Mit den Webley-Revolvern verhält es sich wie mit Dornröschen: Beide warten darauf, dass sie jemand wachküsst – was der Prinz für das schlafende Fräulein, das wären für die Webleys die Sammler. Immerhin rekrutierten sich aus der Familie dieser großkalibrigen Kipplaufrevolver von Webley fast sechs Jahrzehnte lang die Dienstwaffen der britischen Armee. Sie setzten Maßstäbe in Sachen Zuverlässigkeit und Nachladen. Die ersten Speedloader, zum Beispiel von William de Courcy Prideaux, wurden für diese Revolver gebaut. Dem Argument des 265 Grains schweren Geschosses konnte sich niemand verschließen. Schließlich mussten diese Waffen, wie auch ihr bereits 1932 eingeführter Nachfolger, der Enfield No. 2 MKI, der unter der Bezeichnung L9A1 eingeführten Selbstladepistole FN High Power weichen.
Aber jetzt nimmt die Geschichte des Ordonnanzwaffen-Klassikers wieder eine Wende: Webley & Scott aus Birmingham bietet eine neue Variante an, eine, die man frei ab 18 Jahren kaufen kann. Es geht um den Webley MK VI in CO2-Ausführung. Zu haben ist diese Variante mit zwölffach gezogenem Lauf für 4,5er Diabolos und mit glattem Lauf zum Verschießen der als BB bekannten Rundkugeln, einmal solchen in 4,5 mm aus Stahl, zum anderen solchen in 6 mm aus Nylon. Wir versuchen das mal für interessierte Sammler einzuordnen:
Historisch: Druckluftwaffen von Webley
Damit knüpft Webley & Scott an etwas an, das vor mehr als elf Jahrzehnten begonnen hat: Am 19. Februar 1910 erhielt der geniale William Whiting, bei Webley Chefkonstrukteur der Pistolen- und Revolverfertigung, das Patent 4213 für eine Luftpistole. Anfangs bestand kein großes Interesse. 1920 aber verabschiedete die britische Regierung den Firearm Act, der Privatpersonen die Erwerbsmöglichkeit von Feuerwaffen sehr erschwerte. Plötzlich explodierte die Nachfrage nach Druckluftwaffen. Webley erkannte die Chance und trieb die Herstellung von Luftpistolen und Luftgewehren voran. Nun ersannen die Ingenieure Douglas V. Johnston und John W. Fearn ab 1923 eine neue Luftpistole. Dabei verwendeten sie das Kompressionsprinzip von Whiting und das System des über der Feder liegenden Laufes von Frank Clarke. Mit dem Patent 219872 vom 7. August 1924 begann der Erfolg der Webley & Scott Mark I. Seitdem unzählige Male verbessert, waren Luftpistolen auch nach dem Ende der Revolverfertigung am 7. September 1979 ständig im Programm und sicherten damit das Überleben dieses traditionsreichen britischen Unternehmens.
Die Testwaffe von 4komma5: Was ist dabei?
"Ich bin bekennender Webley-Fan" – so die Formulierung, mit der sich einer der Tester selbst beschreibt. Und der daher angenehm überrascht war, als er den ansprechend gestalteten Karton in der Hand hielt. "Webley MK VI Battlefield Finish" stand darauf. So sollte er beschaffen sein, denn der neueste Webley sollte sich zu seinem vom Einsatz gezeichneten Bruder aus der ersten Serie von 1915 gesellen. Aufgedruckt auf der Kartonrückseite auch eine Liste von Filmen und Computerspielen, in denen der Revolver vorkommt. So umfangreich hatte sich keiner von uns dessen Schauspielerkarriere vorgestellt. Aber klar, im Empire gab es immer an irgendeiner Ecke einen Konflikt und ab 1915 war der MK VI dabei. Den Karton geöffnet, lag da die Bedienungsanleitung. Verständlich aufgebaut, wo nötig mit Zeichnung, schon mal gut. Dann ein runder Zettel mit dem Union Jack auf der Vorder- und dem Garantiehinweis auf der Rückseite. Und ein Nachdruck der letzten offiziellen Bedienungsanleitung für den MK VI von 1937. Ein netter Gag – und interessant, wie man vor über 80 Jahren dem Soldaten das Schießen mit dem Revolver, damals auch vom Pferd, nahegebracht hat.
Frei ab 18: Webley MK VI Service Revolver als CO2 Version im Detail
Nun zum Revolver. Gut sieht er aus mit seinem tiefschwarzen Finish. Er zeigt feine Bearbeitungsspuren an Lauf und Rahmen, wie das Original. Das war in der Militärvariante ebenfalls feingeschlichtet. Das Finish entspricht demjenigen nach 1918 überarbeiteter Waffen. Ursprünglich waren Waffen dieses Typs dunkelblau angelassen. Bei der CO2-Variante bestätigt die Probe mit dem Magneten, wie erwartet, Zinkdruckguss. Auf der linken Seite der Laufeinheit über dem Drehpunkt des Scharniers ist ein dezentes ".455" eingeprägt. Das ist das Originalkaliber und gehört dort nicht hin. Das Original hatte keine Kaliberangabe, jeder britische Soldat wusste, dass dieser Waffentyp die Armeepatrone verschoss. In seltenen Fällen wurde auf Wunsch die Bezeichnung ".450/.455" eingeschlagen. Dies als Hinweis, dass der Revolver auch die Schwarzpulverpatrone .450 verfeuern konnte.
