Bereits seit einiger Zeit beschäftigen die „Klimakleber“ auch die Luftfahrt. Teure Sachschäden und Störungen im Flugbetrieb bereiten den Flughäfen und den Fluggesellschaften einige Sorgen. Doch jenseits der konkreten Probleme, die „Klimaschützer“ vom Vorfeld tragen und Farbe aus Flugzeugtriebwerken entfernen zu müssen, bleibt vor allem die Erkenntnis, dass sich Menschen mit bösen Absichten mit Leichtigkeit weitreichenden Zugang auf dem Flughafen verschaffen können. Wie wäre es erst, wenn es sich um körperlich fitte und für Gewalttaten trainierte bewaffnete Terroristen handeln würde? Wenn diese in größerer Zahl angreifen würden?
Terrorziel Luftfahrt: Wenn Szenarien gar nicht erst bedacht werden
Freilich, schon die Frage zu stellen bereitet ein mulmiges Gefühl, denn über derartige Szenarien wird in Deutschland nicht gern gesprochen. Doch es hat noch nie geholfen, Gefährdungen gedanklich zu verdrängen. Stattdessen wäre zu fragen, welche Möglichkeiten der Reaktion es geben kann, und das erfordert zunächst einen Blick auf die Rechte, die jedermann im Falle einer Notwehr, eines Notstandes oder eine Selbsthilfe zustehen.
Für ein Zuwarten auf das Eingreifen der Polizei kommt zunächst das Festnahmerecht in Betracht. Wird jemand auf frischer Tat betroffen (gemeint ist: angetroffen) oder verfolgt, so ist, wenn er der Flucht verdächtig ist oder seine Identität nicht sofort festgestellt werden kann, nach § 127 der deutschen Strafprozessordnung (StPO) jedermann befugt, ihn auch ohne richterliche Anordnung vorläufig festzunehmen. Aber mehr als eine vorübergehende Festnahme zur Feststellung der Identität oder Fluchtverhinderung und bis zum Eintreffen der Polizei erlaubt § 127 StPO nicht. Auch gilt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, es darf also nicht mehr körperliche Gewalt angewendet werden als unbedingt erforderlich, um die Festnahme auszuführen.
§ 127 StPO bietet deshalb eine Rechtsgrundlage, um auf bestimmte Täter und Tatsituationen zu reagieren. Gerade jene Situationen, die derzeit die Sicherheitslage prägen, gehören aber oft nicht dazu. Die „Klimademonstranten“ etwa sind nicht dafür bekannt, nach ihren Taten flüchten zu wollen, sie bleiben meist vor Ort, bis die Polizei eintrifft, die dann auch die Identitätsfeststellung vornehmen kann
Für welche Szenarien helfen Notrechte wie Notwehr und Nothilfe – auch mit Waffengewalt?
Gegen den bewaffneten Angriff von Terroristen wird mit den milden Möglichkeiten einer Festnahme zur Fluchtverhinderung oder Identitätsfeststellung auch kaum etwas auszurichten sein. Stattdessen wären Menschen, die beherzt eingreifen und den Angriff beenden wollen, auf die sonstigen allgemeinen Notrechte angewiesen. Eine besondere verfassungsrechtliche Grundlage hat die Selbstverteidigung nach dem deutschen Grundgesetz nicht, die Notwehr, der Notstand und die Selbsthilfe sind aber einfachrechtlich im deutschen Strafgesetzbuch (StGB) und im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt.
Wie immer, wenn es um Rechtsfragen geht, wird es auch bei Notwehr und Nothilfe (§ 227 BGB, § 32 StGB) und Notstand oder Selbsthilfe (§§ 228, 229 BGB, § 34 StGB) schnell kompliziert, vor allem, weil sich immer nur von den Umständen des Einzelfalls ausgehend beurteilen lässt, ob tatsächlich ein Rechtfertigungsgrund beispielsweise dafür vorliegt, dass ein Mensch verletzt oder getötet wurde.
Im Fall eines Terrorangriffs am Flughafen sind aber natürlich viele Szenarien denkbar, in denen ein Zur Wehr setzen wegen Notwehr gerechtfertigt wäre. Wenn beispielsweise Terroristen mit Schusswaffen in das Flughafengebäude eindringen und anfangen, dort Menschen zu erschießen, ist die Notwehrlage grundsätzlich gegeben. Gerechtfertigt wäre dann die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen solchen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden (so formuliert es § 32 des deutschen Strafgesetzbuches).
Ein Terrorangriff wird schnell zur Notwehrlage. Wo könnte bewaffnetes Sicherheitspersonal helfen?
Doch wer soll die Verteidigung ausführen? Ein entschlossener Terrorist mit einem Gewehr oder einer Pistole wird von Menschen, die nicht zurückschießen können, kaum abgewehrt werden können. Kommen viele Angreifer und schießen, um zu verletzen und zu töten, sind Schusswaffen zur Verteidigung erst recht unabdingbar. Auch braucht es eine ausreichende Anzahl von Verteidigungskräften, die mit ihrem Gewehr (die Pistole wird kaum erste Wahl sein) umgehen und die Angreifer kampfunfähig schießen können.
