften rechtlichen Problemen konfrontiert sind und der gesamte Jagd- und Schießsportbereich betroffen sein wird – wir haben hier über die Angelegenheit berichtet.

Portrait: FACE Generalsekretär, Dr. David Scallan.
FACE Generalsekretär Dr. David Scallan.

Momentan reagieren viele Interessengruppen und Verbände auf diese von jenen als "Verletzung der Grundrechte" bezeichneten Pläne. Unter ihnen ist die Europäische Föderation für Jagd und Naturschutz (FACE). Wir baten den Generalsekretär der FACE, Dr. David Scallan, um eine Erklärung zu diesem Thema:

Warum ist es notwendig an Gewässern auf die Verwendung von Bleischrot zu verzichten?

"Der schrittweise Verzicht auf die Verwendung von Bleischrot für die Jagd in Feuchtgebieten ist ein gut begründetes und seit langem verfolgtes Ziel im Einklang mit dem "African-Eurasian Migratory Waterbird Agreement" (AWEA, Abkommen über afrikanisch-eurasische Wasserzugvögel). Es verhindert, dass Enten und Gänse versehentlich Bleischrote aufnehmen, wenn sie auf der Suche nach kleinen Steinen sind, die ihnen bei der Verdauung ihrer Nahrung helfen. Wichtig ist dabei jedoch zu wissen, dass 23 Mitgliedsstaaten über funktionierende und verständliche Gesetze verfügen. Die Mitgliedstaaten ohne solche Gesetze sind Irland, Rumänien, Polen, Malta und Slowenien. Dabei ist jedoch anzumerken, dass es auf Malta nur sehr wenige Feuchtgebiete gibt und in Slowenien nicht viel Entenjagd betrieben wird."

Was sind nun die Hauptprobleme?

"Erstens die Definition eines Feuchtgebietes: Die Kommission schlägt vor, die vollständige Ramsar-Definition von 'Feuchtgebieten' zu verwenden, die ausgedehnte Landstriche ohne sichtbares Wasser, wie z.B. Torfgebiete, einschließt. Diese Definition macht es für Jäger und Vollzugsbeamte höchst undurchsichtig, welche Gebiete Torfgebiete sind (einschließlich vieler Trockenwaldgebiete) und wo solche Torfgebiete auf der Feldebene vorkommen. Die Definition schließt sogar vorübergehende Pfützen nach Regenfällen ein, was es Jägern unmöglich macht, zu wissen, ob sie gegen die Verordnung verstoßen oder nicht – insbesondere da sich die Definition mit den Wetterbedingungen ändert. Es wäre praktisch, verhältnismäßig und für Jäger und Vollzugsbeamte verständlicher, Feuchtgebiete als Gebiete mit sichtbarem, offenem Wasser mit einer Mindestgröße von 3 Metern zu definieren.

Zweitens das Verbot des Besitzes: Der Vorschlag sieht Pufferzonen vor, in welchen die Verwendung und das Mitführen von Bleischrot in oder innerhalb von 100 Metern Entfernung von Feuchtgebieten verboten sind. Daher wird jeder, der im Besitz von Bleischrot im Umkreis von 100 Metern um Wasser ist, als schuldig angesehen, in Feuchtgebieten mit entsprechender Munition geschossen zu haben. Wenn man bedenkt, dass die Definition von Feuchtgebieten von unvorhersehbaren Wetterbedingungen abhängt, bedeutet dies, dass Jäger sich leicht strafbar machen können. Und das alles ohne sich bewusst zu sein, dass sie ein Feuchtgebiet durchqueren. Dies ist eindeutig ein Verstoß gegen internationales und europäisches Menschenrecht, einschließlich der Menschenrechtskonvention und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union. Die vorgeschlagene Einschränkung des Besitzes sollte auf Jäger beschränkt werden, die in oder über Feuchtgebieten Schüsse mit Bleischrot aus einer Flinte abgeben".

Symbolbild: De facto Verbot des Wurfscheibenschießens.
Nicht nur Jäger, sondern der komplette (Sport-)schützensektor inklusive des Wurfscheibenschießens wird betroffen sein.

