Report Spezialkräfte weltweit – Teil 3: Organisation 
der Special Forces und Länderüberblick

Nein, zu Lande operieren nicht nur Spezialkräfte des Heeres. Ohnedies lassen sich SOF-Verbände nur eingeschränkt den drei klassischen Teilstreitkräften Heer, Luftwaffe und Marine zuordnen, da einige Staaten ihre Spezialkräfte als eigene "Branche" führen. Dem 1987 aufgestellten US Special Operations Command (US SOCOM) unterstehen etwa die Komponenten Army Special Operations Command (USASOC), Naval Special Warfare Command (NSW), Marine Forces Special Operations Command (MARSOC) und Joint Special Operations Command (JSOC). Das JSOC als Kern der US-amerikanischen Tier-One-Spezialkräfte führt ebenfalls Verbände verschiedener Teilstreitkräfte, darunter das als Delta Force bekannte 1st SFODD (A) der Army, das jetzt als Naval Special Warfare Development Group (Devgru) firmierende ehemalige SEAL Team 6 oder die 24th Special Tactics Squadron der US Air Force.

Green Berets bei einer Übung.
Ein Vier Mann-Trupp der Green Berets übt im Trockendurchgang auf der Schießbahn einen Zugriff.

Großbritannien ging mit Aufstellung des United Kingdom Special Forces (UKSF)-Directorate einen ähnlichen Weg. Das Beispiel macht noch immer Schule. Beispielsweise folgte der NATO-Partner Polen 2007 diesem Exempel. Dessen Spezialkräfte-Kommando führt die Tier-One-Einheit Grom (mit sandfarbenem Barett), die Formoza-Kampfschwimmer, die im schlesischen Lubliniec stationierte traditionsreiche Jednostka Wojskowa Komandosów (JWK, Kommando-Spezialkräftegruppe, dunkelgrünes Barett), die 2011 aus der Spezial-Militärpolizei gebildete Zugriffseinheit Agat, den Unterstützungsverband Nil und als Hubschrauberkomponente die 7te Spezialoperationen-Schwadron. Die polnischen Militärs unterscheiden ihre Einsätze nach Taktiken.

Hierzu gibt es einen Farben-Code:

  • Grün = Einsätze im unbewohnten Gebiet wie Patrouillen, Hinterhalt, Handstreich.
  • Schwarz = Einsätze im urbanen Umfeld, aber auch Zugriffsoperationen, Geiselrettung et cetera.
  • Blau = Einsätze in, auf und an Gewässern, Küsten und im maritimen Umfeld, dabei auch Geiselrettung auf See oder Spezialaufklärung.
  • Rot = medizinische Rettungseinsätze unter Kampfbedingungen.
Ukrainische Operators bei einer Übung.
Zwei ukrainische Kommandosoldaten mit dem aus heimischer Produktion entstammenden Malyuk-Bullpup-Gewehr und ein Green Beret dringen in einen Bunker ein.
Soldat des US-amerikanischen 75th Ranger Regiment mit Maschinengewehr.
Dieser Soldat des US-amerikanischen 75th Ranger Regiment führt ein M240L-MG in 7,62 x 51 mm.

Britische Blaupause für Special Forces:

Ob das britische 22 Special Air Service Regiment diesen Farbencode anwendet, ist unbekannt. Fest steht, dass der als Blaupause moderner Spezialkräfte geltende Verband aus dem walisischen Hereford diese Fähigkeiten abbildet. Kern bilden die vier Sabre Squadrons, die Kommandokompanien. Derzeit gibt es A, B, D und G. Jede verfügt über ein eigenes Symbol: A den Skorpion, B eine Bärentatze, D einen Kris-Dolch und G den blau-rot-blau gestreiften Patch der Guards Division. Die einzelnen Sabre-Squadrons unterteilen sich in vier Züge. Der Air Troop ist spezialisiert auf Fallschirmspringen, der Boat Troop auf maritime Operationen, der Mobility Troop auf fahrzeuggestützte Einsätze und der Mountain Troop auf dem Kampf im Gebirge und unter arktischen Bedingungen. Jeder Troop soll aus etwa 16 Blades (Klingen) bestehen, so heißen die Operators im SAS-Jargon.

