Revolver Ruger Vaquero in .44 Magnum: Gebraucht, aber leistungsstark, wenn man ihn richtig behandelt

Youngtimer-Plakette
Unter dem Siegel "Youngtimer" testen wir bei VISIER gut erhaltene Gebrauchswaffen aus den letzten Jahrzehnten.

Vor 18 Jahren fragte sich der Autor, welche Waffe seinen bewährten Ruger Blackhawk des Kalibers .357 Magnum ersetzen sollte, den er einem Vereinskameraden überlassen hatte. Er wählte einen Ruger Vaquero: Kaliber: .44 Magnum. Material: polierter Stainless Steel mit kurzem 4 5/8-Zoll- Lauf. Aus optischen Gründen bekam der Revolver nachträglich Perlmuttimitat-Griffe der Firma Ajax, die dazugehörige Griff-Schraube aus Messing wurde galvanisch versilbert. Der Vaquero ist aber nicht nur äußerlich ein Schmuckstück, er überzeugt auch technisch. Den Schlossgang kann man nur als sehr gut bezeichnen. Der Abzug ist ab Werk schlicht hervorragend, bricht wie Glas, direkt und ohne Vorzug. Dank der hervorragenden Charakteristik fühlt sich das Abzugsgewicht viel geringer an als die gemessenen 1.400 Gramm.


Ruger Vaquero von rechts
Der Ruger Vaquero: Das vorgestellte Old Model gab‘s von 1993 bis 2005, es folgte das leicht geänderte, bis heute noch gebaute New Model.
Ruger Vaquero von links
Der Ruger Vaquero mit 4 5/8-Zoll-Lauf sieht mit poliertem Finish und Griffschalen im Perlmutt-Look schick aus - diese kamen allerdings von Ajax nachträglich hinzu.

Allerdings macht es die minimalistische, um nicht zu sagen primitive, feststehende Visierung nicht leicht, konstant enge Streukreise für DSB-Wettkämpfe zu produzieren. Für die Disziplinen „Police Pistol 1“ und „Super Magnum“ des BDMP reicht die mit dieser Visierung aus der Hand umsetzbare Präzision aber aus. Der Innen-Zehner (X) der entsprechenden BDMP-Scheibe hat zwar – wie die Zehn der DSB-Scheibe – einen Durchmesser von nur 50 mm, aber die „normale“ Zehn misst immerhin 85 mm in der Breite und 150 mm in der Höhe. Auf diese Scheibe gelang dem Autor mit der hart geladenen Remington-Munitionssorte (Geschoss: 240 Grains Softpoint) kürzlich wieder ein aus der Hand geschossener Sechs-Schuss-Streukreis von glatten 50 mm Durchmesser. Überhaupt scheint der Vaquero mit harten Ladungen oft präziser zu schießen als mit schwächerer Munition.

Ein Vaquero, aber in Kaliber .44 Magnum – warum denn das?

Also, weshalb einen typischen Western-Revolver dieses Kalibers? Auch wenn es heute leistungsstärkere Kurzwaffenmunition gibt – die .44 Magnum hat für engagierte Kurzwaffenschützen eine besondere Anziehungskraft. Das liegt an den „Dirty-Harry“-Filmen mit Clint Eastwood, durch die das Kaliber zur Legende wurde. Auch der Autor ist ein Fan dieses Kalibers und dieses Stars. Der verkörperte aber nicht nur die Rolle des „Dirty Harry“, sondern spielte davor in drei Filmen der Italo-Western-Ikone Sergio Leone mit. Und so verbinden sich für Fans dieser Filme in einem Revolver im Stil des Colt Single Action Army (SAA), aber im moderneren Kaliber .44 Magnum die Film-Genres Western und Thriller geradezu ideal. Dann bietet dem Wiederlader das Leistungsspektrum der .44 Magnum zusammen mit ihren beiden deutlich schwächeren Schwesterpatronen .44 Special und .44 S & W Russian ein weites Betätigungsfeld. Zudem gibt es Fabrikmunition in fast jeder Leistungsklasse. Von sehr zahmen Ladungen fürs BDS-Westernschießen über Mittelstarkes für DSB-Disziplinen bis hin zu extrem hartem Stoff für die BDMP-Disziplin „Super Magnum“ – alles da. Letztgenannte Disziplin fordert eine Geschossenergie von mindestens 1.200 Joule. Laut eigener Messung erreichte die PMC-Munition (240 Grains Teilmantelflachkopf, TMFK) aus diesem Vaquero eine Geschwindigkeit von 406 m/s und somit eine ausreichende Energie von 1.281 Joule. Die auch mit 240 Grains schwerem TMFK-Geschoss geladene IMI-Patrone kam sogar auf 413 m/s und damit trotz des kurzen Laufs auf beachtliche 1.326 Joule.