Links vorne am Rahmen der CO2-Variante steht der ovale "Webley MK VI Patents 1915"-Stempel. Wie beim Original. Nicht vorhanden sind die zahlreichen Abnahmestempel der Dienstwaffe. Links seitlich auf der Rahmenbrücke prangt "MARK VI". Fehlt noch der Blick auf die rechte Seite. Da finden sich, wie in Deutschland gesetzlich vorgeschrieben, das F im Fünfeck, die Kaliberangabe und die Seriennummer. Dass alles würde sich dezenter angebracht besser machen, zum Beispiel auf der Laufunterseite. Womit man hingegen leben muss, ist der kleine Schieber vorn am Rahmen. Er zeigt je nach Stand einen roten oder weißen Punkt. Dies ist tatsächlich eine Sicherung. Nicht originalgetreu, aber clever gemacht.
Technik: So funktioniert der CO2-Revolver von Webley
Der Blick auf die Trommel zeigt, dass sich Patronenhülsen darin befinden. Also den als "Stirrup Latch" (Steigbügel) bezeichneten Verriegelungshebel gegen den Druck der rechtsseitig liegenden V-Blattfeder nach vorne drücken. Jetzt lässt sich der Lauf abklappen. Dabei bewegt eine Nocke den Auswurffenstern nach oben und der wirft die Patronenhülsen aus. Alles wie beim Original, wenn man von Form und Größe der Hülsen absieht. Genauer gesagt, sind das natürlich keine Patronenhülsen, sondern Ladehülsen, die zum Verschießen des jeweiligen Geschosses (hier: 4,5er Diabolos) dienen. Jetzt den Hahn gespannt – hm, der markante Original-Zündstift fehlt. Natürlich, das muss er ja auch. Denn es wird lediglich das Ventil betätigt, das eine kleine Menge CO2 zum Antrieb des Diabolos oder der Kugel freigibt. Von hinten in den Rahmen eingeschraubt, glänzt es messingfarben. Wo wird die zum Antrieb notwendige CO2-Kapsel eingelegt? Richtig, ins Griffstück. Dazu lässt sich die linke Griffschale abziehen. Sie ist federbelastet geklemmt. Der Griffrahmen weist unten eine kleine Ausbuchtung auf, in der zum Öffnen ein Finger ansetzen kann. Die CO2-Kapsel einlegen, mittels des drehbaren Lanyard-Rings, also der Aufnahme der Fangriemenschnur, gegen das Ventil drücken und die Versiegelung durchstechen. Damit ist der Revolver einsatzbereit.
Grundsätzlich ist es nicht einfach, einen Revolver zu bauen, der sicher mit Treibgas funktioniert. Klar, da gibt es systembedingt einige Schwachpunkte. Das größte Problem, die Abdichtung zwischen Trommelstirn und Laufeingang. Wie hat man das beim CO2-MK VI gelöst? Die Ladehülse entspricht nicht dem Format der Originalpatronenhülse. Sonst hätte das Geschoss Freiflug und der ist mit Gasverlust verbunden. Also reicht sie über die ganze Trommellänge und besitzt vorne und hinten Dichtringe. Der hintere dichtet gegen das Ventil, der vordere gegen den Lauf ab. Apropos Lauf: Das, was von außen aussieht wie der typische MK VI-Lauf, ist realistischer ein Laufmantel, darin werkelt ein um zirka zehn Millimeter kürzerer Futterlauf. Dies ist nötig, weil sich der vor und zurück bewegt. Denn bei diesem Revolver kommt noch etwas hinzu, etwas ebenso Nützliches wie Geschichtsträchtiges: ein Gasdichtigkeitsprinzip, einst von Henri Pieper aus Lüttich erfunden, durch die ebenfalls in Lüttich tätigen Brüder Léon und Émile Nagant patentiert und seither weltberühmt geworden, etwa im russischen Nagant-Revolver. Dabei schiebt sich die Trommel vor und die konisch ausgeführte Mündung der oben liegenden Kammer stülpt sich über ihr Gegenstück am Lauf. Statt wie beim Nagant die Liderung der Patronenhülse zu bewirken, dichtet hier der vordere Dichtring der Ladehülse ab. Wegen der rückwärtigen Abdichtung zum Ventil kann man die Trommel nicht nach vorne über das Laufende schieben. Daher ist der Futterlauf federnd gelagert und verstiftet. Er wird beim Transport der Trommel über die Konusschräge nach vorne gedrückt und schiebt sich unter Federdruck zurück in den Konus der nächsten Trommelkammer. Das ist so genial wie Piepers Idee vor 125 Jahren, kann aber nur bei geringem Gasdruck funktionieren.
