Es ist schon faszinierend: Die mental kaum noch trennbaren Kopplungen wie "modern und erfolgreich", "neu und besser" oder "fortschrittlich und wirksamer" funktionieren in der Waffenbranche nur unter Vorbehalt. Warum wird ein Repetierer mit einem System von 1898 immer noch gefragt? Wieso ist die 9 mm Luger von 1902 die weltweit noch meistverkaufte Pistolenpatrone? Baut Smith & Wesson sein Modell 10 von 1899 nur weiter, weil jemand vergessen hat, den Produktionsplan zu bereinigen? Und weshalb behauptet sich das weit über 100 Jahre alte System der Colt M 1911 nebst gleichaltem Kaliber immer weiter? Sind Waffenbesitzer solche Betonköppe? Nein, es ist eher so, dass hier ein wirklich nachhaltiges Wertesystem greift, auch ohne Recycling. Dass meist nur sehr behutsame und überlegte Änderungen eingebracht wurden. Und ein Empfinden beim Nutzer von Handfeuerwaffen zu existieren scheint, welches ihm suggeriert, dieses Produkt reicht völlig aus, und hält bei pfleglicher Behandlung über mehrere Generationen.
Konservativ? Natürlich! Es ist nur wenig, was an Änderungen von der Colt M 1911 zur M 1911 A1 auffällt, sieht man von der perfekten Oberfläche bei der Springfield und der angegriffenen Brünierung der Colt Black Army einmal ab. Wer ohne Vorinformation beide Pistolen in die Hand nimmt, merkt – erst mal nix! Nur bei näherer Beschäftigung werden Unterschiede deutlich. Die Springfield ist enger gepasst. Zerlegen lässt sie sich nur mittels eines Mündungsschlüssels, der aber nicht im Lieferumfang enthalten ist. Hoch, aber mit erfreulich trockener Charakteristik ist der Abzugswiderstand. Ein Unterschied fällt sofort ins Auge: Die Springfield hat ein kontrastreiches Drei-Punkt-Visier, die Colt von 1918 bietet eine den damaligen Vorstellungen entsprechend sehr filigrane Visierung. Doch Einsatzentfernungen über zehn Meter sah das Pflichtenheft um 1918 nicht vor. Erst den späteren Generationen blieb es vorbehalten, die Dämmerungsfähigkeit der Visierung mit weißen Farbtupfern zu steigern.
Die Crux liegt im Detail: Es ist schon eine eher kontemplative Beschäftigung mit beiden Waffen nötig, um die weiteren Unterschiede festzustellen: Die kleine Mulde, in welche bei der Springfield, also der A1-Variante der Colt M 1911, der Zeigefinger des Schützen liegt. Nur mit einiger Konzentration ist der haptische Unterschied spürbar, aber eben so dezent, wie das bei der A1 leicht geschwungene statt gerade Schlagfedergehäuse oder der stärker konturierte Sporn der Handballensicherung. Trotz der etwas verrundeten Kanten der Waffelung auf den Colt-Griffen packen sich beide Waffen gleich gut oder schlecht, je nach Handgröße oder Fingerlänge des Nutzers. Der Gewichtsunterschied beider Pistolen beträgt nur wenige Gramm. Selbst die Schrauben der Griffschalen gleichen sich, auch Springfields Neue bleibt beim Schlitz.
Die Springfield M1911 A1 trifft überraschend gut! Hier haben wir den Präzisionsvergleich zur klassischen Colt Black Army Pistole:
Auf dem Schießstand überraschte die Springfield mit gleich drei Gruppen, die für die 50 Millimeter durchmessende Zehn der Präzisionsscheibe gut sind. Der hohe Abzugswiderstand hinderte auch beim Schießen aus der Hand nicht an engen Gruppen, da die Charakteristik sehr gut definiert ist. Das Visierbild ist – mit Einschränkung durch die weißen Punkte und der fehlenden Höhenverstellung – auch für den sportlichen Einsatz ausreichend kontrastreich. Im scharfen Schuß zeigt sich auch der tatsächlich große Unterschied zur Colt Black Army: Auch diese schießt mit den Patronensorten dieses Tests störungsfrei. Aus der Schießmaschine aber notorisch nur 150 bis 200 Millimeter große Gruppen, ohne dass eine Sorte hervorsticht. Aus der Hand wird es dann völlig desaströs. Der Abzug der Colt Black Army benötigt nicht wesentlich weniger Kraft zum Auslösen, hat dafür aber einen merklich längeren Kriechweg. Die winzige Minimalvisierung erfordert volle Konzentration. Zur Belohnung dieser Mühen liegt die Gruppe auch auf der Scheibe, etwa auf Größe DIN A4 ...
(Alle Schießergebnisse und Ladedaten finden Sie in der gedruckten Ausgabe VISIER 10/2021 – die können Sie hier kaufen)
Springfield Armory M1911 A1: Technische Daten und Preis
Modell: | Springfield Armory Modell 1911 A1 |
Preis: | 1.079,- Euro |
Kaliber: | .45 ACP |
Kapazität: | 7 + 1 Patronen |
Maße (L/B/H): | 218 x 34 x 132 mm |
Lauflänge: | 5 Zoll |
Dralllänge: | 1: 16“ (ca. 406 mm |
Abzugsgewicht: | 2.100 Gramm |
Gewicht: | 1.144 Gramm |
Ausstattung: | Parkerisiert, Visierung mit Kontrastpunkten, Kimme seitlich driftbar, Holzgriffschalen mit Fischhaut, Futteral mit Doppel-Reißverschluss, Kabelschloss. |
Test-Fazit: Die Springfield M1911 A1 ist klassisch, einfach und gut
Mehr, oder besser weniger geht einfach nicht. Hat es aber 1918 nicht gebraucht. Und je nach Situation selbst heute nicht. Fazit: Klimaneutral. Nachhaltig. Recycelbar. Wertbeständig und – ach so! Waffen sind ja böse! Und als Beispiel, was technisch hinsichtlich vieler Jahrzehnte haltbarer Produkte schon vor Generationen möglich war, ganz und gar nicht tauglich. Denn heute werden viel modernere Materialien verwendet, Kunststoffe und so. Mal sehen, ob sich dieses neumodische Zeug aus Polymer länger hält. Diese Modelle sind ja auch "gerade ers"t auf den Markt gekommen – vor knapp 40 Jahren.
Das hat uns gefallen: | Das fanden wir weniger gut: |
Enge Passungen | Fehlender Bushing-Schlüssel |
Bessere Visierung als das Original | |
Top-Präzision | |
Top Preis-/Leistungsverhältnis |
Die Testpistole kam vom Importeur RUAG Ammotec und wird über den Fachhandel ausgeliefert.