Wieder einmal war die bildschöne, geschichtsträchtige Stadt an der Seine der Austragungsort der Sicherheitsfachmesse MILIPOL, die dieses Jahr mit 1.005 Ausstellern aus 53 Nationen und 29.939 Besuchern aus 151 Ländern aufwarten konnte. Weitere beeindruckende, statistische Zahlen: 27 Fachkonferenzen mit 47 Sprechern und 1.058 Zuhörern, 161 offizielle Delegationen aus 77 Ländern sowie 331 Journalisten aus 27 Ländern.
Eröffnet wurde die Veranstaltung im Paris-Nord Villepinte Exhibition Centre standesgemäß vom französischen Innenminister Christophe Castaner und dem Staatssekretär des Innenministers Laurent Nunez. Wir werfen einen Blick auf die Highlights:
Das NSGW-Projekt der U.S. Army auf der MILIPOL 2019:
Auf der MILIPOL 2019 präsentierte General Dynamics Ordnance and Tactical Systems (GD OTS) auf dem Messestand von Beretta Defense Technologies (BDT) das noch im Prototypen-Stadium befindliche Sturmgewehr und Leichte Maschinengewehr RM277 im Kaliber 6,8 mm (.277") für das zukunftsorientierte "Next Generation Squad Weapon" (NGSW)-Projekt der U.S. Army. Es geht darum, die M4A1-Karabiner und Leichten Maschinengewehre M249 in 5,56x45 schon schrittweise ab 2023 durch leistungsstärkere Waffensysteme zu ersetzen. An der Ausschreibung sind General Dynamics Ordnance and Tactical Systems, AAI Corporation Textron Systems sowie SIG Sauer beteiligt. Das Mittelkaliber 6,8 mm mit einem "General Purpose Projectile"-Mehrzweckgeschoss liegt ballistisch zwischen 5,56x45 mm und 7,62x51 mm, soll aber wenig Gemeinsamkeiten mit der schon bekannten 6,8 SPC (Special Purpose Cartridge) von Remington aus dem Jahr 2002 aufweisen, wobei dennoch das Geschossgewicht ebenfalls zwischen 85 bis 120 Grains liegen dürfte.
Alle 3 Hersteller sollen jeweils 43 Leichte Maschinengewehre und 53 Sturmgewehre für die Erprobungen liefern, wobei True Velocity als Munitionslieferant 845.000 Patronen beisteuern soll. GD OTS kooperiert mit dem Schalldämpferproduzenten Delta P Design und dem Munitionshersteller True Velocity eng zusammen. Die beiden in Aufbau und Bedienung identischen Waffensysteme in Bullpup-Bauweise basieren auf einem interessanten Funktionsprinzip eines luftgekühlten, kombinierten Gas- und Rückstoßladers mit Rückstoßmittelung. Hierbei kommt das bereits vor 9 Jahren patentierte "Short Recoil Impulse Averaging"-System zum Einsatz, das GD OTS auch schon beim "Lightweight Medium Machine Gun" (LMMG)-Maschinengewehr anwendete. Durch die Rückstoßmittelung mit kurzem Rücklauf soll das RM277 in beiden Ausführungen wie das sprichwörtliche Brett auch im vollautomatischen Dauerfeuer liegen und kaum aus dem Ziel wandern, was präzise Trefferplatzierung auf größeren Distanzen verspricht.
Assoziationen an legendäre Militärwaffen wie das deutsche Fallschirmjägergewehr FG 42 in 7,92x51 aus dem Jahre 1941 oder das US-amerikanische Stoner 63 in 5,56x45 von 1963 weckt die RM277-Familie durch die Tatsache, dass Einzelfeuer im aufschießenden und Dauerfeuer im zuschießenden Modus geschieht. Dem Vernehmen nach wurden die RM277-Waffen bereits auf dem AUSA (Association of the United States Army)-Symposium in Washington, DC, Mitte Oktober 2019 präsentiert. Komplett wird das System aber erst durch die spezielle 6,8 mm-Munition mit Polymerhülse von True Velocity. Auch SIG Sauer offeriert ja neben GD OTS mit dem LMMG ein eigenes SLMAG-Maschinengewehr im weittragenden Kaliber .338 Norma Magnum, das ebenfalls mit Munition mit Kunststoffhülsen versorgt werden kann. Bisher hieß es immer, dass Munition mit Polymerhülsen in heißgeschossenen Patronenlagern kleben bleibt und somit nicht funktionssicher ist. Diese Problematiken scheinen aber der Vergangenheit anzugehören. Der große Vorteil von Munition mit Polymer- anstatt Messinghülsen liegt im nahezu halbierten Gewicht und somit der deutlich verbesserten Transportlogistik in Militärverbänden.