Freilich, bei dieser Schilderung denken die meisten Menschen zunächst an die Polizei und ihre Eingreiftruppen. Doch die Bundespolizei wird eine ausreichende Anzahl von Polizistinnen und Polizisten, die für die Abwehr von Terrorangriffen ausgebildet und ausgestattet sind, nicht an allen Flugplätzen und auch an den großen Flughäfen nicht in ausreichender Anzahl durchgehend während der Betriebszeiten bereithalten können. Für eine Stationierung von Terrorabwehreinheiten an allen Flugplätzen gibt es vermutlich nicht einmal ausreichend viele Bundespolizisten.
Bei einem Blick auf die tatsächliche Lage lässt sich deshalb nur feststellen: Es werden sich die Flugplatzbetreiber und die Luftfahrtunternehmen die Frage stellen wollen, ob sie in der gegenwärtigen Sicherheitslage weitergehende Vorsorge treffen und private Sicherheitskräfte beschäftigen wollen.
Damit ist nicht gesagt, dass sich Flugplatzbetreiber oder Luftfahrtunternehmen diese Frage stellen müssen oder wie die Antwort lauten müsste. Eine Verpflichtung der Flugplatzbetreiber, eine für den Zweck der Abwehr von Terrorangriffen ausreichende Anzahl privater bewaffneter Sicherheitskräfte zu beschäftigen, besteht nach § 8 des deutschen Luftsicherheitsgesetzes jedenfalls in der derzeitigen Auslegung im Regelfall grundsätzlich (noch?) nicht. Auch die Luftfahrtunternehmen müssen nach § 9 des deutschen Luftsicherheitsgesetzes nicht mit eigenem Sicherheitspersonal ausgestattet sein, das in der Lage wäre, einen Terrorangriff abzuwehren. Schließlich benennt auch die Verordnung (EU) Nr. 2015/1998 keine derartigen Pflichten.
Wie weit reichen die Pflichten des Schutzes von Passagieren für Flughäfen und Fluggesellschaften?
Allerdings gibt es Passagen in diesen Rechtsvorschriften, die sich auch anders verstehen lassen. Beispielsweise muss der Flugplatzbetreiber die Bereiche der Luftseite gegen unberechtigten Zugang sichern (§ 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 LuftSiG). Dem Wortlaut nach ist es zumindest denkbar, diese Regelung dahin zu verstehen, dass der ICAO-Zaun nebst Überwachungskamera allein nicht ausreicht, sondern stattdessen auch eine bewaffnete Eingreiftruppe vorzuhalten ist, die Eindringlinge aufhält. Andererseits finden sich aber im Luftsicherheitsgesetz und ebenso in der Verordnung (EU) Nr. 2015/1998 gerade keine Vorschrift, die ausdrücklich vorgeben würde, dass Flugplatzbetreiber oder Luftfahrtunternehmen unmittelbar eigenständig zur Abwehr von Terrorangriffen verpflichtet wären. Stattdessen sind nur die jeweils benannten Vorkehrungen zu treffen, von der Zugangskontrolle über die Trennung von unkontrollierten Passagieren von bereits kontrollierten Fluggästen bis hin zum Verschließen oder Versiegeln der Flugzeuge.
Die Aufgabe der bewaffneten Verteidigung hat der deutsche Gesetzgeber ebenso wie der Unionsverordnungsgeber, so wird wohl zu schlussfolgern sein, gezielt bei den staatlichen Stellen belassen. Doch wie wenig das staatliche Gewaltmonopol hilft, wenn bewaffnete Terroristen sich gegen unbewaffnete Zivilisten wenden, war am 7. Oktober 2023 in schrecklichen Bildern aus Israel für jedermann sichtbar und beobachtbar. Eine wirkungsvolle Verteidigung wäre nur rechtzeitig möglich gewesen, wenn vor Ort eine ausreichende Anzahl von Menschen ihrerseits mit Schusswaffen ausgestattet und zur Verteidigung in der Lage gewesen wäre.
Wenn die Luftfahrt, wie in der Vergangenheit leider schon allzu oft, auch weiterhin ein von Terrorgefahr generell besonders bedrohtes Anschlagsziel ist, dann werden sich die Flugplatzbetreiber und Luftfahrtunternehmen deshalb auch jenseits ihrer gesetzlichen Pflichten fragen, ob sie Vorsorge treffen wollen und können.
Waffenrecht und Notwehr: Rechtliche Grenzen des Einsatzes privater, bewaffneter Sicherheitskräfte zum Schutz von Flughäfen
Dabei setzt das deutsche Waffenrecht der Vorsorge für eine Verteidigung in Notwehr enge Grenzen. Ausgeschlossen ist der Einsatz privater Sicherheitskräfte für eine bewaffnete Gegenwehr jedoch nicht. Das Bewachungsgewerbe findet seine Regelung in § 34a der deutschen Gewerbeordnung und bedarf der behördlichen Erlaubnis. Zu den Aufgaben der Wachpersonen dürfen auch Kontrollgänge in Hausrechtsbereichen mit tatsächlichem öffentlichem Verkehr und Schutzaufgaben im befriedeten Besitztum gehören. Die Bewachung von Flughäfen oder auch von Bereichen am Flughafen, die einem Luftfahrtunternehmen überlassen sind, ist danach möglich.
