Es ist schon verblüffend, wie schwer Ganzstahl-Pistolen erscheinen, wenn längere Zeit nur Polymeres zur Hand war. Und dies auch noch vom selben Hersteller und unter gleicher Produktbezeichnung. Selbst die kurze Walther PDP Steel Frame Compact schien bleischwer. Eine kompakte PDP mit polymerem Griffstück liegt bei rund 700 Gramm, die Ganzstahl-Kompakte, mit Kürzel SF für Steel Frame, bei fast 1.100 Gramm. Genau waren es 691 zu 1.095 Gramm. Bei der Differenz von etwa 400 Gramm klingelte bei den Redakteuren etwas. Denn der Gewichtsunterschied der vor gut fünf Jahren vorgestellten Walther Q5 Match als Steel Frame-Ausführung betrug zur Version mit Kunststoffgriffstück ebenfalls rund 400 Gramm. Walther ist mit der Konfiguration von Polymer- zu Stahlgriffstücken innerhalb seiner Pistolenbaureihen quasi ein Wiederholungstäter. Und das ist auch gut so, denn "mal eben" lässt sich ein Polymergriffstück nicht auf Stahl umstricken. Das fängt bei den Wandstärken an. Die polymeren Dimensionen einfach auf die stählernen zu übertragen, würde über kurz oder lang in Rissen beim Stahlgriffstück enden. Denn faserverstärkter Kunststoff eines Polymer-Griffstücks federt die beim Schießen auftretenden Kräfte des auf seine Endpunkte laufenden Verschlusses wesentlich besser ab als Metalle. Dieser Umstand erstreckt sich auf alle relevanten Stellen des Griffstücks, bis hin zur Verschlussführung. So sind die Führungsbreiten vom Polymer- zum Stahlverschluss unterschiedlich. Und so erklärt sich, warum es schon deshalb keine Wechselmöglichkeit der Verschlüsse von polymeren auf stählerne (SF) Griffstücke gibt.
Die Walther PDP SF Compact OR im Detail:
Optisch sieht sie der Polymer-Ausführung bei gleichen Abmessungen zum Verwechseln ähnlich. Erst beim näheren Hinschauen werden die feinen Unterschiede offensichtlich. Anstelle der Zerlege-Zugwippe am Griffstück der Polymer-PDP findet sich an der SF-Variante linksseitig ein Zerlegehebel am Griffstück, dessen Horn auch etwas weiter aus dem Griff herausragt. Die Konturen der Patronenlager, beziehungsweise derer Verrieglungsstücke, differieren ebenfalls, und damit auch zwangsläufig die Rohre. Werden bei der PDP mit Polymergriffstück nur die unterschiedlichen Griffrücken zur Optimierung der Handlage getauscht, wird an der SF-Kompakten gleich die Griffschale fällig. Unter dieser verbergen sich, je zwei pro Seite, T-ähnlich profilierte Plastikstreifen. Welche auch die Q5 Match aufwies. Die Streifen ermöglichen nicht nur ein nahezu samtpfotiges Gleiten der Magazine im Schacht der PDP SF, sie führen auch die Magazine der Kunststoff-Schwester. Damit ist der Austausch dieser sehr wichtigen Baugruppe möglich. Ansonsten finden sich die baugleichen Teile eher im kleinteiligen Segment, wie etwa der Magazinauslöser oder die Visierungen. Und bei aller gegebenen Ähnlichkeit: Nicht einmal das Holster für die Polymer-PDP fasst die stählerne Schwester. So unterschiedlich sind die Waffen tatsächlich. Auf Nachfrage zu Holstern gab Walther jedoch gleich zwei positive Antworten: Ein passendes Holster für die PDP-SF sei in der Entwicklung, und auch für Rotpunkt-Visierungen ausgelegt.
Die Walther PDP SF Full Size OR im Detail:
Rund 1.160 Gramm, das ist auch ein Wort, nämlich: Masse! Die gut 60 Gramm Mehrgewicht der PDP Full Size-Variante (FS) zur Compact verteilen sich auf das etwas längere Griffstück und den um ein halbes Zoll, etwa 12 Millimeter, längeren Verschluss. In diesem sitzt ein zwangsläufig längerer Lauf und das Griffstück fasst im Gegensatz zur Compact nun Magazine für 18 statt 15 Patronen. Sonst sind die Unterschiede zur Kompakten marginal. Die angedeuteten Fingerrillen der Griffschalen treten beim Full Size-Modell weniger deutlich hervor. Der etwas dickere Magazinboden der FS ist kürzer, da ihm, im Gegensatz zu den Magazinen der Compact, die zur Mündung weisende, ausgeprägte Lippe fehlt. Allen Varianten gleich ist die flache, aber gut kontrastierende offene Visierung, die Kimme lässt sich in Maßen seitlich wie auch in der Höhe verstellen. Der sehr gut tastbare Magazinauslöser lässt sich umstecken. Damit werden auch die "Stählernen" zur uneingeschränkten Linkshand-Pistole, da der Verschlussfang-Hebel beidseitig angelegt ist. Reflexvisierungen lassen sich ebenfalls auf alle Varianten montieren. Zur Zeit sind dies Modelle von Trijicon, Leupold, Noblex/Docter, Aimpoint (Acro) und Holosun (509T). Sehr angenehm zur Montage ist allen Testern aufgefallen: Die Befestigungsschrauben der Deckplatte, wie auch zur Befestigung der Rotpunkt-Visiere, zählen zum Kaliber M 3 und verfügen über ein Torx-Mitnahmeprofil der Größe 10. Also ist genügend Stabilität für viele Montagezyklen an sportlich verwendeten Modellen gegeben, um die Rotpunkt-Visierung im Wechsel zur Offenen zu tauschen. Den Wert großer, qualitativ hochwertiger und vor allem eingriffsicherer Schrauben haben jedoch längst noch nicht alle Hersteller von Pistolen mit einer Schnittstelle für Reflexvisiere erkannt.
