Warum das EU-Verbot von Blei in Munition die meisten Schießstände verschwinden lassen wird − ein Desaster für Jäger, Sportschützen und die gesamte Industrie

Zunächst die wichtigsten Hintergrundinfos in Kürze: Die von der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) geforderte EU-weite Beschränkung der Verwendung von Blei in Munition wird Nachrüstungsarbeiten an Schießständen für Gewehre und Pistolen im Freien erfordern, die sich auf insgesamt 5,5 bis 6,2 Milliarden Euro belaufen und damit fast sechsmal so hoch sind wie die von der ECHA geschätzten 1,094 Milliarden Euro. Die ECHA hat offensichtlich die Kosten, die für diese Schießstände erforderlich sind, um die in ihrem Vorschlag festgelegten Ausnahmeregelungen zu erfüllen, erheblich unterschätzt. Infolgedessen werden viele Pistolen- und Gewehrschießstände schließen müssen, was Sportschützen und Jägern in der gesamten EU ernsthaft schaden wird.

Das sind die Schlussfolgerungen aus einem Artikel, der im Namen des Europäischen Schießsportforums (ESSF) auf der Euractiv-Website veröffentlicht wurde. Im Mittelpunkt stehen die Ergebnisse der ESSF-Bewertung der Auswirkungen, die die von der ECHA vorgeschlagene Beschränkung für Bleimunition auf Schießstände für Gewehre und Pistolen im Freien in der EU27 (+ Großbritannien, Norwegen und Liechtenstein) haben wird. Der Artikel wurde vom IEACS/AFEMS-Sekretariat mit der Unterstützung anderer ESSF-Mitglieder (hauptsächlich FACE und FESAC) verfasst.

Ein weiterer wichtiger Aspekt, der in dem besagten Artikel hervorgehoben wird, ist die Tatsache, dass abgesehen von Deutschland, das seit mindestens drei Jahrzehnten in Schießstände im Freien investiert, der Prozentsatz der bestehenden Schießstände in der EU27, die über ausreichende Mittel für eine Modernisierung verfügen, zwischen null und 5 % liegt. Die Folgen? Wenn die Kommission keine alternativen Lösungen für das Risikomanagement in Betracht zieht, werden die vorgeschlagenen Maßnahmen und die auferlegten Kosten zu weit verbreiteten Schließungen und eingeschränkten Möglichkeiten für den Schießsport führen, was für die europäischen Sportschützen einen weltweiten Wettbewerbsnachteil bedeutet.

Verbot von Blei in Munition: ECHA unterschätzt Umrüstungskosten für Schießstände um 4 bis 5 Milliarden Euro − ein enormer Schaden für die Sportschützen und Jäger in ganz Europa

In Europa gibt es fast 20.000 Schießstände/Schießanlagen. Und dennoch sind die Wege zu den Sportstätten oft weit. In der Grafik sieht man die Shooting Ranges nach Ländern.

"Die Europäische Chemikalienagentur fordert eine EU-weite Beschränkung der Verwendung von Blei in Munition", heißt es in dem Artikel. "Eine neue Studie hat ergeben, dass nur eine begrenzte Anzahl von Schießständen in der EU die vorgeschlagenen Ausnahmebedingungen erfüllt. Außerdem hat die Agentur die Kosten für die Nachrüstung von Schießständen, die den Bedingungen der Ausnahmeregelung entsprechen, um 4 bis 5 Milliarden Euro unterschätzt.

Sollte das vorgeschlagene Bleiverbot in der vorgeschlagenen Form umgesetzt werden, wären die meisten der 20.000 Schießstände in Europa finanziell überfordert, die Bedingungen der Ausnahmeregelung zu erfüllen: "Die ESSF-Studie, die das Ergebnis einer Umfrage in 26 EU-Mitgliedstaaten, Norwegen, Großbritannien und Liechtenstein ist, zeigt, dass nur eine begrenzte Anzahl von Schießständen die von der ECHA vorgeschlagenen Ausnahmebedingungen erfüllt. Mit Ausnahme der Schießstände in Deutschland, Luxemburg und den Niederlanden erfüllen weniger als 6 % der Schießstände in der übrigen EU die Bedingungen der vorgeschlagenen Ausnahmeregelung für die weitere Verwendung von Bleimunition, was die ernsten Bedenken der Interessengruppen gegenüber dem Vorschlag der ECHA bestätigt. Die meisten dieser Schießstände bieten Schießsportmöglichkeiten für mehrere Disziplinen und würden erhebliche kumulative Umbaukosten verursachen. So kostet allein die Installation eines Wassermanagementsystems auf einem Schießstand bis zu 100.000 Euro, während die Nachrüstung eines Gewehrschießstandes mit einem Sandkugelfang mehr als 2,7 Millionen Euro kosten kann. Abgesehen von diesen Problemen wird ein Verbot von Blei auch nachteilige Auswirkungen auf die Lieferkette und damit auf die Verfügbarkeit und Preise von Munition haben.

