Hauptwaffensystem jeglicher Spezialkräfte bleibt der einzelne Soldat, also der Operator oder SOF Warrior, wie eine offizielle Bezeichnung bei der US-Beschaffungsorganisation lautet. Moderne Bewaffnung und Ausrüstung wiederum sollen die Kampfkraft des Spezialkräfte-Soldaten steigern, neben aller geistigen und körperlichen Leistungsfähigkeit, Ausbildung, Improvisationstalent und Kreativität.
Der ehemalige US-Special-Forces-Kämpfer und Autor Paul Howe beschreibt den Zusammenhang zwischen Bewaffnung, Ausrüstung und mentaler Kampfbereitschaft anschaulich: "Ich nutzte das Messer an meiner Koppel als zweckmäßiges Werkzeug, aber es hatte eine doppelte Funktion. Ich hatte es mental als Bestandteil meiner mehrschichtigen Angriffsfähigkeit [layered offense] programmiert. Ich führte mein Gewehr als meine Hauptwaffe. Sollte es eine Störung geben oder die Munition ausgehen, wäre ich zu meiner Pistole übergegangen. Sollte diese nicht mehr einsatzfähig sein, hätte ich versucht, eine Feindwaffe aufzunehmen und einzusetzen. Wäre keine Alternative erreichbar gewesen, hätte ich zum Messer gegriffen. Mein Messer war virtuell unzerstörbar und ich hielt es scharf. Der einzige Teil, der versagen konnte, war die Person, die damit herumfuchtelte – nämlich ich selbst. Ich hatte verinnerlicht, dass ich mein Vertrauen, meine Fähigkeiten und meine physische Kondition aufrechterhalten musste, um zu überleben."
Je nach Mission, Einsatzgebiet und Umgebung kann das Equipment durchaus unterschiedlich ausfallen. Präziser formuliert: Mit der Auswahl der Bekleidung, Bewaffnung, Ausrüstung etc. konfiguriert sich der Operator als Waffensystem. Die US-Spezialkräfte unterteilen die Dinge, die den SOF Warriors das Leben erleichtern sollen, in die folgenden drei Kategorien:
- Survival,
- Lethality,
- Mobility.
Im deutschen militärischen Sprachgebrauch heißen diese Sammelbegriffe:
- Überlebensfähigkeit,
- (Waffen-)Wirkung,
- Beweglichkeit.
Drei Schichten Ausrüstung für den Operator:
Bei Bekleidung und Ausrüstung hat sich das System der Ausrüstungsschichten oder englisch "lines of gear" etabliert.
- Erste Schicht: die direkt am Körper getragene überlebensnotwendige Ausrüstung einschließlich Waffen.
- Zweite Schicht: das zum Kämpfen nötige Equipment wie Schutz- und Trageausstattung plus eventuell Tagesrucksack.
- Dritte Schicht: der "Luxus" wie Schlafsack, Verpflegung, Ersatzklamotten, alles im großen Rucksack.
"Es ging immer darum, möglichst leicht zu bleiben", so erinnert sich Cedric Delves, im Falkland-Krieg Chef der D Squadron des 22nd SAS Regiments. "Manchmal sparten wir beim Proviant ein, aber niemals an Munition. Sie sollte uns nicht ausgehen. Ironischerweise lag die Lösung bei dem 'Bergen', dem großen Rucksack. Am Mann trugen wir unsere Kampfbeladung, mit Masse Munition und dann noch Wasser, Verpflegung, Medizin und ein paar Survival-Dinge. Alles andere wanderte in den Rucksack. Der ließ sich zur Not abwerfen oder konnte bei wahrscheinlicher Feindberührung versteckt werden." Im Wesentlichen hat sich dieses System bis heute erhalten. Allerdings sorgen neue Materialien und Technologien für immer höheren Komfort und besseren Schutz bei immer leichterem Gewicht.