Die erwähnte Sicherung wirkt über den Trommelstop auf den Abzug und blockiert ihn sowie den Hahn zuverlässig. Durch sie wird die Trommel im Schuss nicht wie original mittig und hinten, sondern lediglich hinten, aber vollkommen spielfrei arretiert. Die gefederte Laufseele trägt auch dazu bei.
Alle Daten und Preis zum CO2-Revolver von Webley auf einen Blick
Modell: | Webley MK VI Service Revolver .177 |
Preis: | 209,95 Euro |
Kaliber: | 4,5 Diabolo (.177) |
Kapazität: | 6 Schuss |
Länge: | 278 mm |
Lauflänge: | 140 mm (Futterlauf) |
Visierung: | Kimme 2,0 mm, Korn 2,0 mm |
Energie: | max. 7,5 Joule |
System: | CO2-Kartusche |
Gewicht: | 995 Gramm |
Ausstattung: | Revolver für CO2-Kapseln und Diabolos, SA-/DA-Abzug, Kipplauf-System, Zinkdruckguss mit künstlichgealtertem Finish, Kunststoff-Griffschalen.In Pappbox mit Bedienungsanleitung,Garantieschein und Repro derBedienungsanleitung |
Unser Test: Der Webley MK VI Revolver in 4,5 Millimeter im Schuss
Geladen wiegt die Waffe mit zirka 1.100 Gramm etwa so viel wie das Original. Auch die Abzugscharakteristik ist in etwa gleich, dabei erweist sich der Double-Action-Modus militärisch schwer. Im Gegensatz zum Original löst der Abzug am Ende sehr schnell. Dabei wird die Trommel schwungvoll verriegelt, was zum Verreißen führen kann. Der Single-Action-Abzug stellt sich als sehr angenehm heraus und fällt nur minimal durch. Aufgelegt wurden auf zehn Meter Distanz Treffer innerhalb des 8er, aber auch in 9er und 10er Ring erreicht. Die Tester gaben zwischen 40 bis 50 Schuss mit der 12-Gramm-CO2-Kapsel ab. Wichtig: BItte die Dichtringe leicht fetten, um Verschleiß und damit Gasverlust zu minimieren. Der CO2-MK VI ist sicher keine Match-Waffe. Aber wie sein älterer Bruder schlägt er sich in ruhiger Hand mehr als ordentlich. Vor allem macht er aber sehr viel Spaß. Und er gehört in jede Webley-Sammlung, denn er bildet einen würdigen Abschluss dieser geschichtsträchtigen Reihe. Den CO2-Webley gibt es in Schwarz-Brüniert, Verchromt und im Battlefield Finish. Damit gefiel er allen Beteiligten am besten. Und auch sein älterer Bruder war gerne mit ihm auf den Familienfotos. Die in Taiwan qualitativ hochwertig gefertigte Waffe kostet bei etwa 4komma5 209,95 Euro. Hier kommen Sie direkt zum 4komma5 Online-Shop.
Test-Fazit und unsere Wünsche zum freien Webley-Revolver:
Was bleibt sind einige Wünsche an den Hersteller, um den Revolver noch authentischer zu machen: Bitte die aufgedruckte Kennung an unauffälligerer Stelle anbringen. Etwas dickeres Material für die Griffschalen verwenden. Die Schraube am Hebel zum Ausbau der Trommel größer und mit dem Schlitz in Geldstückbreite gestalten. Die rechte Schale von innen befestigen und nicht wie hier von außen mit einer Flachkopfschraube. So sieht man nicht das Schraubenende, sondern hat einen zweiten Kopf vor Augen. Das Ventil hinten schwärzen. Wenn die Druckgussformen einmal ersetzt werden müssen, die beiden Befestigungsschrauben im Abzugsbügel und die Schraube am Korn mit ausformen. Das Visier nach dem Original gestalten. Es entspricht im Moment dem in den 1970-er Jahren bei vielen ausgemusterten Webleys von britischen Händlern nachträglich eingesetzten Kimmenblatt. Und dann noch das originale Dunkelblau als zusätzliche Variante – mit alldem wär‘s für unsere Tester perfekt!
Aber dennoch: Klare Kaufempfehlung für alle Fans. Was man hier für etwas mehr als 200.- Euro bekommt, ist den Preis wert.
Text: Stephan Rudloff und Matthias S. Recktenwald
Dieser Artikel wurde zuerst in der VISIER, Ausgabe 03/2021 veröffentlicht. Das Heft ist im VS Medien-Shop als Print- wie auch als Digitalausgabe verfügbar.
Weitere Informationen zu dem CO2-Revolver finden Sie auf den Seiten von Webley & Scott.