Am jagdlichen Stammtisch eine Walther PPK als Neuerwerb für Fangschuss- oder Selbstschutzzwecke in Betracht zu ziehen, kann als Reaktionen folgendes verursachen: hochgezogene Augenbrauen, gefurchte Stirnfalten und getuschelte Satzfragmente. Meist unter Auslassung bestimmter Adjektive, wie: "Er war schon immer etwas ..." Ja, die PPK im Kaliber 7,65 mm Browning ist nach deutschem Jagdrecht als Fangschusswaffe nicht mehr zulässig. Deren Energieausbeute liegt unter den geforderten 200 Joule Mündungsenergie. In 9 mm kurz, oder der internationalen Synonym-Bezeichnung .380 ACP, boomen Taschenpistolen aber in den USA. In den Vereinigten Staaten wird auch Walthers Evergreen gefragt und seit kurzem sogar von Walthers US-Tochterfirma in Fort Smith in Arkansas gefertigt. Trotzdem scheint die alte Konstruktion gegenüber modernen, etwa gleichgroßen, subkompakten Pistolen im Kaliber 9 mm Luger veraltet.
Immer noch aktuell: Das Hahnschloss-System der Walther PPK
In Wirklichkeit liegen die Dinge anders: Hahnschloss-Pistolen mit Abspannhebel als Sicherungselement sind nach wie vor unübertroffen sicher und dazu wie ein DA-/SA-Revolver sofort einsatzbereit. Wird bei der Walther PPK nach dem Durchladen die Sicherung betätigt, schlägt der Hahn ab. Die Welle des Sicherungsflügels der Walther hat eine Nocke. Auf diese statt den Schlagbolzen trifft der Hahn beim Abspannen über den Sicherungsflügel. Beim Entsichern springt der Abzug wieder nach vorne, die Waffe ist durchgeladen, aber der Hahn entspannt. Wie bei einem DA-/SA-Revolver kann die Pistole solchermaßen beliebig lange gelagert oder getragen werden. Im Bedarfsfall entscheidet der Schütze, ob der erste Schuss mit höherem Widerstand über den Spannabzug abgegeben wird oder ob er den Hahn vorspannt und den Schuss mit deutlich verringertem Abzugsweg und -widerstand abgibt. Die zusätzliche Fallsicherung sorgt dafür, dass erst beim Betätigen des Abzuges ein Sperrstück gelöst wird, das den Schlagbolzenweg freigibt.
Komplett neu sind moderne Polymerpistolen ja auch nicht. DA-/SA-Hahnschloss-Pistolen wie die Heckler & Koch SK 2000 V3 sind die Ausnahme – und größer als eine PPK. Viele Polymer-Modelle bauen auf dem Schlagbolzenschloss und einem Sicherheitsabzug auf. Dessen Merkmal ist die Lippe im geteilten Abzugs-Züngel. Dieses Design benötigt keine manuelle Sicherung – gut! Das Schlagbolzenschloss ist teilvorgespannt und der Abzug muss gegen einen Auslösewert von meist mehr als drei Kilogramm über einen langen Weg bewegt werden. Dem präzisen Fangschuss steht diese Charakteristik zwangsläufig entgegen. Natürlich haben solche Waffen auch eine Fallsicherung, aber selten eine so eindeutige (Sicherheits-)Anzeige wie die Walther mit ihrem Signalstift. Dieser ragt mehrere Millimeter aus dem Verschlussende, falls sich eine Patrone im Lager befindet. Im Hellen ist der Signalstift gut sichtbar, im Dunkeln gut zu tasten. Viele Polymer-Pistolen lassen dagegen tief blicken, aber nur bei gutem Licht. Durch ein kleines Loch am Ende des Patronenlagers kann das Messing der Hülse erspäht werden. Doch nicht alle Hülsen glänzen. Und die bei einer Patrone im Lager etwas herausstehende Auszieherkralle wird nicht bei allen modernen Pistolen in 9 mm Luger verbaut.