Die Personalstärke des 22 SAS soll sich in den letzten Jahrzehnten nur wenig verändert haben. Wohl aber verstärkten die UKSF die Unterstützungskräfte, um die Blades zu entlasten. Insbesondere das neue Special Reconnaissance Regiment und die 18 Signals sind in diesem Zusammenhang zu sehen. Ihr Aufwuchs geschah auch aufgrund zunehmend komplexerer Aufklärungs- und Kommunikationsmittel. Davon prrofitieren die Einsatzkräfte wiederum. Eigene Smartphones mit Notsignalfunktion, Bild- und Datenfunkübertragung in Echtzeit zum Hauptquartier, um potentielle Ziele minutenschnell zu identifizieren, oder auf Standby stehende luftbewegliche Unterstützungskräfte erhöhen die Schlagkraft erheblich. Nichtsdestotrotz sorgen die Rotationen zwischen Einsätzen in Afghanistan, Irak/Syrien, Afrika, Südamerika und Anti-Terror-Bereitschaft in der Heimat für eine enorme Einsatzbelastung. Die Blades nennen dies scherzhaft "Circle of Death" – Todeskreislauf. Und weitere Einsätze zeichnen sich ab, nicht zuletzt mit der Rückbesinnung auf Landes- und Bündnisverteidigung. Immerhin kann sich das 22 SAS Regiment auf zwei weitere Territorial-Verbände (21 und 23 SAS Regiment) und ein hauseigenes L-Detachment aus Reservisten abstützen.

Milizwesen Schweiz: Eidgenössische Elite – die Mischung macht‘s

Schweizer Spezialkräfte im Übungseinsatz.
Schweizer Spezialkräfte am Ausbildungszentrum Spezialoperationen führen Zugriffstaktiken im bebauten Gelände vor. Hier erfolgt die Zugangssprengung.

Gänzlich anders, nämlich als aufwuchsfähiges Milizwesen, hat die neutrale Schweiz ihre Streitkräfte organisiert. Traditionell bildeten die Grenadiere sowie die im Jahr 1969 aufgestellte Fallschirmgrenadier-Kompanie 17 (heute Fallschirmaufklärer-Kompanie 17) die eidgenössischen Eliteformationen. Angesichts der weltweiten terroristischen Bedrohungslage stellte die Schweiz ab 2004 ein als Berufsmilitär-Komponente organisiertes Armee-Aufklärungsdetachement 10 (AAD 10) auf. Diese rund 90 Mann starke Tier-One-Einheit bildet die Kernkomponente des schweizerischen Kommando Spezialkräfte (KSK), welches bis 2011 als Aufklärungs- und Grenadierformation der Armee (AGFA) firmierte. Neben dem AAD 10 gehören noch die Grenadierbataillone 20 und 30, das KSK-Stabsbataillon, die Fallschirmaufklärer-Kompanie 17, das Militärpolizei-Spezialdetachement (ebenfalls Berufsmilitär) und das Ausbildungszentrum Spezialkräfte zum Verantwortungsbereich. Von Vorteil zeigt sich die Mischung aus Berufs- und Milizsoldaten: Während erstere aus dem Stand reagieren können, erhöhen die Milizelemente die Durchhaltefähigkeit und können die Leistungsfähigkeit in den Bereichen Sonderaufklärung und direkte Aktionen steigern. Um sein Leistungsspektrum langfristig erhalten zu können, sichert das KSK Erhalt, Ausbildung und Weiterentwicklung von Präzisionsschießen, Fallschirm-Sprungdienst, Survival/Leben und Überleben im Feld, Helikoptertechnik, Zutrittssprengtechnik, amphibische Infiltrationstechnik, Personenschutz und Intervention.