Bei den Tarnmustern im SOF-Bereich herrscht das von der New Yorker Firma Crye Precision entwickelte Multicam vor. Die Bundeswehr hat eine eigene Multitarn-Variante ihres berühmten Flecktarn-Musters entwickelt. Dieses bleibt zunächst Spezialkräften vorbehalten. Da aber eine besondere Tarnung unter Umständen zu rascher Erkennbarkeit führen kann, wird überlegt, das Muster auch der "Linie" zur Verfügung zu stellen. Zahlreiche Hersteller arbeiten an weiteren Tarnmustern. Hyperstealth, Hyde Definition (PenCott) oder die deutschen Firmen Concamo und Phantom Leaf seien beispielhaft genannt. Wegen der weltweit weithin unkontrollierten Verbreitung von Nachtsichttechnologie gewinnt Tarnung vor Restlichtaufhellern oder gar Wärmebildgeräten ebenso zunehmend an Bedeutung. Fibrotex oder Ghosthood entwickeln hier Lösungen.
Wichtigster Überlebensfaktor für Special Forces: Hilf Dir selbst
Einen besonderen Aspekt bei der Überlebensfähigkeit von Spezialkräften stellt die Rettungskette dar. Da ganz vorne, womöglich noch hinter den feindlichen Linien, keine regulären Sanitätskräfte eingesetzt werden können, entwickelte man das Konzept der taktischen Verwundetenversorgung (Tactical Combat Casualty Care, TCCC). SOF-Soldaten erhalten eine Ausbildung in erweiterter Selbst- und Kameradenhilfe, um lebensrettende Maßnahmen bereits möglichst weit vorne einleiten zu können, bis es gelingt, einen verwundeten Operator zu evakuieren und an die reguläre Rettungskette zu übergeben. Die umfangreiche Ausstattung beginnt bei dem am Mann getragenen Individual First Aid Kit (IFAK) mit Tourniqets, speziellen Verbandpäckchen, Tubus zum Atemwegsmanagement und blutungsstillenden Mitteln. Weiterhin kommen Sanitätsrucksäcke für den Trupp-Sani oder Transportmittel wie die SKED-Stretcher zum Einsatz.
Anwachsende Arsenale bei der Bewaffnung der Special Forces: Gewicht als limitierender Faktor für Bewaffnung und Munition
Vielleicht noch mehr als bei der Linie gilt bei Spezialkräften der Grundsatz: Wirkung vor Deckung. Beim Waffenmix spielt wieder das Gewicht eine Rolle. Cedric Delves zu seinen Falkland-Erfahrungen: "Als Squadronschef überließ ich den Troops ihren Waffenmnix. Viele von uns bevorzugten die 5,56, weil sowohl Waffe als auch Munition leichter waren und auf die Kampfentfernung von 300 bis 400 Metern ausreichten. Das 7,62er Universal-MG Jimpy war wegen seiner Feuerkraft, Reichweite und Wirkung beliebt und es gab keinen Troop, der mit weniger als zwei davon rausging. Granaten, Pistolen, Bajonette oder Kampfmesser oblagen den persönlichen Vorzügen. Ich verzichtete auf eine Zweitwaffe oder Granaten zugunsten von Schokolade."
Natürlich stellt sich bei Spezialkräften immer die Frage nach Spezialmunition. Hier finden derzeit einige Entwicklungen statt. So soll die Mittelpatrone .300 Blackout (7,62x35 mm) in verschiedenen Länder insbesondere bei schallgedämpften Sonderwaffen eine Rolle spielen. Ansonsten bestimmt das Verhältnis aus Reichweite, Wirkung, Präzision und Gewicht weitere Vorhaben. So etwa plant das US SOCOM, Waffen und Munition im Kaliber 6,5 Creedmoor (6,5x48 mm, 6,5 CM) zu beschaffen. Ein Projekt für die maritimen Spezialkräfte läuft unter der Bezeichnung "Mid Range Gas Gun-Assault". Dabei handelt es sich um ein Sturmgewehr mit geringerem Gewicht und höherer Reichweite. Bei der Bundeswehr war beim zwischenzeitlich unterbrochenen Projekt Gewehr G26 "Scharfschützengewehr kurze Reichweite Spezialkräfte und Feldjäger" 6,5 CM als Option ebenfalls angedacht, es wurde dann aber im Kaliber 7,62 x 51 mm geordert – immerhin mit einer eigenen Präzisionsmunition. Im Oktober 2020 wurde das G26 jedoch wieder gestoppt. Als veritablen gewichtsreduzierenden Reichweitensteigerer sieht das US SOCOM das Kaliber .338 Norma Magnum (8,6x64 mm). In enger Kooperation mit SIG Sauer hat das Kommando Anfang 2020 die Betriebssicherheitszertifizierung des neuen Maschinengewehrs SIG Sauer MG338, der Munition in .338 Norma Magnum und der SIG-Sauer-Signaturreduzierer der neuesten Generation abgeschlossen.