Wie beim Verbot der Herstellung herkömmlicher Verbrennungsmotoren ab 2035 oder dem "Pakt für umweltfreundliche Gebäude" scheint sich die EU unter dem Vorwand des Schutzes der menschlichen Gesundheit und der Umwelt auf ein weiteres ideologisches Abenteuer eingelassen zu haben, bei dem die Realität und die Folgen rücksichtslos außer Acht gelassen werden!

Die ECHA hat die Kosten der Umrüstung von Schießständen völlig unterschätzt. Wir sprechen hier mindestens von einer Fehleinschätzung um den Faktor 5. Das ist einfach nur inkompetent.

Es ist erwähnenswert, dass die REACH-Verordnung über die Verwendung von Bleimunition auf Schießständen nur für Zivilisten gilt. Das Militär und die Strafverfolgungsbehörden, die vor allem im derzeitigen Sicherheitsklima weitaus mehr Bleimunition verbrauchen, sind von der Verordnung ausgenommen. "Damit verfehlt die Verordnung nicht nur ihre erklärten Ziele, sondern diskriminiert auch zwischen den Nutzern, was weitere Bedenken aufwirft".

Die weit verbreiteten Schließungen und eingeschränkten Möglichkeiten für das Sportschießen werden auch für die europäischen Sportschützen einen globalen Wettbewerbsnachteil bedeuten: Die Vorschläge der ECHA hätten weitreichende negative Auswirkungen auf die Betreiber von zivilen Outdoor-Pistolen- und -Gewehrschießanlagen sowie auf die Millionen von Sportschützen und Jägern, die diese Anlagen frequentieren, und würden einen traditionsreichen und mit viel sozialem Engagement ausgeübten Sport gefährden, der der Gesellschaft unschätzbare Vorteile bringt.

Der Vorschlag der ECHA für Beschränkungen für bleihaltige Munition wird derzeit noch von der Europäischen Kommission geprüft. Sobald er von der EU-Kommission erörtert und gebilligt wurde, haben das Parlament und der Rat drei Monate Zeit, um den endgültigen Text zu billigen (Mitte 2025), und wenn er angenommen wird, werden alle Beschränkungen schrittweise bis 2029-2030 durchgesetzt.

Kommentar von all4shooters.com zum Stand des Bleiverbots

Reden wir über Konsequenzen − besser jetzt, als nie. Ja, es ist spät, aber nicht zu spät. Offenbar will die EU Kommission das Bleiverbot noch Ende 2024 durch die Gremien "peitschen". Wir haben vereinzelt Geschäftsführer der Munitionsindustrie sagen hören: Das Bleiverbot ist auf dem Weg und wir können es nicht aufhalten. Aber mal ehrlich: War Aufgeben jemals eine Option? Wir würden sagen: Nein! Um genau zu sein: auch FACE und ESSF waren die Organisationen, die sich am wenigsten gegen die Regulierung von Blei im Outdoor-Bereich wehrten. Die Funktionäre von FACE waren sogar für die Verbote, da sie "zum Schutz der Wildtiere beitragen". Nun haben sie offensichtlich ihre Lektion gelernt und ihre Position geändert.

Wir konnten mit einem unserer Experten sprechen, und er hat uns Folgendes bestätigt: "Ich denke, dass die Kosten für die Installation von Wassermanagementsystemen mit rund 45.000 Euro pro Schießstand immer noch unterschätzt werden. Wenn ich an die Kosten für die vorgeschriebenen Maßnahmen in einer Kläranlage denke, würde ich die Kosten sogar noch höher schätzen (natürlich abhängig von den Bedingungen auf dem jeweiligen Schießstand)".

Die Lobbyarbeit ist nach wie vor ein sehr wichtiges und wirkungsvolles Instrument, um unabsehbaren Schaden für die Passion der Schützen und Jäger und insbesondere auch die damit verbunden Branche und die dranhängenden Arbeitsplätze abzuwenden. Wo bitte sollen Jäger und Sportschützen künftig ihre Waffen und Optiken zusammen mit der Munition einschießen? Natürlich ist das Thema des Risikomanagements nicht so einfach zu verstehen, denn die Materie ist sehr komplex. Umso mehr freuen wir uns über die aktuellen Aktivitäten von AFEMS, ESSF und FACE. Wir sitzen alle im selben Boot.


Den vollständigen ESSF-Artikel finden Sie auf der Euractiv-Website.

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