Gute Büchsenmacher erkennt man oftmals daran, dass sie genug zu tun haben und mit längeren Lieferzeiten zu kämpfen haben. Da kann Ralf Merkle aus Backnang sprichwörtlich ein Lied davon singen. Seine Revolverkomplettumbauten oder Tuningmaßnahmen sind im In- und Ausland in der Trommeldreherszene heiß begehrt. Die Auftragsbücher sind auch ohne Werbung durch Mundpropaganda prall gefüllt.
Kein Wunder, dass es mit Testwaffen für uns immer recht mau aussah, denn die Kunden wollen nach manchmal monatelanger Wartezeit endlich ihren Traum in Händen halten. So auch bei der vorliegenden Testwaffe Smith & Wesson 686 Bianchi in Kaliber .357 Magnum, die der neue Besitzer aus Österreich aufgrund der COVID-19-Reisebeschränkungen gerade nicht abholen konnte. Für uns eine gute Gelegenheit für eine Bestandsaufnahme.
Schießsportdisziplin Bianchi Cup: Anspruchsvolle Action
Der Bianchi Cup gilt schon als sehr spezielle Action-Schießsportdisziplin. Unterteilt in vier Matches, werden insgesamt 192 Schuss abgegeben. Dabei wird auf die typischen "Tombstone"-Scheiben oder auch stählerne Fallscheiben auf bis zu 45 Meter geschossen. Laufende Scheiben runden die Anforderungen an die Schützen noch einmal ab. Sicherlich eine abwechslungsreiche wie anspruchsvolle Schießsportdisziplin, die bei uns in Deutschland zurzeit vom BDMP (Bund Deutscher Militär- und Polizeischützen) vertreten wird.
Das Maximalergebnis von 1.920 Ringen wird von Topschützen in der Open-Klasse häufiger erreicht, deswegen müssen zur Wertung die XTreffer (Zentrumstreffer) herangezogen werden. Für dieses gerade in den USA prestigeträchtige Schießen kommen dann auch nur ganz speziell auf das Sporthandbuch zugeschnittene Sportwaffen in Betracht. Und genau sowas ist der hier vorgestellt S&W Bianchi-Cup-Revolver der Firma Merkle Tuning.
S&W 686 Bianchi Revolver von Merkle Tuning: Für die Action-Disziplin spezialisierte Matchwaffe
Für die meisten Sportschützen, die den Revolver "nur" zum statischen Lochstanzen verwenden, sieht so ein spezialisierter Bianchi Cup Six Shooter schon echt futuristisch-abgefahren aus und ist somit so auffällig wie ein Formel-1-Wagen unter SUVs. Als Ausgangsbasis für die Matchwaffe, die genau nach Kundenwunsch gefertigt wurde, diente der Smith & Wesson 686 Distinguished Magnum in der neuesten Generation als "Strich-6".
Viel geblieben ist nicht mehr vom beinahe 40 Jahre alten Klassiker. Der Lauf wurde komplett gegen einen Polygonlauf getauscht, den der S&W Club 30 bei einem Hersteller in Deutschland hämmern lässt. Innen bilden 12 Flächen mit einem relativ kurzen Drall von 1-300 Millimeter das Laufprofil. Äußerlich besitzt die Laufeinheit mit abgeflachten Seitenflächen eine formschöne, markante Kontur.
Zum Vergleich: Smith & Wesson setzt beim 686-Standardlauf mit seinen fünf Zügen/Feldern auf einen 1-476-Millimeter-Drall, der gut zum 158 Grains Standardgewicht bei den typischen Geschossgeschwindigkeiten in .357 Magnum passt. Der kürzere Drall passt jedoch besser zu den leichteren, hauptsächlich in der .38-Special-Anwendung findenden 125 Grains (Wad-Cutter)-Geschossen. Die Lauflänge beträgt 170 Millimeter anstatt der klassischen 6"/152 Millimeter, wobei dann noch der Ein-Kammer-Kompensator hinzukommt, was den Bianchi-Revolver recht lang erscheinen lässt. Dabei geht es weniger darum, das letzte Quäntchen an Präzision und Geschwindigkeit herauszuholen, sondern darum, den Revolver besser am Lauf umgreifen zu können, um ihn auf der rechten und linken Seite der Sichtblende im "Barricade-Event" zu stabilisieren.
