Alle drei Sturmgewehrfamilien von Heckler & Koch befinden sich derzeit weltweit in Nutzung. Auf dem militärischen Heimatmarkt gibt es gerade einiges an Bewegung. So steht bei der Bundeswehr gleich ein doppelter Generationswechsel im Bereich der Sturmgewehre an. Das HK416A7 läuft gegenwärtig als "Sturmgewehr Spezialkräfte leicht" unter der Katalogisierungsbezeichnung G95k. Über die Hälfte der rund 1.750 bestellten Waffen sind bereits an die Truppe ausgeliefert.
Davon unabhängig sucht das Bundesverteidigungsministerium mit dem Projekt "System Sturmgewehr Bundeswehr" einen Nachfolger für das 1997 eingeführte G36. Dieses Vorhaben ist derzeit gestoppt – Ausgang ungewiss. Im Fokus der Diskussion stehen dabei das HK416 und die Mitbewerberwaffe MK556 aus der Suhler Waffenschmiede C. G. Haenel, beides AR-15-Derivate. Davon unabhängig gibt es bei der Familie des zweiten Kandidaten aus Oberndorf, dem HK433, Neuigkeiten zu berichten. Zwecks besserem Verständnis zuerst ein Blick aufs 433er System an sich.
Modularer Aufbau: Ausstattung des Sturmgewehres HK433
Das 2017 der Öffentlichkeit vorgestellte HK433 in 5,56x45 mm zählt zur vierten Generation der Sturmgewehre, die Heckler & Koch entwickelt hat. Von Anfang an bestimmte der Gedanke einer vielseitigen Waffenfamilie die Entwicklung: Das modular aufgebaute Sturmgewehr sollte sich durch diverse Rohre, Griffstücke sowie Schnittstellen für Optiken und Anbauteile flexibel an unterschiedliche Anforderungen und Einsatzzwecke anpassen lassen.
Lesen Sie hier unseren Praxistest der HK433.
Das Gehäuse des HK433 besteht aus einem Aluminiumstangenpressprofil, was eine wirtschaftliche Produktion ermöglicht. Am Gehäuseoberteil befindet sich auf der 12-Uhr-Position eine durchgängige STANAG-4694-Schiene. Am Handschutz sind weiterhin auf drei und neun Uhr HKey- oder optional M-LOK-Schnittstellen und auf sechs Uhr eine Mil-Std 1913-Schiene angebracht. Hierdurch kann die Waffe unterschiedliche Visiere, Laser-Licht-Module oder weitere Anbauteile aufnehmen. Technisch gesehen handelt es sich beim HK433 um einen Kurzhub-Gasdrucklader mit Drehkopfverschluss. Die Schließfeder-Konstruktion ähnelt derjenigen des G36.
Anders als bei AR-15-Architekturen mit ihren typischen Puffer-Rohren lässt sich also eine Klappschulterstütze montieren. Diese arretiert an der rechten Waffenseite. Die klappbare Schulterstütze bringt Vorteile in beengten Umgebungen oder für den fahrzeuggebundenen Einsatz. Die Schulterstütze lässt sich zudem in Länge und Höhe verstellen, so dass der Schütze das HK433 an seine Statur und seine Ausrüstung anpassen kann. Ebenso lässt sich an die Waffe unter anderem die vom G36C bekannte taktische Helmschulterstütze montieren, die das Schießen mit geschlossenem ballistischen Schutzvisier ermöglicht.
Das Gehäuseunterteil mit dem integrierten Abzugskasten ist sowohl gemäß der G36- als auch nach M4-/HK416-Bedienphilosophie verfügbar. In beiden Fällen lässt sich die Waffe beidhändig bedienen. Ebenso lässt sich das Griffstück durch die von den HK-Pistolen der Reihen P30 oder der SFP9 bekannten Adapterplatten individuell an die Schusshand anpassen. Weiterhin befindet sich im Griffstück ein kleines Staufach zum Beispiel für ein Werkzeug oder einen Boresnake-Reinigungsdocht. Das HK433 kann alle gängigen AR15-Typ-Magazine verwenden.