Drittens die Auswirkungen auf das internationale Wettkampfschießen: Es wäre praktisch unmöglich, dass olympische und nicht-olympische, internationale Wettbewerbe im Tontaubenschießen in irgendeinem EU-Land durchgeführt werden. Bereits ein Regenschauer würde bedeuten, dass die Verwendung von Bleischrot nicht erlaubt ist. Bei den genannten Wettbewerben handelt sich dabei immer um solche unter Verwendung von Bleischrot. Darüber hinaus wird geschätzt, dass auf über 600 Schießständen ständig eine minimale Menge an Wasser vorhanden ist. Eine Bewertung der Auswirkungen dieses Gesetzes auf das Wurfscheibenschießen wurde nicht durchgeführt.

Schließlich die Übergangszeit:
Ohne jegliche sozioökonomische Begründung schlug die Kommission eine viel kürzere Übergangszeit (24 Monate) vor als die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) in ihrer Stellungnahme, wo man von 36 Monaten ausging. Eine angemessene Übergangszeit ist jedoch erforderlich. Diese sollte mindestens die 36 Monate nach der Stellungnahme der ECHA betragen und 60 Monate für Länder, für die keine Beschränkungen gelten."

Das Gesetz ist noch im Verfahren – auf welchem Stand sind wir aktuell?

"Der Vorschlag der Kommission liegt nun beim Europäischen Parlament. Dieses hat das Recht ihn abzulehnen, weil er über die übertragenen Befugnisse hinausgeht und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht beachtet. Wird ein Einspruchsverfahren eingeleitet, wird der Vorschlag im Umweltausschuss und im Europäischen Parlament erörtert. Es ist wahrscheinlich, dass die Mitglieder des Europäischen Parlaments (MEPs) die Angelegenheit sehr ernst nehmen, da die unbeabsichtigten Folgen zu völliger Verwirrung und Rechtsunsicherheit für so viele EU-Bürger führen werden. Wir erwarten, dass viele Abgeordnete des Europäischen Parlaments fordern, das Dossier zur weiteren Bearbeitung an den REACH-Ausschuss zurück zu schicken. Es gibt einfache Lösungen, um dies praktikabel zu machen, wie in einem Video der FACE erklärt wird. Es findet sich in der deutschen Übersetzung auf dem YouTube-Kanal des Deutschen Jagdverbandes.

ESSF: "Vorschlag geht weit über die Zuständigkeit der EU hinaus"

Die gleichen Ansichten werden zudem von weiteren Organisationen und Verbänden geteilt, wie zum Beispiel dem European Shooting Sports Forum (ESSF). Dabei handelt es sich um eine informelle Plattform, auf der Vertreter internationaler Organisationen, die auf europäischer Ebene in den Bereichen Sportschießen, Jagd, Sammeln von Waffen, Handel und Industrie tätig sind, einen offenen Dialog führen. Hier liegt der Fokus insbesondere auf der Diskussion in Bezug auf die ökologischen, rechtlichen, politischen und sozioökonomischen Aspekten dieser Tätigkeiten.

Portrait: Marta Gomez vom European Shooting Sports Forum (ESSF).
Marta Gomez, European Shooting Sports Forum (ESSF).

"Nur wenige sind gegen die schrittweise Abschaffung von Bleischrot für die Jagd in Feuchtgebieten, aber der aktuelle Vorschlag schafft zu viele unlösbare Probleme, verstößt gegen grundlegende Menschenrechte und wird in der Praxis nicht funktionieren", argumentiert Marta Gomez von der EFFS.

"Dies ist das erste Mal, dass die EU die 10 Millionen Jäger und Sportschützen in Europa mit einem Gesetz direkt regulieren wird mit Regelungen, die gegen Grundsätze der Rechtssicherheit, der Unschuldsvermutung und der Verhältnismäßigkeit verstoßen. Der Vorschlag geht weit über die Zuständigkeit der EU hinaus. Sollte er verabschiedet werden, würde er große Probleme im Zusammenhang mit der Einhaltung und Rechtsdurchsetzung auf nationaler Ebene schaffen", fügt sie hinzu.


"Wir glauben, dass die MEPs eine einfache Entscheidung haben: den Vorschlag abzulehnen und ihn an den REACH-Ausschuss zurückzuverweisen", so Gomez abschließend.

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