Gerade in jüngster Vergangenheit konnte SIG Sauer auch auf dem deutschen Behördenmarkt mit dem Sturmgewehr MCX Erfolge bei Ausschreibungen verbuchen. Das modulare System von SIG Sauer wurde z.B. von der Landespolizei Berlin und Schleswig-Holstein angeschafft. Wir haben darüber berichtet.
Doch die Eckernförder ziehen sich nun für Außenstehende überraschend aus dem Ausschreibungsverfahren rund um den G36-Nachfolger der Bundeswehr zurück.
In einer Pressemitteilung des Herstellers heißt es "aufgrund nicht akzeptabler Benachteiligungen im Wettbewerb." Was das im Detail bedeutet, erklären wie hier:
SIG Sauer sieht Benachteiligung im Wettbewerb um neues Bundeswehr-Sturmgewehr
Das Unternehmen aus Eckernförde sieht in weiten Teilen der Formulierungen der Bundeswehr-Ausschreibung eine grobe Benachteiligung des eigenen Hauses. Die technischen Anforderungen an das neue Sturmgewehr der Truppe seien so klar und eindeutig auf Heckler & Koch zugeschnitten, hieß es von SIG Sauer, dass es wenig Sinn mache, sich weiter zu engagieren. Das Unternehmen befürchtete, dadurch keinerlei Chancen zu haben und beendete die Teilnahme an dem Tender aus eigenen Stücken.
Auch sei die zur Verfügung stehende Zeit für die Abgabe des seriösen Angebotes eindeutig zu kurz, so SIG Sauer. In dieser Zeit kann man keine wettbewerbsfähige Musterwaffe bereitstellen, so ein Unternehmenssprecher.
SIG Sauer: fehlende Behörden-Munition für erfolgreichen Test
Eine Erprobung des neuen Sturmgewehrs mit spezieller Behörden-Munition ist ein entscheidendes Detail. Denn nur mit einem erfolgreichen Test mit der gewünschten Munition der Bundeswehr wird die Waffe zugelassen. SIG Sauer wurde offenbar bereits eineinhalb Jahren vor der Ausschreibung von der Bundeswehr versprochen, die eingesetzte Munition zu erhalten. Doch plötzlich wurde dem Unternehmen der Zugriff auf die Behörden-Munition verweigert.
Anbieter wie Heckler & Koch sind bereits Lieferanten der Bundeswehr und haben dadurch die aktuelle Bundeswehr-Munition zur Verfügung. Damit ist der konkurrierende Hersteller aus Oberndorf an mehreren Stellen der Ausschreibung von der Bundeswehr bevorzugt worden, so SIG Sauer.
Keine US-Produkte für die Ausschreibung zugelassen
Überraschend - so SIG Sauer - ist auch der pauschale Ausschluss von US-Produkten und Bietern. Denn in der Ausschreibung wurde zunächst klar definiert, dass die Sturmgewehre einer "ITAR-Freiheit" unterliegen müssen. ITAR ist ein US-Regelwerk, das den Handel mit Waffen, Rüstungs- und Verteidigungsgütern kontrollieren soll.
Im Rahmen der aktuellen Ausschreibung zum neuen Sturmgewehr greift das Ausschlusskriterium sogar bei bloßen Zulieferungen. Selbst dann, wenn die Waffe in Deutschland produziert wird. Das Ergebnis: Sämtliche Hersteller mit einem "geringfügigen US-Bezug" werden nicht zur Ausschreibung zugelassen. Von ITAR-Freiheit kann keine Rede mehr sein.
In der ersten offiziellen Ausschreibung eines Sturmgewehrs für die Spezialkräfte der Bundeswehr war von diesem "KO-Kriterium" für SIG Sauer noch keine Rede. Auch der vorgeschaltete Teilnahmewettbewerb zur Ausschreibung hatte diese Klausel noch nicht enthalten.
SIG Sauer hat nun den Eindruck gewonnen, dass in dem Verfahren der Anschein "einer größeren Auswahlentscheidung unter mehreren Anbietern" erweckt werden sollte. Doch in der letztendlichen Ausformulierung der Ausschreibungstexte wurde offenbar ein Teil der Bieter durch hinzugefügte Details (siehe oben) ausgeschlossen.
Konsequenz: SIG Sauer zieht sich jetzt aus Bundeswehr-Sturmgewehr-Ausschreibung zurück
Im Grunde wäre SIG Sauer in einer guten Position gewesen, um bei einer fairen Ausschreibung auch bei der Bundeswehr punkten zu können. Die Produkt-Anschaffungen verschiedener deutscher Behörden in letzter Zeit sprechen für sich.
SIG Sauer Geschäftsführer Franz von Stauffenberg kommentiert das wie folgt:
"Wir haben sehr moderne und wettbewerbsfähige Produkte und konnten faire Ausschreibungen in Deutschland wie auch im Ausland für uns entscheiden."
Als Lieferant für die Bundeswehr wäre SIG Sauer sicherlich interessant gewesen. Von Stauffenberg kritisiert vor allem den Ausschreibungsprozess und gibt eine klare Absage: "An einer Ausschreibung, deren Rahmenbedingungen wie auch Handling dazu so klar auf einen Wettbewerber zugeschnitten sind, werden wir uns jedoch nicht mit der Abgabe eines Angebotes beteiligen." Denn als reiner "Streichkandidat" möchte das Unternehmen seinen guten Ruf nicht aufs Spiel setzen.
Neues Sturmgewehr für die Bundeswehr - wie geht es weiter?
Nun fragen Sie sich sicher, wie es bei der Suche nach einem Nachfolger des G36 weitergehen wird? Wie wir berichteten, haben sich das Kommando Spezialkräfte (KSK) und das Kommando der Spezialkräfte der Marine (KSM) bereits für das HK 416 A7 als neues Sturmgewehr entschieden.
Im Rennen um das zukünftige Sturmgewehr für die "allgemeine Truppe" dürften nun vor allem das Rheinmetall/Steyr RS556 und das Heckler & Koch HK433 die besten Chancen haben.
Der Start der Auslieferung des neuen, standardmäßigen Dienstgewehrs der Heeressoldaten war ursprünglich für 2019 geplant. Nun soll es aber wohl erst 2020 beginnen. Wir bleiben gespannt am Ball und berichten über die weitere Entwicklung.
Weitere Informationen zu Waffen von SIG Sauer finden Sie direkt auf der Webseite des Unternehmens.