Die Walther PDP SF Match OR im Detail:
Noch etwas länger, wieder ein halbes Zoll – so könnte die Kurzfassung zum wesentlichen Unterschied lauten. Dann sind da noch die Ausfräsungen im Verschluss, welche die Waage nur einen Gewichtszuwachs von rund 50 auf 1.210 Gramm anzeigen lässt. Ein üppig dimensionierter Magazintrichter eliminiert bei dieser primär für sportliche Zwecke konfigurierten SF-Variante mögliche Einführ-Fummeleien. Da lediglich ein Hohlspannstift ausgetrieben werden muss, kann der Magazintrichter auch an andere SF-Varianten gesteckt werden. Abgesehen von der, einer sportlichen Verwendung förderlichen, längeren Visierlinie verdient die Match ihren Namen zu Recht, besonders wegen des sehr definiert auslösenden Abzugs. Kein Ruckeln, kein "rundes" Gefühl am Druckpunkt, kein Kriechweg – einfach Klasse. Aber Achtung! Die "normalen" Abzüge der beiden zuvor beschriebenen Pistolen mit gebogenem statt geradem Züngel und auch der PDP`s mit Kunststoffgriffstück, liegen wegen ihrer sauberen Charakteristik schon sehr deutlich über vielen Wettbewerbern.
Test: Auf dem Schießstand mit den drei Steel Frame-Pistolen von Walther
Zuerst kam die PDP SF Compact an die Reihe. Montiert wurde ein Aimpoint Acro C-2. Zur praxisgerechten Entfernung von 15 Meter, welche für Selbstschutz oder Fangschuss schon zu weiter Distanz zählt, wurde Wert auf dazu auch geeignete Munition gelegt. Die Streukreise zeigen wieder einmal, dass durch Rotpunkt-Unterstützung auch mit kompakten Pistolen unglaublich gute Ergebnisse zustande kommen. Noch vor einigen Jahren wären diese Streukreise über offene Visierung kaum zu Papier gelangt. Da zum Vergleich noch eine Walther PDP Compact mit einem Polymer-Griffstück vorhanden war, ebenfalls mit Aimpoint Acro C-2, lassen sich einige Schlüsse ziehen: Der zeitlich unbelastete, ruhig gezielte Einzelschuss lässt sich mit beiden Griffstück-Varianten gleich präzise abgeben. Wird jedoch zeitlicher Druck aufgebaut, lassen sich via "Schieß-Eisen" mehr Treffer pro Zeiteinheit gezielter unterbringen, als über das Kunststoff-Griffstück. Die Griffstücke der Kompakt-Klasse bieten mittelgroßen Händen noch ausreichend Halt, darüber hinaus wird es für den kleinen Finger eng. Da gerade für schnelle Serien oder Doubletten ein ergonomisch optimales, aber auch allen Fingern Halt bietendes Griffstück essentiell ist, gilt im Zweifel eher das größere Griffstück als geeigneter. Womit das Schießen der PDP Full Size beginnt. Für den händisch-dynamischen Teil der drei Pistolen musste die 123-gr-Laborierung von Fiocchi mit Blei-Ogivalgeschoss und Gas-Check herhalten. Diese, trotz "weichem" Geschoss-Aufbau sehr knackig geladene 9 mm Munition kommt je nach Waffe auf bis zu 380 Meter pro Sekunde an der Mündung und leistet an 580 Joule. Das ideale Vehikel also, um das Schussverhalten ruppiger Laborierungen von Polymer zu Stahl, aber auch zwischen den unterschiedlich konfigurierten Stahlgriffstücken zu testen. Und nach nur einigen Magazinfüllungen war klar, dass ähnlich schnelles und präzises Schießen aus der polymeren PDP-Variante im Vergleich zu den Ganzstahlmodellen nur sehr gut trainierten und kräftigen Kurzwaffenschützen gelingen wird. Das spricht für die Ganzstahlmodelle.