Die Wachpersonen können, wenn dies für die Aufgabenerfüllung erforderlich ist, auch eine Erlaubnis zum Erwerb und Besitz von Schusswaffen (Waffenbesitzkarte) und sogar die Erlaubnis zum Führen einer Waffe (Waffenschein) bekommen. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht klargestellt, dass das deutsche Waffengesetz das Ziel verfolgt, „die Zahl der Waffenbesitzer sowie die Art und Zahl der in Privatbesitz befindlichen Schusswaffen auf das unbedingt notwendige und mit Rücksicht auf die Interessen der öffentlichen Sicherheit vertretbare Maß zu beschränken“ (Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 11.11.2015, ECLI:DE:BverwG:2015:111115U6C67.14.0). Dabei hat das Bundesverwaltungsgericht bekräftigt, dass deshalb ein Bewachungsunternehmer die nötige Erlaubnis nach § 28 des deutschen Waffengesetzes nur für konkrete einzelne Aufträge des Personen- oder Objektschutzes bekommen darf.
Zugleich ist aber gemäß § 28 des deutschen Waffengesetzes (WaffG) das Bedürfnis zum Erwerb, Besitz und Führen von Schusswaffen bei einem Bewachungsunternehmer anzuerkennen, muss also, wenn die übrigen Voraussetzungen einschließlich der Zuverlässigkeit und Sachkunde gegeben sind, die Erlaubnis in Gestalt der Waffenbesitzkarte und des Waffenscheins erteilt werden. Gleiches gilt für Wachdienste als Teil wirtschaftlicher Unternehmungen (§ 28 Abs. 1 S. 2 WaffG), so dass nicht eigens ein Bewachungsgewerbe eröffnet werden muss.
Jedermann-Rechte für Notwehr, Notstand, Selbsthilfe
Wenn private Sicherheitskräfte vorgehalten werden, die Schusswaffen führen und deshalb zur bewaffneten Verteidigung in der Lage sind, bleibt gleichwohl der Rückgriff auf die Notwehrrechte die einzige Rechtsgrundlage für eine Abwehr von Angriffen. Bewachungsunternehmer und Wachpersonen dürfen gegenüber Dritten nur die Rechte ausüben, die Jedermann im Falle einer Notwehr, eines Notstandes oder eine Selbsthilfe zustehen. § 34a der deutschen Gewerbeordnung schreibt dies auch ausdrücklich so vor.
Eine Ausweitung der Jedermann-Rechte im Falle einer Notwehr, eines Notstandes oder einer Selbsthilfe sind aber sicherlich auch nicht erforderlich, wenn es um die bessere Verteidigung gegen einen Terrorangriff geht. Stattdessen bedarf es (nur) einer Ausweitung der Kapazitäten, um diese Rechte überhaupt wirkungsvoll nutzen zu können. Anderenfalls wäre zu befürchten, dass niemand über die Mittel verfügt, die zur Verteidigung erforderlich wären, wenn wirklich Terroristen einen Flughafen stürmen und Menschen verletzen, töten oder in Geiselhaft nehmen. Gerade diese Lücke der fehlenden Mittel würde geschlossen, wenn am Flughafen eine ausreichende Zahl von bewaffneten Sicherheitskräften durchgehend im Einsatz wäre.
Die Autorin:
Nina Naske ist deutsche Rechtsanwältin für Unternehmen unter anderem aus den Bereichen Luftfahrt und Verteidigung, Bergbau und Energie. Die Autorin ist Jägerin und interessiert sich auch für den Schießsport.
Der Artikel ist bereits bei AIRLINERS.de erschienen. Danke an die Kollegen für die Erlaubnis zur Veröffentlichung bei all4shooters.com
Was sagt all4shooters.com zu bewaffnetem Sicherheitspersonal in der Luftfahrt?
Solche Vorkehrungen für die Abwehr von Terrorangriffen am Flughafen sind im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen möglich. Bewaffnete Wachpersonen können eingesetzt werden. Für Flugplatzbetreiber und für Luftfahrtunternehmen ist deshalb zumindest der Schutz vor Ort am Flughafen umsetzbar. Schwierig bleibt für Luftfahrtunternehmen die Frage, ob Waffenträger an Bord des Luftfahrzeugs mitfliegen dürfen. Innerhalb des deutschen Luftraums wäre das zumindest dann möglich, wenn ein Passagier aufgrund erhöhten Schutzbedürfnisses die Erlaubnis hat, eine Waffe mit sich zu führen, oder von Wachpersonen begleitet wird. Denkbar wäre auch, ein Luftfahrzeug generell als besonders gefährdetes Objekt einzuordnen, so dass ein waffenrechtliches Bedürfnis zum Schutz des Luftfahrzeugs bestehen könnte. Sobald der deutsche Luftraum verlassen wird, bedarf es der ergänzenden Prüfung, ob Staaten, die überflogen oder angeflogen werden, das Mitführen von Waffen an Bord erlauben oder verbieten.