Hilfestellung bieten hier auch die seitlich abstehenden Flügel am Lauf. Beim Merkle-Revolver bestehen diese "Barrel Wings" aus einem robusten Bauteil und können in drei unterschiedlichen Längenpositionen angebracht werden. Der Ein-Kammer-Kompensator soll dabei helfen, die Mündung etwas ruhiger im Schuss zu gestalten. Der mit 0,1 Millimeter eng bemessene Luftspalt zwischen Lauf und Trommel hilft dabei, dass von den schwachen .38-Special-Matchlaborierungen genug Gasdruck am Kompensator ankommt, damit er überhaupt seine Wirkung entfalten kann.
Der Trommelkran beim S&W 686 von Merkle Tuning verriegelt über zwei unter Federdruck stehende Stahlkugeln, die in die korrespondierenden Aussparungen im Rahmen eingreifen ("Double Ball Crane Lock"). Somit übernimmt die Trommelachse keine Verriegelungsfunktion mehr in diesem Bereich. Auch das Schlosswerk hat kaum noch etwas mit dem werksseitigen Original zu tun.
S&W 686 Bianchi Revolver: Double Action vom Feinsten!
Das aus MIM-Bauteilen bestehende, originale Schloss aus Springfield, Massachusetts, wich einer aus hochwertigen Werkzeugstahl-Komponenten bestehenden Abzugseinheit. Der fehlende Hammersporn deutet unmissverständlich darauf hin, dass der S&W 686 Bianchi Revolver von Merkle Tuning nur im Double-Action-Modus bewegt werden möchte. Würde man den Abzug mit zwei Worten beschreiben wollen, könnte man kurz sagen: Double-Action Deluxe! Mit unglaublichen 2.400 Gramm im Double Action Only (DAO)-Modus erinnert nur noch der lange Weg an einen permanenten Spannabzug.
Aber Vorsicht, solche Revolverabzüge bergen echtes Suchtpotential! Wie bei allen Medaillen gibt es aber auch hier eine Kehrseite, denn solch butterweiche Abzüge verlangen nach superweichen Zündhütchen wie das Federal 100 und verdauen somit fast ausnahmslos Handladungen. Natürlich können die Abzüge mit Abstrichen im Abzugsgewicht auch für "Standard-Zündhütchen" eingestellt werden, so dass Schützen, die keinen Zugang zu Handladungen haben, auf solch eine Waffe nicht verzichten müssen.
Die Trommelausgänge maßen alle gleichmäßige 9,10 Millimeter; ein augenscheinliches Längsspiel der Trommel war erwartungsgemäß nicht festzustellen. Auch das seitliche Trommelspiel war auf das Minimale beschränkt. Der überlange Nill-Holzgriff des S&W 686 Revolver von Merkle Tuning ist ebenfalls der Bianchi-Cup-Schießpraxis geschuldet, denn um das X aus der Zielscheibe in Grabsteinform zu nageln, wird auf manchen Distanzen oft im liegenden Anschlag agiert und so kann der Griff perfekt am Boden oder auf der Schießmatte abgestützt werden.
Unsere Testwaffe war mit einem großen Aimpoint Comp C ausgerüstet, das angesichts der aktuell angesagten, röhrenlosen Minileuchtpunktvisiere "Old School" wirkt. Es bietet aber nichtsdestotrotz ein großes Sichtfeld und zudem einen bestechend kreisrunden Punkt. Als Schnittstelle dient eine spezielle "Stick Shift"-Montage, durch die sich das Leuchtpunktvisier im Winkel zur Laufachse verstellen lässt. Damit lässt sich das Vorhaltemaß bei der laufenden Scheibe leicht und wiederholgenau kompensieren, um besser das Zentrum zu treffen. Alles in allem ein sicherlich sehr spezialisierter Revolver, der auch in einem Science-Fiction-Film mitspielen könnte. Die Verarbeitung und Qualitätsanmutung waren hingegen sehr solide und bodenständig. Wir machten uns auf zum Schießstand.
Der S&W 686 Bianchi Revolver auf dem Schießstand
Zur Anwendung kamen eine Fabrikpatrone und sieben Handladungen in .38 Special und .357 Magnum. Die Geschossgewichte lagen dabei von 110 bis 180 Grains, deckten also nahezu den ganzen Bereich ab, den die .38 Special/.357 Magnum zu bieten hat. Das beste Ergebnis unserer Handladungen bei der klassischen Prüfmethode mit zwei vollen Trommelladungen lieferte dann das 125 Grains H&N Wadcutter-Geschoss mit hexagonalem Hohlboden hinter 4,0 Grains Vihtavuori N320 ab. Die Gruppe in der Pappe maß 24 Millimeter von Schusslochmitte zu Schusslochmitte.
