Zweifelsohne ist das großkalibrige P322-Vorbild in Gestalt der SIG Sauer P320 die wohl wandelbarste Dienstpistole der Welt. Durch ihre in einem Edelstahlgehäuse gekapselte Abzugseinheit mit integralen Schlittenführungsschienen (FCU; Fire Control Unit) lassen sich die Polymergriffstücke in allen Größen und Farben ohne waffenrechtliche Hürden erwerben und so dem gewünschten Anwendungszweck anpassen. Von der kompakten Pistole zum verdeckten Führen bis zur sportlichen 5“-Version ist alles möglich. Zudem hat man mit der SIG Sauer P320 X-Five Legion eine komplette Pistole beziehungsweise ein Wechselgriffstück im Programm, das durch seine Symbiose aus langkettigem Polymer- und Wolframpulver mehr Gewicht in die Waagschale werfen kann. Hinzu gesellt sich die P320 AXG Pro mit einem Leichtmetallgriffstück. Wir wagen einen Blick in die Glaskugel und vermuten, dass es bald ein P320-Stahlgriffstück geben könnte, denn von Leichtmetall zu Stahl ist der Weg nicht mehr weit. Neben den verfügbaren Kalibern .45 Auto, .40 S&W und 9 mm Luger hat man mit der brandneuen P320 X-Ten der gerade in den USA wieder boomenden 10-mm-Auto eine neue Plattform gegeben. Weitaus interessanter und erfolgreicher dürfte aber das "Downsizing" der P320 für die beliebte Randfeuerpatrone .22 L.R. sein – und dazu passt die Modellbezeichnung P322 wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge.
Was macht die SIG Sauer P322 in .22 Long Rifle so besonders?
"Downsizing" ist nur im allgemeinen Sinne zu verstehen, denn die Technik der P322 unterscheidet sich natürlich deutlich von der P320. Statt des formschlüssigen Browning-Petter-SIG-Verriegelungssystems der großkalibrigen Zentralfeuerpistole besitzt die Randfeuerpistole einen kraftschlüssig verriegelnden Massenträgheitsverschluss mit einem am Griffstück fixierten Lauf. Die den Lauf ummantelnde Verschlussfeder wird durch die Laufgewinde-Schutzkappe gesichert, sodass sie bei der Demontage und der Abnahme des Schlittens nicht abspringen kann. Mit einem mitgelieferten Gewindeadapter können somit Schalldämpfer mit ½“-28-Gewinde montiert werden, was in unseren Breitengraden aber in den meisten Fällen ein Wunschgedanke bleibt. Der Aluminiumverschluss weist einen eingesetzten, stählernen Stoßboden auf, der auch zur Aufnahme des Zündstifts und seiner Sicherung dient. Das Polymergriffstück mit großer Auskehlung am Übergang der Rahmenfront zur Abzugsbügel-Unterseite gefällt trotz der hohen Magazinkapazität durch eine gelungene Ergonomie, wobei die dezente Oberflächenstruktur ausreichend Grip bietet. Die manuelle Flügelsicherung und der Verschlussfanghebel der P322 sind auf beidseitige Bedienung ausgelegt, zudem lässt sich der Magazinauslöser von links nach rechts platzieren. Ein Abzugsschuh ist im Lieferumfang enthalten, sodass sich die kurvige Abzugszunge in einen geraden Abzug verwandeln lässt.
