Die Entwicklungshistorie der P210 in all ihren Varianten, begann im Prinzip mit der Lieferung der dänischen Armeepistole M49 im August 1948. Ob und wann die Geschichte der präzisesten Dienstpistole des Planeten endete, darüber lässt sich trefflich streiten beziehungsweise ist eine Frage der Perspektive. Denn für Anhänger der P210 aus Schweizer Fertigung erklang der Schlussakkord bereits 2006, als die SIG beziehungsweise SAN Swiss Arms in Neuhausen am Rheinfall die Produktion nach knapp 60 Jahren einstellte. Noch heute werden die wertstabilen Pistolen aus der Schweiz von der P210-1 bis zur P210-7 im Kaliber .22 Long Rifle für gute Kurse auf dem Gebrauchtwaffen- und Sammlermarkt gehandelt. Zur Freude vieler Großkaliberpistolen-Enthusiasten erlebte der Klassiker im Jahr 2010 eine Renaissance, als SIG Sauer in Eckernförde die Produktion wieder aufnahm. Hierbei flossen auch direkt einige sinnvolle Modifikationen in die Serienproduktion ein. Das massivere "Heavy Frame"-Griffstück gehörte nun ebenso wie der langgezogene Griffsporn, der vor dem berühmt-berüchtigten Hammerbiss der P210 schützt, zur Standardausstattung der neuen, deutschen SIG Sauer P210 Legend (siehe auch in caliber 6/2010).
Auch das Finish wurde der Zeit entsprechend angepasst. Statt einer Brünierung gab es nun eine QPQ-Beschichtung. Neben der P210 Legend mit 120 Millimeter Lauflänge, starrer Visierung und linksseitigem Sicherungshebel oberhalb des Magazinauslöseknopfs erblickte ein Jahr später die P210 Supertarget mit 152 Millimeter Lauflänge, Mikrometervisierung und ergonomisch besserem Sicherungsflügel nach 1911er-Bauart das Licht der Welt. Mit der bedauerlichen Schließung des SIG Sauer Werkes in Eckernförde, Schleswig-Holstein, im Sommer 2020 ging dann die Dekade der deutschen P210-Fertigung zu Ende.
SIG P210 Target – die P210 aus Amerika
Es war schon eine große Überraschung, als der Riese von der Ostküste 2017 erstmals eine P210 aus US-amerikanischer Fertigung zeigte. Weil in den USA die 6“/152 mm Sportpistolen nicht den Stellenwert genießen wie bei uns, hat man bis heute nur die ursprüngliche Ausführung mit 120 Millimeter Lauflänge in die Produktion aufgenommen. "Ursprünglich" ist hier aber relativ zu sehen, denn selbst zur geänderten SIG Sauer P210 Legend aus deutscher Fertigung gibt es doch ein paar entscheidende Änderungen.
Veränderte Verriegelung der SIG P210 Target aus US-Fertigung
Der technisch weitgehendste Eingriff in die klassische Konstruktion ist die Veränderung des Verriegelungssystems. Denn die originale P210 verriegelt wie weitere Pistolenklassiker wie Colt Government 1911-A1 oder FN Browning High Power mit zwei Riegelwarzen in korrespondierenden Gegenlagern des Verschlusses, während die amerikanische P210 Target wie nahezu alle modernen Dienstpistolen auf dem Markt mit dem Browning-Petter-SIG-System arbeitet, bei dem ein eckig gestaltetes Patronenlager im Auswurffenster des Verschlusses verriegelt. Die geschlossene Steuerkurve der originalen P210 wurde beibehalten. Bei unserer Testwaffe waren die Hauptbauteile sehr toleranzarm aufeinander angepasst. Die Umstellung auf das neue System erfolgte aus Gründen der Effizienz, denn es lässt sich in der Produktion günstiger realisieren.
