Auch wenn die ECHA die nächsten Schritte wegen der Vielzahl der Einwände gegen das drohende Verbot von Bleimunition auch auf Innenschießständen zunächst bis zum Frühjahr 2022 aufgeschoben hat, kann man nicht unbedingt von einem Erkenntnisgewinn in diesem wichtigsten von mehreren EU-Gremien ausgehen – erfahrungsgemäß zählen intrinsische Gründe der zuständigen Beamten und Sachbearbeiter mehr. Bei diesen steht vermutlich der Anspruch, die EU-Bevölkerung vor möglichen Gefahren durch Blei in allen Lebensbereichen zu schützen und sich das dann als Leistung anrechnen zu lassen, deutlich über einer nüchternen Faktenanalyse. Emotionen stehen oft über und wirken oft drastischer als Tatsachen: "Wenn man nur einen Regenwurm dadurch retten kann, lohnt es sich, diese Straße für den Autoverkehr zu sperren!"
Die hier ungekürzt veröffentlichte Zuschrift von Ralf Eckardt aus Rutesheim dürfte den Ansichten vieler Sportschützen, Jäger und Legalwaffenbesitzer generell entsprechen, die von einem EU-Verbot von Bleimunition betroffen wären. Die Fettungen wurden von der Redaktion nachträglich zur Hervorhebung einzelner Aspekte gesetzt.
Hallo zusammen – hier ist er also, mein erster Leserbrief in 50 Lebensjahren. Der Grund dafür ist die Idee, zu meinen bisherigen 34 Jahren als Waffenbesitzer und Sportschütze noch einige weitere hinzuzufügen. Denn das sehe ich Stand heute nicht!
Das kommende Bleiverbot der ECHA bzw. der EU wird in letzter Konsequenz verhindern, dass ich weiter Sportschütze sein kann.
Nach dem Studium dessen, was in letzter Zeit von Schützenverbänden und ähnlichen, dem Schützenwesen zugetaner Organisationen kommuniziert wurde, komme ich zu dem Schluss, dass wohl alle denkbaren Argumente gegen ein Verbot von Blei als Geschoßmaterial schon vorgebracht sind. Auch und gerade an die Adresse der ECHA.
Dabei ist für mich beängstigend, mit welcher offensichtlichen Leichtigkeit teilweise mit dem Thema umgegangen wird, wenn von „Verunsicherung unserer Mitglieder mit ständig neuen Bedrohungsszenarien…“ (Zitat Walter Wolpert, DSB) gesprochen wird, anstatt vom Ende des Schießsportes in seiner bisherigen Form!? Ich bin kein „verunsichertes Verbandsmitglied“, sondern ich deute sachlich das wahrscheinlichste Szenario.
Geschätzte Interessensvertreter, es ist eure Aufgabe, in der Sache maximal paranoid zu sein. Diese habt ihr am Tage eurer Wahl übernommen. Maximal paranoid deshalb, weil die aktuelle Bedrohung nicht mit einer der üblichen Gängelungen durch irgendeine weitere WaffG Änderung zu vergleichen ist!!!
Der Ansatz von Herrn Brandenburger (BDMP), den er Ende September 2021 an die ECHA eingereicht hat (hier die BDMP-Stellungnahme an all4shooters.com), beschreibt unter anderem die nicht stattfindende Bleiemission bei entsprechendem Schießstand-Design, was sicher eine Tatsache ist. Nur Herr Brandenburger, was erwarten Sie von der ECHA nun für eine Reaktion? Die ECHA ist nicht dafür zuständig, sich um in der EU einheitliches Schießstand-Design zu kümmern und dafür ihre Bleiverbot-Pläne ad Acta zu legen. Sie, Herr Brandenburger, haben zwar völlig Recht, nur leider ohne Nutzen für die kommende Problematik. Allerdings ist Ihr Ansatz der Kern der einzigen Chance, die uns bleibt – dazu später mehr.
Die Frage der Sinnhaftigkeit von Einsprüchen gegen das Verbot von Blei in Munition ist von entscheidender Bedeutung
Klar gibt es den Prozess für Einsprüche gegenüber der ECHA, an dem ja so reichlich teilgenommen wurde. Nur wo ist die Systematik, der die ECHA dazu zwingt, diese Einsprüche objektiv zu beurteilen und gegebenenfalls einfließen zu lassen? Auch wenn durch diese objektive Beurteilung himmelschreiende Ungerechtigkeiten erkannt werden?
Antwort: es gibt keine solche Systematik – die ECHA darf bildlich gesprochen alles zerknüllen und unberücksichtigt lassen, ganz ohne Konsequenzen befürchten zu müssen. Dabei bleibt die Illusion von Mitspracherecht der Betroffenen aufrechterhalten und man geht zur Tagesordnung über.
Anhand dessen ist jetzt die Frage wie es weiter gehen soll, mit unseren Aktivitäten hinsichtlich Bleiverbot und was selbst gut begründete Einsprüche gegen das Bleiverbot bei der ECHA und später den Entscheidungsträgern der EU überhaupt erreichen? Wie der Europäische Gerichtshof mit gerichtlich eingelassenen Einsprüchen zu dem Thema umgeht, durfte die „Firearms United“ Organisation ja bereits erleben: der EuGH fährt sozusagen den imaginären Mittelfinger aus und lehnt den Einspruch einfach ab.