NGSW-Waffen von SIG Sauer auf der MILIPOL 2019:
Natürlich zeigte auch SIG Sauer seine Beiträge zum "Next Generation Squad Weapon" (NGSW)-Programm. So konnten wir erstmals das Sturmgewehr/Selbstladegewehr MCX Spear im Kaliber 6,8x51 mm mit seitlichem Ladehebel, 16"-Lauf, verstellbarer Gasentnahmeeinheit und klappbarer Schulterstütze bewundern. Aufgrund der Modulbauweise ist ein Kaliberwechsel auf 7,62x51 mm schnell bewerkstelligt. Eine Besonderheit bei den typischen AR-Bedienelementen: der Verschlussfanghebel sitzt als kleine Drucktaste direkt oberhalb des Abzugs auf der rechten Griffstückseite. Es versteht sich von selbst, dass ein neukonstruierter Schalldämpfer MIL-SLX68-QD zum Komplettpaket dazugehört. Darüber hinaus stellte der Gigant von der Ostküste auch das Leichte Maschinengewehr (LMG) im 6,8er-Kaliber aus. Dieses modulare LMG lässt im Handumdrehen auch eine Kaliberkonvertierung auf das Standardkaliber 7,62x51 mm zu. Es entspricht in der Technik dem schon etwas länger bekannten SIG Sauer SLMAG im Hammerkaliber .338 Norma Magnum, wobei es durch die geschrumpften Dimensionen aber mit einem M249 (alias FN MINIMI) in 5,56x45 vergleichbar ist. Gezeigt wurde aber auch das imposante SLMAG. Dieses im ungeladenen Zustand 9,1 kg schwere LMG im Long-Range-Kaliber .338 Norma Magnum mit einer Feuerkadenz von 600 Schuss pro Minute und Einsatzentfernungen von bis zu 2.000 m wurde bereits auf dem AUSA-Symposium in Washington, DC, Anfang Oktober 2018 präsentiert. Leider konnte man noch nichts Genaues über das Verschlusssystem erfahren, doch beim SIG Sauer SLMAG handelt es sich wohl um einen Gasdrucklader mit einem Rückstoßreduziersystem. Das leicht zu transportierende SIG Sauer SLMAG schließt effektiv die Lücke zwischen den Truppenunterstützungswaffen und schweren Maschinengewehren in .50 BMG. Es ist der Lage, ein leicht gepanzertes Fahrzeug oder eine Körperpanzerung des Level III auf über 1.000 m Entfernung zu durchdringen. SIG Sauer zeigte in Verbindung mit all diesen neuen Waffen auch die hauseigene Hybrid-Munition mit stählernem Hülsenboden und Messinghülsenkörper.
Aimpoint CompM5b mit ballistischer Schnellverstellung
Der schwedische Leuchtpunktvisier-Pionier stellte auf der MILIPOL 2019 sein erstes Modell mit ballistischer Schnellverstellung vor. Bei dem Aimpoint CompM5b kann die Absehenposition schnell justiert werden, um die Geschossflugbahn abhängig von der Zieldistanz auszugleichen (Bullet Drop Compensation; Geschossfallkompensation). Im Lieferumfang des Leuchtpunktvisiers mit Seitenjustiermechanik für Wind- oder Vorhaltekompensation sind austauschbare Türme vorhanden, die für verschiedene Kaliber auf verschiedenen Entfernungen angepasst sind.
Das CompM5b ermöglicht den raschen Wechsel von Munitionstypen und Distanzen, ohne den ballistischen Fall des Geschosses ausgleichen oder das Visier neu einschießen zu müssen.
Das Absehen wird beim Justieren der Messtürme automatisch im Visier verstellt. Das AIMPOINT CompM5b ist bis zu 45 Meter wasserdicht und ist mit allen Generationen von Nachtsichtgeräten sowie den Vergrößerungsvorsätzen des Herstellers kompatibel.