Das SIG MG 338 soll im infanteristischen Werkzeugkasten der US-Spezialkräfte die derzeit in Nutzung befindlichen MGs ergänzen. Im Vergleich zum Universal-MG M240B – einer Version des MAG von FN Herstal in 7,62x51 mm – fällt es mit nur rund zehn Kilogramm fühlbar leichter aus. Dazu bringt es höhere Wirkung auf deutlich höhere Reichweiten ins Ziel. Mit bis zu 2.000 Metern reicht diese sogar an das Browning M2 im Kaliber .50 BMG (12,7x99 mm) heran. Dabei lässt sich das SIG MG338 von einem Schützen bedienen und wiegt nur etwa ein Viertel des Gewichts, das legendäre Fifty-Cal mitbringt. Angedacht sind künftig zwei Varianten des .338 NM-MGs: als Lightweight Machine Gun-Medium (LMG-M) mit einer Reichweite bis 2.500 Meter bei gleichem Gewicht und Abmessungen zum Standard-MG M240B sowie eine handlichere Version LMG-Assault mit einer Reichweite von 1.500 Metern gegen Personen- und technische Ziele.
Schwere Geschütze und ihr Einsatz bei Special Forces:
Auch solche Waffen befinden sich in den Spezialkräfte-Arsenalen. Und falls das nicht der Fall ist, können sie im Bedarfsfall verhältnismäßig kurzfristig kommen. Noch einmal sei Cedric Delves zitiert: "Kurz bevor wir Hereford Richtung Falklands verließen, konnten wir einige der damals hochmodernen MILAN-Panzerabwehrlenkflugkörper ergattern. Wir hatten zudem bewährte 81-mm-Mörser, später ergänzt um 60-mm-Mörser unserer Freunde von den US Special Forces. Das exotischste Ding überhaupt kam wiederum aus den USA, nämlich die Fliegerfaust Stinger." Doch bloß beschaffen reicht nicht, es braucht Ausbildung: "Wir hatten acht davon. Allerdings erzielten wir begrenzten Erfolg, da wir ungeübt damit waren."
Schultergestützte Waffen bei Special Forces:
Bei den schultergestützten Waffen bietet die Ende der 1940er Jahre entwickelte und seither erheblich weiterentwickelte 84-mm-Panzerbüchse Carl Gustaf vielseitige Feuerkraft. Die von Saab im Oktober 2014 vorgestellte neueste Generation Carl Gustaf M4 eignet sich dank Feuerleitvisier und umfangreicher Munitionspalette für nahezu alle Zielszenarien. Die CGM4 kann bis etwas über 1000 Meter gegen sogenannte halbharte Ziele wirken. Bereits das etwas längere und schwerere Vorgängermodell M3 dient den US-Streitkräften. Im Oktober 2019 gab die US-Armee bekannt, die CGM4 als M3E1 Multi-Role Anti Armor Anti Personnel Weapon System (MAAWS) einzuführen. Derzeit entwickeln Saab und Raytheon zudem die neue lenkbare Munitionssorte Guided Carl Gustaf Munition (GCGM), eine Rakete mit bis zu 2000 Meter Reichweite und lock-on before launch-Funktion. Sprich: Sie bekämpft das ihr vor dem Abschuss zugewiesene Ziel automatisch.
Natürlich befinden sich darüber hinaus größere Lenkflugkörpersysteme in den Spezialkräftearsenalen. Allerdings muss man das Ganze auch schleppen können. Mit zunehmender Größe und Gewicht stellt sich unweigerlich die Frage nach der Mobilität, also der dritten der eingangs erwähnten SOF-Fähigkeitskategorien.
Dieser Artikel stammt aus dem VISIER Special 99 – Spezialkräfte Weltweit. Das Heft können sie im VS Medien-Onlineshop kaufen.
Daraus wurden bereits 3 Teile veröffentlicht - Links zu den Artikeln über die Special Forces bei all4shooters.com s. unten:
Im ersten Teil ging es um die Aufgaben der Spezialkräfte,
im zweiten Teil um Wurzeln und Zukunft der Spezialkräfte
im dritten Teil um Organisation der Special Forces und Länderüberblick.