 Jagdkommando Österreich: Vorwärts immer – rückwärts nimmer

Österreichische Jagdkommandosoldaten und Special Forces aus Burkina Faso beim gemeinsamen Training.
Österreichische Jagdkommandosoldaten und Spezialkräfte aus Burkina Faso bei einem Schießtag während des Manövers Flintlock 2019.

Im benachbarten und ebenfalls neutralen Österreich stellte das Bundesheer im Jahr 1962 das Jagdkommando auf. im folgenden Jahr fand erstmals ein Jagdkommando- Grundkurs statt. Idee des Gefechtes zu Beginn der heißen Phase des Kalten Krieges war es, mit Kleinkriegverbänden den Kampf im vom Feind besetzten Gebiet fortzusetzen. Diese Strategie der Raumverteidigung ging auf General Emil Spanocchi zurück ("Spanocchi-Doktrin"). Seit 1965 gehört die Fallschirmsprungausbildung zum Jagdkommando-Kurs. Ab 1969 kamen Kampfschwimmer dazu. Mitte der 1970er Jahre ergänzten Fernspähunternehmen sowie Sondereinsätze aller Art den Ausbildungsplan. 1976 zog der Verband in die heutige Garnison Wiener Neustadt um. Gemäß seines Mottos "Numquam retro – niemals zurück" entwickelte sich das Jagdkommando seither erheblich weiter. Heute besteht der Verband neben dem Stab aus zwei Task Groups, welche den Kern der Kommandokräfte bilden. Dazu kommen die Jagdkommando Lehrabteilung sowie die Jagdkommando Einsatzbasis. Letztere übernimmt vor allem die logistische Unterstützung.

Voraussetzung für den Dienst im Jagdkommando bildet der gut ein Jahr lange Jagdkommando-Grundkurs. Es schließen sich zahlreiche weitere Lehrgänge an. Zu den typischen Expertisen in den Einsatzteams gehören Sanitäts-, Fernmelde-, Waffen- und Pionier-Spezialisten. Als weitere Funktionen gibt es den für Feuerunterstützungkoordination qualifizierten SOTAC (Special Operations Terminal Attac Controller), den Scharfschützen, den Hundeführer (K9) oder den Spezialpionier (Masterbracher). Im Bereich der Unterstützungskräfte gibt es Spezialisten für Führungs-, Kampf-, Einsatz- und technische Unterstützung. Hierhinter verbergen sich Fernmelder, Mörserbediener, Logistiker oder Spezialaufklärer. Das Jagdkommando kann auf eine lange Einsatzgeschichte zurückblicken. Ihre verschiedenen Missionen führten die Soldaten aus Wiener Neustadt nach Bosnien- Herzegowina, Albanien, Kosovo, Afghanistan, ins Mittelmeer, in die Demokratische Republik Kongo, in den Tschad, nach Mali, Republik Zentralafrika, Ägypten und Libyen. Neben den klassischen SOF-Aufträgen gehört als Besonderheit der Einsatz von konsularischen Unterstützungsteams. Diese stehen bei krisenhaften Entwicklungen (zum Beispiel Arabischer Frühling 2011 und Covid-19 2020) den österreichischen Vertretungen im Ausland bei.

KSK Deutschland: Kommando in der Krise

P8A1 Combat und Böker Applegate-Dolch.
P8A1 Combat und Böker Applegate-Dolch gehören zur Bewaffnung des KSK. Das
bordeauxrote Barett ist die Kopfbedeckung aller Soldaten des KSK, das Sonderabzeichen
Kommandosoldat darunter tragen hingegen nur gebadgte Operators. Das angeblich am 1. April 2004 (!) gegründete reine Reserve-Territorial-KSK mit sandfarbenem Barett gehört zu den urbanen Legenden mit Kultstatus.