Auch wenn beim Bianchi Cup mit einem Faktor von gerade einmal 120 keine Magnumladungen benötigt werden, wollten wir trotzdem diesen Bereich einmal unter die Lupe nehmen. Nicht zuletzt auch, um zu sehen, wie gut der kurze Drall mit den schweren 180-Grains-Geschossen zurechtkommt. Wir wurden nicht enttäuscht. Die Handladung mit dem 180 Grains GECO Hexagon-Geschoss und 7,4 Grains Hodgdon Longshot stanzte eine 25-Millimeter-Gruppe in die Pappe.
Den dritten Platz teilten sich die Hornady American Gunner mit 125 Grains XTP-Geschoss, sowie unsere Handladung mit dem 125 Grains H&N Wadcutter-Geschoss und 4,2 Grains Hodgdon Titegroup mit 30 Millimeter. Es sei angemerkt, dass sich mit der Hornady American Gunner Fabrikmunition ein Zündversager ereignete, was nicht verwunderte, da der Abzug auf die superweichen Federal Zünder eingestellt wurde. Schade, dass sich das leichte 110 Grains Hornady XTP-Geschoss hinter 5,2 Grains Hodgdon Titegroup einen Ausreißer leistete, denn elf Schuss lagen auf traumhaften 18 Millimeter zusammen (Komplettstreukreis maß 32 Millimeter).
Unser Versuch, das eigentlich für die Pistole konzipierte 125 Grains Hornady HAP-Geschoss in den Revolver zu implantieren war leider nicht von Erfolg gekrönt. Durch den engen Polygonlauf sollte es eigentlich ausreichend Führung erhalten. Vielleicht lag es aber an der zu geringen Geschwindigkeit, trotz Maximalladung, die nicht überschritten werden sollte. Durchaus denkbar ist auch, dass die rund 9,02 Millimeter messenden Geschosse durch den von der CIP vorgeschriebenen, weiten Trommelausgang von 9,10 Millimeter nicht so gleichmäßig in den Übergangskonus geführt wurden. Das müsste man mit weiteren Versuchen noch einmal abschließend klären.
Wiederlader sollten darauf achten, dass das "dünne" Pistolengeschoss in der .38-Special-Hülse guten Halt findet. Dickwandige Hülsen und/oder eng kalibrierende Kalibriermatrizen sollten hier Anwendung finden. Das schlechteste Ergebnis lag gerade einmal bei 56 Millimeter, genau die Hälfte aller Laborierungen lag bei 30 Millimeter oder darunter. Der Durchschnitt aller Laborierungen lag deshalb auch bei 35 Millimeter. Sicherlich ein respektables Ergebnis.
Da der Bianchi Cup auch auf Schussdistanzen bis 45 Meter ausgetragen wird, sollte eine Schussleistungsüberprüfung auf der 50-Meter-Distanz natürlich nicht außen vor bleiben. Wie auch auf der 25-Meter-Distanz erreichten hier die H&N Laborierungen mit dem 125 Grains Wadcutter-Geschoss das beste Ergebnis von 42 beziehungsweise 36 Millimeter ohne einen Ausreißer. Auch der zweite Platz auf der "Kurzdistanz" wiederholte sich auf 50 Meter mit dem 180 Grains GECO Hexagon-Geschoss und 42 Millimeter. Den dritten Rang belegte die Hornady American Gunner Fabrikpatrone mit 45 Millimeter. Hier lag der Schnitt bei 58 Millimeter, sodass ein Wettkämpfer noch ausreichend Spielraum hat, um das kleine "X" der Bianchi-Scheibe auch noch auf 45 Meter halten zu können. Wer sich eingehender mit dem Bianchi Cup, seinen Waffenklassen, Reglements und Übungen befassen möchte, findet alle Informationen auf der Webseite des Bundes Deutscher Militär- und Polizeischützen.