„Die Fürsten entscheiden, die Untertanen werden schon folgsam sein“. Oder wie sonst ist dieses Verhalten zu bewerten? Wer jetzt hofft, es würde schon nicht so schlimm kommen, nach all den guten Gegenargumenten, der lebt mit Verlaub ziemlich weit hinter dem Mond. Es gilt zu bedenken, das in einer Organisation wie der ECHA Menschen arbeiten, die ihren Arbeitsplatz rechtfertigen müssen, wo sie doch systembedingt keine Wertschöpfung betreiben können. In diesem Zustand findet ein Eingehen auf die oben genannten Argumente nicht oder nur sehr eingeschränkt statt. Die Einspruch Anmeldenden haben ja eh keine weitere Handhabe.
Das Ergebnis der Arbeit der ECHA trifft dann im Weiteren auf ähnlich angelegte Personen in Brüssel, die weitere Umsetzung des Bleiverbotes durchführen werden. Spätestens zu diesem Zeitpunkt gesellt sich auf jeden Fall noch ideologische Verblendung hinzu, da wir als Waffenbesitzer sowieso unerwünscht sind. Das alles ist leider die Realität und nicht etwa aus der Sparte der Verschwörungstheorien kommend, wie ich meine.
Wie seitens der EU gerne in solchen Dingen vorgegangen wird, zeigt das seit 3. Januar 2022 geltende Verbot von vielen Tattoofarben (bzw. deren Inhaltsstoffen). Hierbei spielt es auch beispielsweise keine Rolle, mit welchen legalen Giften sich der Bürger anderweitig freiwillig schädigen darf. Es wird verboten, Einsprüche zwecklos! An mir selbst sehe ich hierbei, da ich vom Tattoofarben-Verbot in keinster Weise tangiert werde, dass es mich somit auch nicht wirklich interessiert.
Und genau so geht es dem großen Rest der bundesrepublikanischen Bevölkerung mit dem kommenden Bleiverbot! Uns muss also klar sein, dass wir ein bis zwei Millionen Betroffene keinerlei Unterstützung von außen erwarten dürfen. Dafür sind einzig und alleine die Interessensvertreter von Schützen, Handel und Industrie in der Lage und zuständig.
Auch wenn wirklich gute, weil schlüssig untermauerte Begründungen gegen das Bleiverbot bei der ECHA eingereicht wurden:
Wenn wir jetzt aufhören für Blei als Geschossmaterial zu kämpfen, werden wir in naher Zukunft auf den Trümmern des sportlichen Schießens stehen!
Dass es gegebenenfalls ein paar Ausnahmen für beispielsweise olympische Disziplinen geben wird, bringt dem großen Rest der Sportschützenwelt herzlich wenig.
Es ist zu bedenken, dass die EU und deren Organisationen (wie die ECHA) leider immer versuchen, gleich zu behandeln, was nicht gleich ist. Klar ist es gibt viele EU-Mitgliedsstaaten, in denen ein Schießstand aus drei aufgeschobenen Erdhäufen besteht und fertig. In der BRD ist das eben nicht so. Wir haben eine Schießstandrichtlinie, für deren Einhaltung deutsche Standbetreiber in den letzten Dekaden Millionen ausgegeben haben und weiter ausgeben werden.
Daher werden wir nicht umhin kommen, unser nationales „Süppchen“ gegenüber der ECHA und EU zu kochen. Denn es ist nicht einzusehen, trotz tauglicher Stände unter dem schlechtesten anzunehmenden Fall in EU-Staat XY zu leiden!!
Daher fordere ich die Interessenvertretungen aller betroffen Sparten wie Schützen, Handel und Industrie dazu auf, die „Kleinstaaterei“ zu unterlassen und stattdessen mit einer Stimme zu sprechen. Da die ganzen bisher vorgebrachten Argumente sehr wahrscheinlich einfach verpuffen werden, müssen andere Seiten aufgezogen werden.
Nur eine, zugegeben extreme, Aussage wird einen “Einschlag“ erzeugen, der Gehör findet:
„In der BRD wird sportliches Schießen ausschließlich auf Schießständen betrieben, die gemäß einer Schießstandrichtlinie erstellt sind. Es wird auf diesen Schießständen kein Geschossmaterial in die Umwelt entlassen. Daher kann und wird ein Verbot von Blei als Geschossmaterial in der BRD nicht umgesetzt werden.“
Jetzt bitte nicht gleich den Kopf schütteln. Natürlich ist das der Aufruf zu vorauseilendem Ungehorsam. Aber was ist denn die Alternative zu einer derart krassen Reaktion auf das Bevorstehende? Wollen wir wieder mit gesenktem Haupt davon trotten wie nach den diversen nationalen Waffengesetz-Änderungen der Vergangenheit??? Ganz ehrlich: dann können wir uns auch vornehmen, das Blei-Verbot abzuwarten und anschließend mit 90% des bisherigen Sportschießens aufzuhören!
Nochmal: ist das Verbot erst da, ist es zu spät! Darf ich dann erneut an meine Interessensvertreter herantreten und fragen, ob sie noch gleicher Meinung sind wie einige Jahre zuvor?
Mit Schützengruß
Ralf Eckardt Rutesheim 07.01.2022
Zum Weiterlesen: Hier finden Sie alle Berichte von all4shooters.com zum Thema Bleiverbot
Die Stellungnahme des Deutschen Schützenbundes zum drohenden Bleiverbot, mit Kommentar
Die Antworten vom Bund der Militär- und Polizeischützen (BDMP) auf die drei Fragen zum Bleiverbot
Hier die Antworten der Deutschen Schießsport-Union DSU plus Kommentar
Auf die Antwort des BDS auf unsere Fragen warten wir bis heute. Leider ohne Ergebnis.