Insgesamt präsentieren sich die neuen Alten PPKs aus den USA auf hohem Verarbeitungsniveau. Optisch gibt es weder bei den schwarzen noch den silbrigen Modellen etwas auszusetzen. Alle Muster bestehen aus Stainless-Steel, die schwarzen tragen eine Nitrocarbonisierung vom Typ Isonite® Li2Fe3 – das geht in Richtung schwarzes Loch! Im SA-Modus liegt das Abzugsgewicht zwischen 2.200 und 2.300 Gramm, mit kaum spürbarem Kriechweg. Den Kontrast der starren Visierung steigern rote Markierungen. Aussehen und Griffigkeit der Plastikgriffschalen ist eher, nun, neudeutsch: Vintage. Griffigere Holz- oder Gummigriffschalen sind die Option für jagdlichen Einsatz mit klammen oder schwitzigen Fingern. Mehr Halt bietet auch das beiliegende Ersatzmagazin mit Fingermulde am Boden. Die PPK fasst sechs, die PPK/S sieben Patronen, jeweils eine weitere im Lager.
Der Unterschied der PPK zur -/S-Variante liegt nur in deren wenige Millimeter längerem Griffstück und einem abweichend geformten Schlagfedergehäuse. Diese Mini-Überlänge reichte aber seinerzeit nach dem Einfuhrkatalog der US-Behörde BATF (Bureau of Alcohol, Tobacco, Firearms and Explosives) aus, um die PPK/S in die USA exportieren zu dürfen. Das war für die zu kleine PPK nach dem "Gun Control Act" von 1968 aber untersagt.
Die Fertigung wieder aufzunehmen, aber zur Tochterfirma Walther USA zu verlagern, war daher ein logischer wie rechtlich notwendiger Schritt. Die frühere US-Fertigung der PPK's beim damaligen Walther-Importeur Interarms war zu Beginn dieses Jahrtausends eingestellt worden; seither hofften vor allem US-Fans auf eine Wiederaufnahme der Klassiker-Produktion. Da die Walther PPK/S auch in Deutschland nicht mehr hergestellt wird, wurde auch sie ins US-Herstellungsprogramm aufgenommen – und wie die Testwaffen eben reimportiert.
Wie schießt sich die Walther PPK aus US-Fertigung aus der Ransom Rest?
Zunächst erfolgte die Präzisionsüberprüfung, ungewöhnlich für Taschenpistolen, aus der Ransom-Rest. Die Fünf-Schuss-Streukreise auf 15 Meter überzeugen so, dass der Test mit einigen Laborierungen auf 25 Meter wiederholt wurde. Die Ergebnisse genügen für durchschnittliche Sportpistolen. Alle Laborierungen schießen auf 15 Meter Gruppen, die für Fangschüsse nötige Präzision weit übertreffen (die kompletten Schießtabellen, die Gelatine-Beschüsse und weitere Infos zur Walther PPK finden Sie in VISIER 3/2021, das Sie hier gedruckt oder als e-paper bestellen können). Präzisionsmäßig geht nichts über einen im Griffstück befestigten Lauf. Nur sei daran erinnert, dass Ergebnisse aus einer Schießmaschine selten aus der Hand nachvollziehbar sind. Händisch geschossen, traten bei keinem der beiden getesteten Modelle, einer schwarzen PPK und der PPK/S Stainless, irgendwelche Funktionsstörungen auf. Die PPK/S hatte, auch aus der Hand, einen leichten Hochschuss auf fünf Meter, bei 15 Meter lagen die Einschläge etwa Fleck. Das kleine schwarze Pendant schoss ähnlich. Je nach Laborierung kommt es zu einigen Zentimetern Abweichung vom vorigen Treffpunkt. Beide Pistolen ließen bis auf die filigrane Visierung keine Schwachstellen erkennen. Unter schlechten Lichtverhältnissen entsteht, besonders bei der hellen Variante, trotz der roten Punkte kein guter Kontrast.
Ist die 9 mm kurz aus der Walther PPK wirklich zu schwach?