Folglich beschert dieser Ruger Vaquero unvergessliche Erlebnisse und lässt keine Langeweile aufkommen. Der Autor war durch seinen 357er Ruger Blackhawk vorgewarnt, nach längeren Schussserien alle Schrauben nachziehen zu müssen. Gerade die Schraube des Patronenhülsen-Ausstoßergehäuses muss ständig kontrolliert und immer wieder festgezogen werden, trotz Schraubensicherungsmittel. Dennoch kam es mit dem Vaquero zu einem lustigen Ereignis. Bereits nach nur zehn Schuss mit der sehr hart geladenen IMI-Munition löste sich besagte Schraube und flog samt Gehäuse in hohem Bogen meterweit nach vorne. Die Teile fanden sich zwar wieder, aber das Gelächter der Zuschauer klingt dem Autor noch in den Ohren. Nach einiger Zeit schoss der Revolver urplötzlich rund 20 Zentimeter nach links. Beim Check zeigte sich, dass sich das eingelötete Korn stark nach rechts geneigt hatte, vermutlich dank der großen Hitzeentwicklung der harten Ladungen. Nach der Reparatur schoss der Vaquero wieder geradeaus. Aber nicht für lange. Kaum ein halbes Jahr danach schoss der Revolver wieder rund 15 Zentimeter nach links und die Trommel ließ sich plötzlich nicht mehr ausbauen. Des Rätsels Lösung: Der Lauf hatte sich im Rahmen verdreht, als Folge stand das Ausstoßergehäuse schräg. So ließ sich die Trommelachse nicht weit genug nach vorn ziehen, um die Trommel zu entnehmen. Der Vaquero musste wieder zur Reparatur.

Der Ruger Vaquero mag heiße Ladungen

Schussbild 1
Spitzenwert im Präzisionstest: Schussbild zur IMI-Laborierung

Und allem Spaß zum Trotz – wer damit schießen will, sollte nicht zimperlich sein. Bedingt durch den kurzen Lauf sowie den typischen rundgeschwungenen, recht kleinen Griff legt der Vaquero je nach Munitionssorte ein ruppiges Rückstoß- und Hochschlagverhalten an den Tag. So mutet der Schuss aus einer Desert Eagle im Kaliber .50 AE trotz höherer Mündungsenergie im direkten Vergleich ruhiger an. Auch der durch den Trommelspalt des Vaquero entweichende Gasdruck ist nicht zu verachten. Der Autor erinnert sich, wie in einer Raumschießanlage nach einem Schuss mit der IMI-Munition durch besagten Gasdruck eine rund sechs Meter neben und drei Meter hinter ihm hängende Uhr von der Wand fiel. Damit hatte er erneut die Lacher auf seiner Seite. Weniger zu lachen haben die Standnachbarn. Mancher klagte schon über die „Ohrfeigen“, die der Vaquero bei harten Ladungen an die nebenstehenden Schützen austeilt.

Ruger Vaquero: präzise trotz Feuerball und starkem Rückstoß

Schussbild 2
Mit der Remington-Patrone (240 Grains HTP Soft Point)  auf der BDMP-Scheibe

Um die Schützenstreuung aufgrund der gewöhnungsbedürftigen Visierung auszuschließen, durchlief der Vaquero einen Präzisionstest aus der Schießmaschine Ransom Rest. Die benutzten Fabrikpatronen deckten das erwähnte Spektrum der .44 Magnum fast komplett ab. Die (derzeit in Deutschland leider nicht erhältliche) Sorte IMI (240 grs TMFK) stellt seit Jahren die Lieblingspatrone des Autors dar. Der Rückstoß ist gewaltig. Mündungsblitz und Feuerball aus dem Trommelspalt beeindrucken mindestens genauso. Daher überraschte die erste Fünf-Schuss-Serie aus der Ransom Rest völlig: 30 mm, das mit Abstand beste Trefferbild – und dies mit der stärksten Patrone. Bei der flugs in Angriff genommenen zweiten Fünferserie ging nach dem dritten Schuss nichts mehr. Der Abzug löste den gespannten Revolver nicht mehr aus. Der musste noch auf dem Schießstand komplett zerlegt werden, um den Hahn zu entspannen und die restliche Munition aus der Trommel zu nehmen. Das interne Sicherheits-Übertragungsstück (Transfer Bar) hatte sich gelockert und die Mechanik blockiert. Nach Zerlegen und sorgfältigem Zusammenbauen war alles wieder in Ordnung. Erstaunlicherweise muckt der Vaquero seither nicht mehr. Er zeigt sich auch von härtesten Ladungen unbeeindruckt und schießt zuverlässig und sehr präzise.

Ruger Vaquero im Kasten
Der Ruger Vaquero sieht mit poliertem Finish und Griffschalen im Perlmutt-Look schick aus. Der grüne Samt der Präsentationsbox unterstreicht das.

Der Ruger Vaquero spielt seine Stärken in .44 Magnum voll aus

Unser Fazit: Auch ältere Waffen können viel Freude bereiten und sind neuen moderneren Versionen bezüglich Verarbeitung und Präzision durchaus ebenbürtig. Es muss also nicht unbedingt immer das neueste Modell sein. Man kann sich mal auf dem Gebrauchtwaffen- Markt umschauen, wenn ein Waffenkauf ansteht. Auch hat das Kaliber .44 Magnum nichts an Anziehungskraft verloren. Es stellt, je nach Laborierung, für viele Schützen und für einige Waffen eine Herausforderung dar. Freilich wird man durch die erreichbare Präzision und den Spaß beim Schießen mehr als entschädigt. Der Autor würde seinen Ruger Vaquero dieses Kalibers unter keinen Umständen wieder hergeben. Und vielleicht wird ja der eine oder andere Waffenbesitzer durch diesen Artikel angeregt, ebenfalls eines seiner Schätzchen vorzustellen.

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