Derzeit stehen verschiedene Rohrlängen zur Verfügung: unter anderem 11, 14,5, 16,5 und 20 Zoll (1 Zoll = 2,54 Zentimeter). Die Rohre lassen sich auf Nutzer- oder Instandsetzerebene austauschen. Das Gewicht der Waffe schwankt je nach Lauflänge zwischen 3.250 g (11") und 3.585 g (16,5"), die Gesamtlänge zwischen 843/577 mm (11") und 976/717 mm (16"). Die Kadenz liegt bei rund 700 Schuss pro Minute.
HK433 Sturmgewehr: "Soldatensicher" in Anwendung und Wartung
Der nicht mitlaufende Durchladehebel des Gewehrs erinnert von der Handhabung an das G3. Er lässt sich werkzeuglos auf die andere Waffenseite verlegen. Zusätzlich dient er als Schließhilfe. Markierungen am Auswurffenster zeigen die für das Prüfen des Patronenlagers ("Chamber Check") günstige Position für das Zurückführen des Verschlusses an. Das alles führt dazu, dass man sich als G3-/G36- oder auch als G38-/G95k-/G27-Schütze sofort an der Waffe zurechtfindet.
Sämtliche Ladetätigkeiten lassen sich im gesicherten Zustand durchführen, Fallsicherheit gemäß NATO-Standard AC225/D14 ist gemäß Hersteller sowohl im gesicherten wie auch im ungesicherten Zustand gegeben. Ebenso zeigt sich das HK433 beim Zerlegen "soldatensicher": Die Waffe lässt sich ohne Zuhilfenahme von Werkzeug zerlegen, in Gehäuse mit Rohr, Handschutz, Schulterstütze, Schließfeder, Verschlussgruppe, Gehäuseunterteil mit Griffstück und Abzugskasten sowie Magazin. Die Haltebolzen sind unverlierbar montiert.
Modell HK437: Sturmgewehr in .300 Blackout für Spezialkräfte
Dass Heckler & Koch seine jüngste Sturmgewehrfamilie weiter ausbaut, zeigten die Oberndorfer jüngst mit ihrem Modell HK437. Dahinter verbirgt sich eine Version des HK433 im Kaliber .300 BLK alias 7,62x35 mm. Zur Erklärung: Der neue HK-Zahlenschlüssel kategorisiert die durch Heckler & Koch entwickelten und produzierten Waffen nach Generation, Waffenart und Kaliber. Die 7 steht für Sonderkaliber, unter das auch .300 BLK fällt: Das Mittelkaliber .300 BLK gilt gerade im Behörden- und Spezialkräftebereich als Alternative zu den bisher standardisierten NATO-Laborierungen 5,56x45 mm und 7,62x51 mm.
Waffen in .300 BLK erscheinen dort sinnvoll, wo bei recht kompakten Waffenabmessungen auf relativ überschaubare Distanzen relativ viel Wirkung im Ziel erreicht werden muss. Das macht sie einerseits als Mitteldistanzwaffen für Polizeikräfte interessant, aber auch als Sonderbewaffnung für Spezialkräfte. Weiterhin könnten kompakte schallgedämpfte .300-BLK-Waffen mit Unterschallmunition eine neue Generation schallgedämpfter Sonderwaffen begründen, da sie die Leistungen bisher in dieser Rolle genutzten Maschinenpistolen deutlich übertreffen.
Das HK437 verfügt grundsätzlich über das gleiche Gehäuse wie das HK433, aber die Gasabnahme findet sich etwas weiter hinten. Weiterhin hat es einen modifizierten HK433-Verschluss, einen neuen Lauf mit 9"/229 mm Länge, wobei 7"/178 mm ebenfalls möglich sind.