Technische Daten und Preis des S&W 686 Bianchi Revolver in Kaliber .357 Magnum von Merkle Tuning
Modell: | S&W 686 Bianchi Revolver |
Hersteller: | Merkle Tuning |
Kaliber: | .357 Magnum |
Trommelkapazität: | 6 Patronen |
Lauflänge/-profil: | 170 mm-12-Flächen-Polygon |
Dralllänge/Zug-Felddiameter: | 1-300 mm/keine Messung |
Trommelllänge/Durchmesser: | 41,6 mm/39,6 mm |
Trommelspalt: | 0,10 mm |
Trommelausgang: | 9,10 mm |
Visierung: | Aimpont Comp C (Kundenwahl mit Stift-Shift-Montage) |
Abzugssystem/-gewicht*: | DA Only: 2.288 - 2.329 Gramm, Mittelwert: 2.393 Gramm |
Gesamtgewicht: | 1.790 Gramm |
Maße (HxBxL) in mm: | 339 x 64 x 234 |
Preis: | rund 4.000,- Euro (ohne Montage und Aimpoint Comp C) |
* Mittel aus 10 Messungen mit dem Trigger Scan System
Unser Fazit zum S&W 686 Bianchi Revolver von Merkle Tuning
Auch wenn der vorliegende Bianchi-Revolver von Merkle Tuning sicherlich sehr speziell ist, zeigt er doch auf, welche handwerklichen Fähigkeiten und welche Schussleistung in ihm stecken. Eine Sportwaffe eben, die genau auf eine Disziplin respektive auf seinen Benutzer zugeschnitten wurde. Sicherlich wird sein zukünftiger Besitzer viel und vor allen Dingen lange Jahre Freude an ihm haben. Die hier vorgestellte Testwaffe kostet ohne Stick-Shift-Montage und Leuchtpunktvisier etwa 4.000,- Euro.
30 Jahre Merkle Tuning – Eine Erfolgsbilanz
Wie so oft, fängt alles klein und bescheiden an. Im April 1990 eröffnet Ralf Merkle in der Schillerstraße in Backnang unweit der Landeshauptstatt Stuttgart sein erstes Ladengeschäft. Anfänglich findet man neben Jagd- und Sportwaffen auch freie Waffen und Jagdtextilien. Im August 1999 erfolgte dann der Umzug in die Spinnerei 44, die mehr Verkaufsfläche und Parkmöglichkeiten bot und auch heute noch der Firmensitz ist. Zeitgleich entstand der neue Firmenname "Merkle Tuning" und freie Waffen und Textilien verschwanden aus dem Angebot.
Neben den in Eigenregie gefertigten Kurzwaffen standen auch immer sehr viel Servicearbeiten an fremden Waffen auf dem Programm. Somit dürften in den letzten drei Dekaden eine hohe vierstellige Anzahl an Revolvern durch die Hände von Ralf Merkle gegangen sein. Aus Gründen des kundenorientierten Services werden grundsätzlich alle angebotenen Waffen fachkundig kontrolliert und probegeschossen. Nur rund 20 Waffen konnte der Büchsenmachermeister und S&W Club 30 Pionier pro Jahr in Eigenregie bei entsprechenden Lieferzeiten als Komplettumbauten anfertigen.
Verstärkung erhielt er 2013 durch seinen Sohn Tim, der drei Jahre später auch die Meisterprüfung ablegte. Somit steht im Familienbetrieb schon die nächste Generation in den Startlöchern. Zudem kann man sich seit letztem Jahr auch zu den Büchsenmachern zählen, die Auszubildenden einen Berufsanfang gewähren. Die Nachfrage ist größer als das Angebot und über leere Auftragsbücher kann sich Merkle Tuning nicht beklagen. Die Tuningrevolver aus der schwäbischen Kleinstadt sind bei ambitionierten Trommeldrehern aus dem In- und Ausland hoch geschätzt. Somit wünschen wir Merkle Tuning noch viele weitere erfolgreiche Jahre!
Weitere Informationen zu den Custom Revolvern von Merkle Tuning finden Sie auf der Webseite des Büchsenmachers.
Über Tuningmöglichkeiten und komplette Premiumwaffen können Sie sich beim Club 30 informieren.
In diesem Artikel stellen wir Ihnen den Club 30 vor.
Dieser Test erschien zuerst in der caliber 9/2020. Das Heft kann im VS Medien-Onlineshop erworben werden. Es ist auch digital als e-Paper verfügbar. In beiden Ausgaben finden Sie auch eine Tabelle mit den Schießergebnissen und das Abzugsprofil des Revolvers von Merkle Tuning im Detail.