Das deutsche Kommando Spezialkräfte (KSK) gliedert sich grundsätzlich in Kommando- und Spezialunterstützungskräfte. Erstere umfassten bisher sechs Kompanien, sprich: vier Kommando-, eine Spezialkommando- und eine Spezialaufklärungs-Kompanie. Zu letzteren gehören Versorgungs-, Fernmelde-, Unterstützungs- und Sanitätskompanie.

Dazu kommen Stab, die Bereiche Ausbildung, Weiterentwicklung sowie eine Kompanie für ein Spezialkräfteführungselement Special Operations Component Command (SOCC). 1996 in Calw aufgestellt und mit Hilfe von GSG9, SAS und später Delta Force ausgebildet, steht das KSK aufgrund eines im Frühjahr 2020 eskalierten Skandals vor Umbrüchen. Im Oktober 2020 legte der Generalinspekteur der Bundeswehr den ersten Zwischenbericht zur Reform des Kommando Spezialkräfte vor. Der sorgte bereits in Teilen für Entlastung. So ließ sich das Fehlen von 62 Kilogramm Sprengstoff und weiterer Munition auf Buchungsfehler zurückführen. Ansonsten listete das Dokument den Stand der beschlossenen Maßnahmen zum Umbau des KSK auf. Eine der einschneidendsten Aktionen war bis zum 1. August 2020 bereits umgesetzt worden, nämlich die Auflösung der 2. Kommandokompanie.

Diese stand besonders im Augenmerk der Berichterstattung. Andere Maßnahmen sind langfristiger angelegt. So erfolgt die Ausgliederung großer Teile der Ausbildung an das Ausbildungszentrum Infanterie. Zudem soll es mehr Logistikpersonal und mehr politische Bildung geben, weiterhin begleiten mehr Psychologen die Anwärter beim neuen, zwei Wochen längeren Potentialfeststellungsverfahren. Ein vierstufiges Sicherheitsüberprüfungsverfahren soll dafür sorgen, dass Extremisten nicht dorthin kommen, wo sie absolut nichts zu suchen haben – und hierzu zählen Spezialkräfte natürlich. 

Die Bundesministerin der Verteidigung, Annegret Kramp-Karrenbauer (seit Juli 20219), und der Generalinspekteur, General Eberhard Zorn, zeigten sich mit den Maßnahmen zufrieden. Sie seien hart, aber gerechtfertigt gewesen. Über die weitere Umsetzung sollen weitere Zwischenberichte und der Abschlussbericht im Sommer 2021 informieren. Ministerin Kramp-Karrenbauer stellte aber bereits fest, dass die absolut überwiegende Anzahl der Soldatinnen und Soldaten des KSK auf dem Boden des Grundgesetzes stünde. Das ließ sich als gutes Signal werten. Denn eine Voraussetzung für den Einsatzerfolg von Spezialkräften bleibt das Vertrauen von Politik und Gesellschaft in ihre Kommandos. Der Befehlshaber des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr evaluiert zudem, wie andere Staaten ihre Spezialkräfte aufgestellt haben. Es bleibt zu hoffen, dass die Bundeswehr so wieder an ein teilstreitkräftegemeinsames Spezialkräftekommando denkt. Damit könnte eine wirkliche strategische Reform gelingen, die die militärische Schlagkraft der Bundeswehr stärken würde.


Dieser Artikel stammt aus dem VISIER Special 99 – Spezialkräfte Weltweit. Das Heft können sie im VS Medien-Onlineshop kaufen.

Daraus wurden bereits zwei Teile veröffentlicht: Im ersten Teil ging es um die Aufgaben der Spezialkräfte, im zweiten Teil um Wurzeln und Zukunft der Spezielkräfte.

Im nächsten Teil wird es um die Bewaffnung der Special Forces gehen.

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