... im Verhältnis zur 9 mm Luger? Nur auf dem (geduldigen) Papier! Im Netz oder auf den Rückseiten von Munitionsschachteln veröffentlichte Leistungsangaben resultieren meist aus 150 Millimeter langen Messläufen und 100 bis 120 Millimeter langen Läufen behördlich oder militärisch genutzter Pistolen. Die 9 mm Luger bietet zwar wesentlich mehr Leistung – aber nur aus einem längeren als dem getesteten Lauf.
Einschließlich Patronenlager sollten es etwa 100 Millimeter sein, sonst verpufft ein großer Teil des Potentials der 9 mm Luger vor der Mündung. Ist eine Pistole in den Abmessungen der Walther PPK gefragt, kann die 9 mm kurz gegenüber der 9 mm Luger durchaus punkten. Mit ihrem DA-/SA-Schloss ist ein präziser (Fang-)Schuss leichter anzubringen als mit DAO- oder einem teilvorgespannten Schlagbolzenschloss mit langem Abzugsweg. Im Leistungs-Verhältnis ist die Walther PPK nach heutigem Maßstab schwer, liegt dafür aber im Schuss ruhiger als etwa gleich kleine Selbstladepistolen des Kalibers 9 mm Luger. Die neuen PPK stehen wegen ihres genialen technischen Konzeptes immer noch auf Augenhöhe mit modernen Entwicklungen.
Technische Daten und Preise: Walther PPK und Walther PPK/S
Modell: | Walther PPK/S | Walther PPK |
Preis: | 949,- Euro | 949,- Euro |
Kaliber: | 9 mm kurz | 9 mm kurz |
Kapazität: | 7 (+1) Patronen | 6 (+1) Patronen |
Maße (LxBxH): | 161 x 26 x 109* mm | 161 x 26 x 103* mm |
Lauflänge: | 84 mm | 84 mm |
Visierlänge: | 108 mm | 108 mm |
Ausschnitt Kimme: | 2,9 mm | 2,9 mm |
Kornbreite: | 2,1 mm | 2,1 mm |
Abzugsgewicht: | ca. 2.400 g (SA) | ca. 2.400 g (SA) |
Gewicht: | 664 g | 610 g |
Ausstattung: | * = PPK/S mit Magazinschuh 123 mm. PPK mit Magazinschuh 117 mm. Die Dralllänge beträgt 1:10”. DA/SA-Schloss, Sicherungsflügel mit Abspannfunktion, Signalstift für Geladen-Anzeige, Kabelschloss, Sicherheitsfahne. Das Material bei allen Varianten besteht aus Stainless-Steel, schwarze Oberflächen entstehen durch Nitrocarbonisierung mit Isonite® Li2Fe3. |
Das Test-Fazit zur Walther PPK und PPK/S aus US-Fertigung
Nach langer Wartezeit liefert Walther wieder die Klein-Legenden PPK und PPK/S aus, wenn auch nicht mehr aus deutscher, sondern jetzt als Re-Import aus US-Fertigung der Tochterfirma. Die Herstellungsqualität der vier Testpistolen war ausgesprochen gut, es gab nichts zu mäkeln, die starre Visierung war früher eben "state of the art", eine verstellbare oder zumindest driftbare Kimme zwar denkbar, aber aufwändiger und somit teurer geworden. Alle vier sind zum Einheitspreis von 949 Euro sicher kein Schnäppchen mehr, aber wer eher auf Sammlerwert und deutsche Fertigung abzielt, wird auch gebraucht ähnliche oder je nach Ausführung und damit Seltenheitsgrad weitaus höhere Preise auf dem Markt finden. Walthers PPK und PPK/S sind zurück, sie sind immer noch up to date und ihr Geld wert.
Die Walther PPKs kamen direkt vom Hersteller Carl Walther. Die Munition für den Gelatinetest lieferten folgende Firmen: Albrecht Kind (Magtech), Helmut Hofmann (Hornady) und GECO (Action Extreme), danke!
Weitere Infos zur Walther PPK finden Sie in VISIER 3/2021, das Sie hier gedruckt bestellen können.
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