Die Match-Maschine: Die Walther PDP SF Match im Schuss. Im Gegensatz zur kompakten Version wurde die PDP SF Match in die Schießmaschine gespannt. Auffällig, außer dass die überwiegende Zahl von Streukreisen auf 25 Meter Distanz sicher in der ISSF-Zehn von 50 Millimeter Durchmesser liegen, ist nur die große Homogenität der Gruppen. Mit dieser "Langen" ließen sich, dank der hervorragenden Abzugscharakteristik und Rotpunkt-Unterstützung, auch händisch viele Schüsse in die Zehn praktizieren. Doch steht für die Matchvariante weniger statisches als dynamisches Schießen im Vordergrund. Außer im IPSC-Bereich dürfte die PDP SF Match auch in Mehrdistanz-Disziplinen punkten. Störungen oder andere Auffälligkeiten gab es mit keiner Testwaffe. Allerdings ist das bei einem Hersteller, der weit über 100 Jahre Erfahrung im Bau von Selbstladepistolen hat, auch kein Wunder. Und an dieser Stelle auch ein Lob der (italienischen) Magazine. Etwas Kraft muss zum Laden der letzten Patronen zwar angewendet werden, aber insgesamt sind es sehr geschmeidig zu ladende Behälter.
Walther PDP Steel Frame Compact, Full Size, Match: Technische Daten und Preis im Überblick
Hersteller: | Carl Walther (Ulm) | Carl Walther (Ulm) | Carl Walther (Ulm) |
Modell: | PDP Compact Steel Frame OR | PDP Full Size Steel Frame OR | PDP Match Steel Frame OR |
Preis: | 1.899,- Euro | 1.899,- Euro | 2.199,- Euro |
Kaliber: | 9 mm Luger | 9 mm Luger | 9 mm Luger |
Kapazität: | 15 + 1 Patronen | 18 + 1 Patronen | 18 + 1 Patronen |
L x B x H: | 188 x 36 x 137 mm | 201 x 35 x 145 mm | 213 x 40 x 150 mm |
Lauflänge: | 102 mm | 114 mm | 127 mm |
Dralllänge: | 250 mm, 6 r., Polygon | 250 mm, 6 r., Polygon | 250 mm, 6 r., Polygon |
Abzugsgewicht: | zirka 2.500 g | zirka 2.500 g | zirka 2.500 g |
Gewicht: | 1.100 g | 1.145 g | 1.210 g |
Ausführung: | Rechts-Linksausführung (Nach dem Umstecken des Magazinauslösers.) | Rechts-Linksausführung (Nach dem Umstecken des Magazinauslösers.) | Rechts-Linksausführung (Nach dem Umstecken des Magazinauslösers.) |
Ausstattung: | Ganzmetallpistole, Polygonlauf, höhen- und seitenverstellbare Kimme, Visierung mit weißen Lackpunkten, zwei Ersatzmagazine mit einer Ladehilfe, Kunststoffkoffer. | Ganzmetallpistole, Polygonlauf, höhen- seitenverstellbare Kimme, Visierung mit weißen Lackpunkten, zwei Ersatzmagazine mit einer Ladehilfe, Magazintrichter, Kunststoffkoffer. | Ganzmetallpistole, Polygonlauf, höhen- seitenverstellbare Kimme, Visierung mit weißen Lackpunkten, zwei Ersatzmagazine mit einer Ladehilfe, Magazintrichter, Kunststoffkoffer. |
Test-Fazit: Das können die drei Walther PDP SF-Varianten Compact, Full Size und Match
Dass Masse immer noch die beste Rückstoßbremse darstellt, ist nicht erst seit gestern bekannt. Und Masse hat zum Beispiel eine aufmunitionierte Walther PDP SF Fullsize mit montiertem Rotpunkt genügend. So an die drei Pfund. Vergleichsmöglichkeiten von Produkten eines Herstellers, mit unterschiedlichen Gewichten aber fast identischer Ergonomie und Haptik, sind leider selten. Diese Gelegenheit nutzend, verschossen die Tester auch einige hundert Patronen freihändig auf Symbolscheiben. Deshalb gibt es ein eindeutiges Fazit:
Wer wenig Last am Gürtel tragen will und Polymeres präferiert, sollte eher drahtig-muskulös und gut im Training sein, wenn es um schnelle und präzise Schussfolgen geht. Weniger trainierte oder körperlich schwächere Schützen, denen es bei gelegentlichem Einsatz aber auch auf rasch und präzise abgegebene Schüsse ankommt, sollten auf etwas Tragekomfort verzichten und das Mehrgewicht der Stahlgriffstücke als Kompensator nutzen.
Dieser Artikel erschien auch in der VISIER, Ausgabe 3/2024. Im Heft sind auch alle Schießergebnisse der PDP SF Compact OR (5 Laborierungen) und PDP SF Match OR (10 Laborierungen) in der praktischen Tabellenübersicht enthalten. Sie können die Ausgabe als Print- oder Digitalausgabe im VS Medien-Onlineshop kaufen.
Weitere Informationen zu den Stahlvarianten der PDP und weiteren Waffen von Carl Walther, bekommen Sie auf der Webseite des Unternehmens.