Sig Sauer P210 aus US-Fertigung: gefällige Bedienung
Gut gefallen hat uns die Übernahme des großzügig dimensionierten, einseitigen Sicherungsflügels nach 1911er-Bauart der deutschen SIG Sauer P210 Supertarget, der weitaus ergonomischer als das schweizerische, originale Bedienelement oberhalb des Magazinknopfes ist. Wahrscheinlich hat man bei SIG Sauer USA diese Flügelsicherung gewählt, damit sich die vielen amerikanischen 1911/2011 Nutzer nicht umstellen müssen. Nach unserem Geschmack ebenfalls ein gelungenes Ausstattungsmerkmal ist es, dass man der kurzen P210 Target auch gleich ein verstellbares Mikrometervisier mit einem grünen Fiberkorn spendiert hat. Auch die nach unten verlängerten Holzgriffschalen, die vom kalifornischen Hersteller Hogue stammen, stehen der P210 aus New Hampshire recht gut. Schützen mit großen Händen werden dieses Ausstattungsdetail zu schätzen wissen, denn grundsätzlich ist das P210-Stahlgriffstück recht kurz geraten. Aufgrund des anderen Konturenverlaufs des Beavertails dürften die für die SIG 210 Legend/Supertarget angebotenen Griffschalen nicht passen. Die einreihigen Stahlblechmagazine mit einer Kapazität für acht 9x19-Patronen aus deutscher Fertigung beziehungsweise vom italienischen Hersteller Mec-Gar kann man bedenkenlos verwenden. Auch der Abzug entspricht der typischen P210-Charakteristik. Auch wenn die Messungen nicht gerade begeisternde 2.068 Gramm ergaben, muss man doch zur Ehrenrettung sagen, dass rund 1.300 Gramm auf den Vorzug entfallen und somit nur rund 700 Gramm ausgelöst werden müssen. Der Weg bis zum Auslösen ist recht kurz und bei dem spitzen Verlauf ist auch nicht genau vorhersehbar, wann der Abzug genau bricht. Mit einer Spannweite von 68 Gramm bei 10 Messungen fallen die Differenzen beim Abzugsgewicht angenehm gering aus.
Praxis-Test: Auf dem Schießstand mit der SIG Sauer P210 Target
Zehn verschiedene Munitionssorten mit Geschossgewichten von 100 bis 147 Grains sollten klären, ob die SIG 210 Target aus US-Fertigung in die Fußstapfen ihrer berühmten Vorgänger aus Europa treten kann. Unsere Erwartungen waren als typisch deutsche Präzisionsfanatiker recht hoch, wobei man bedenken muss, dass durchschnittliche US-Amerikaner kulturell bedingt nicht so hohe Ansprüche an die Schussleistung stellen. Wie dem auch sei, das beste Ergebnis von 36 Millimetern erreichten wir mit unserer Handlaborierung, bestehend aus 4,3 Grains Vihtavuori N320 und 115 Grains Hornady Action Pistol (HAP)-Geschoss. Kaum schlechter war die erschwingliche Fabrikmunition GECO 124 Grains Vollmantel mit einer 39 Millimeter messenden Schussgruppe. Die Hälfte aller Laborierungen lag unter der 50-mm-Grenze.
Technische Daten und Preis: Die SIG Sauer USA P210 Target
Hersteller: | SIG Sauer |
Modell: | 210 Target |
Kaliber: | 9 mm Luger |
Magazinkapazität: | 8 Patronen |
Griffstück: | Stahl |
Verschluss: | Stahl |
Lauflänge, Laufprofil: | 122 mm, 6x F-Z |
Zug-Felddiameter/Dralllänge: | 9,06-8,84 mm/k.A. |
Kimme: | 3,2 mm, Mikrometer |
Korn: | 3,5 mm, geriffeltes Rampenkorn mit grünem Fiberstab |
Visierlänge: | 180 mm |
Sicherung: | einseitige Drehhebelsicherung am Griffstück |
Abzugssystem, -gewicht – Spannweite*: | SA, Mittelwert 2.068 Gramm – 68 Gramm |
Zündverzugszeit*: | keine Messung |
Gesamtgewicht (inkl. Magazin): | 1.091 Gramm |
Maße (LxBxH): | 214x50x148 mm |
Extras: | Hartschalenkoffer mit Reservemagazin |
Preis: | 2.349,- Euro |
Anmerkungen: | *Mittel aus 10 Messungen mit dem Trigger Scan System. |
Unser Test-Fazit: Die P210 Target aus USA
Die SIG P210 Target aus US-Fertigung mit einem modifizierten Verriegelungssystem und in der Ergonomie durchaus verbesserten Ausstattungsmerkmalen kann hinsichtlich des Schussleistungsniveaus nicht ganz an die Tradition der Klassiker aus europäischer Produktion anknüpfen. Dennoch erhält man eine grundsolide, hübsch gemachte Ganzstahlpistole, mit der man mit ausgesuchter Munition stets die 10 halten kann. Insofern kann man den Preis von 2.349 Euro als gerechtfertigt ansehen.
Das hat uns gefallen: | Das fanden wir weniger gut: |
Ergonomische Sicherung | Schussleistung etwas unterhalb der europäischen Modelle |
Solide Fertigung | |
Schöne Optik | |
Präzision gut |
Dieser Artikel ist auch in der caliber 11-12/2021 erschienen. Dort finden Sie auch alle Schießtest-Ergebnisse in der praktischen Tabelle. Das Heft ist im VS Medien-Shop auch als e-Paper verfügbar.
Weitere Information über die Waffen des Herstellers bekommen Sie auf der Seite von SIG Sauer.