Dazu kommt ein neues Magazin. Dieses verfügt über entsprechende Sicherheitsfeatures, um das versehentliche Einsetzen von 5,56er-Magazinen in die Waffe zu verhindern. Ebenso hat das Werk mit Blick auf denkbare, aber unerwünschte Verwechselungen das Gehäuseunterteil etwas verändert. Dies soll eine unbeabsichtigte Montage von 433-Komponenten am 437 verhindern. Die verstellbare Gasabnahme entspricht weitgehend der vom HK416A5 respektive HK433 bekannten Komponente.
Das HK437 kann sowohl Über- als auch Unterschallmunition nutzen. Mit einem kompakten Rotex-Schalldämpfer und einem 9"-Rohr kommt es auf nahezu identische Abmessungen wie die MP5 SD (hier finden Sie unseren Test der zivilen Version der Heckler & Koch MP5). Dabei erreicht sie jedoch sowohl im Über- als auch im Unterschallbereich deutlich bessere Leistungen. Die MP5SD bremst eine Überschall-Laborierung DM41 auf 285 Meter pro Sekunde und verleiht ihr eine Mündungsenergie von 380 Joule.
Demgegenüber kommt schon eine .300-BLK-Unterschall-Laborierung mit 220 Grains Geschossgewicht aus einem kompakten Sturmgewehr mit 9"-/229-mm-Rohr auf etwa 320 Meter pro Sekunde und erreicht mit rund 742 Joule fast die doppelte Mündungsenergie. Hieraus ergeben sich bei nahezu gleichen Maßen höhere Einsatzreichweiten und bessere Wirkung im Ziel.
Ausblick 2021: Die Sturmgewehrfamilie von Heckler & Koch
Auch wenn das Beschaffungsverfahren für das neue System Sturmgewehr Bundeswehr derzeit unterbrochen ist, steht eines fest: Die strengen Anforderungskriterien der deutschen Streitkräfte haben alle drei Kandidatenwaffen erfüllt. Das dürfte sich auf dem internationalen Markt herumsprechen. Unabhängig vom weiteren Ausgang des deutschen Sturmgewehrvorhabens dürfte es also im "Mehrgenerationenhaus" Heckler & Koch lebhaft bleiben.
Stichwort: "Systemgedanke" bei Handwaffen im militärischen Bereich
Bei militärisch genutzten Handwaffen hat sich inzwischen der sogenannte Systemgedanke durchgesetzt: Zum System gehören die jeweilige Waffe selbst, dazu Munition und Magazine, Optik, Laser-Licht-Module, gegebenenfalls Schalldämpfer und weiteres Peripheriegerät wie Trageriemen, Magazintaschen und Bajonett. Im erweiterten Sinne zählt auch die Ausbildung zum System Handwaffe. Die Bundeswehr folgt diesem Ansatz durch ihre Philosophie von Basiswaffe und Ergänzungssätzen. Die Ergänzungssätze richten sich wiederum nach den sogenannten Befähigungsstufen 1 bis 4.
- Befähigungsstufe 1: alle Kräfte für Landoperationen,
- Befähigungsstufe 2: Infanterie und Unterstützungskräfte für spezialisierte Kräfte und Spezialkräfte,
- Befähigungsstufe 3: die spezialisierten Kräfte mit erweiterter Grundbefähigung für Spezialoperationen,
- Befähigungsstufe 4: die Spezialkräfte.
Text: Jan-Phillipp Weisswange und Matthias S. Recktenwald
Weitere Informationen zu den militärischen und zivilen Waffen von Heckler & Koch finden Sie auf der Webseite des Herstellers.
Dieser Artikel erschien zuerst in der VISIER, Ausgabe 02/2021. Das Heft kann über den VS Medien-Onlineshop erworben werden. Es ist außerdem in einer digitalen Version verfügbar.