Der Abzugsschuh besitzt an seinem Ende eine kleine Nase, sodass der Abzugsfinger stets sicher positioniert werden kann. Das gemessene Abzugsgewicht des Schlagbolzenschlosses betrug um die 1.560 Gramm, was für solch eine KK-Pistole ein durchaus guter Wert ist. Doch nun zu den sprichwörtlichen Rosinen im Kuchen: Was die SIG P322 von vielen Mitbewerbern unterscheidet, ist zum einen das 20 Patronen fassende Magazin und zum anderen die Möglichkeit, ein Minileuchtpunktvisier direkt auf dem Verschluss montieren zu können. Allerdings muss man sich als Rotpunktjäger auf das aus dem gleichen Stall stammende SIG Sauer Electro Optics Romeo Zero mit leichtgewichtigem Polymerrahmen und Kunststofflinse verlassen. Mit nur rund 14 Gramm Gewicht hat es keinen nennenswerten Einfluss auf die Kinematik der Randfeuerpistole. Bei uns gibt es das kleine Leuchtpunktvisier mit manuell einstellbarer Helligkeit in den Punktgrößen 3 und 6 MOA ab etwa 250,- Euro. Selbstverständlich ist das nur eine Option, denn ab Werk ist die P322 mit einer mechanischen, höhen- und seitenverstellbaren Visierung mit grünen Fiberstabeinlagen ausgerüstet, die durchaus praxistauglich ist. Weil wir gerade bei Optionen sind, demnächst wird es bei uns auch ein legales Magazin mit einer nochmals auf 25 Patronen erhöhten Kapazität für 59,- Euro geben.
Auf dem Schießstand mit der SIG Sauer P322 im Kaliber .22
Hersteller von .22 L.R.-Pistolen mit einteiligem Vollschlitten haben es nicht ganz einfach, ihre Waffe auf die schier unüberschaubare Munitionsvielfalt abzustimmen. Von Medium- bis zu HV-Laborierungen über differierende Geschossgewichte und -formen bis hin zu unterschiedlichsten Qualitätsstufen – bei kaum einer Patrone dürfte die Spannweite so groß sein. Hinzu addiert sich das 20er-Magazin, was bei einer Randpatrone hinsichtlich der Funktionszuverlässigkeit ebenfalls ein ehrgeiziges Projekt ist. Recherchiert man im weltweiten Netz zur neuen SIG Sauer P322, findet man auf US-Seiten und in Foren viel Negatives hinsichtlich ihrer Funktionszuverlässigkeit und des schnellen Verbleiens des Laufs. Deshalb waren wir gespannt, was die Erprobungen auf dem Schießstand offenbaren würden. In Sachen Präzision mussten sich mit 38 mm im Mittel aus zwei 5-Schuss-Gruppen die CCI Standard sowie die Mini Mag aus gleichem Hause den Sieg teilen. Danach folgte die Federal Discountmarke American Eagle mit dem 38 Grains Hohlspitzgeschoss und 44 mm. Platz Drei ging an die Aguila Standard mit einem 50-mm-Streukreis, mit der wie mit der Interceptor (64 mm Schussgruppe) aus dem gleichem Stall ein Zündversager auftrat. Zumindest beim zweiten Abschlagen waren diese Patronen dann zur Funktion zu überreden. Die Aguila Interceptor ließ mit ihren rund 340 m/s und nahezu 150 Joule schon ein bisschen Magnum-Feeling aufkommen. Ist das 20-Schuss-Magazin erst einmal gefüllt, lädt es aufgrund des geringen Munitionspreises förmlich dazu ein, in dynamischen Drills geleert zu werden. Vier Zuführstörungen gab es insgesamt im Test zu verzeichnen. Ob dies auf das Magazin zurückzuführen ist, war nicht endgültig zu klären, wir verwendeten auch das im Lieferumfang enthaltene Reservemagazin. Nichtsdestotrotz empfiehlt die Bedienungsanleitung, die Tanks zu markieren, um ein problematisches Magazin besser identifizieren zu können.
Technischen Daten und Preis der SIG Sauer P322 in .22 Long Rifle
Modell: | SIG Sauer P322 |
Kaliber: | .22 L.R. |
Magazinkapazität: | 20 Patronen |
Griffstück: | Polymer mit Stahleinlagen |
Verschluss: | Aluminium, schwarz beschichtet |
Lauflänge, Laufprofil: | 102 mm, 6x F-Z-Profil |
Zug-Felddiameter/Dralllänge: | Keine Angaben |
Kimme: | 3,7 mm, voll verstellbar, mit grünen Fiberstabeinlagen |
Korn: | 3,4 mm, mit grüner Fiberstabeinlage |
Visierlänge: | 170 mm |
Sicherung: | beidseitig Flügelsicherung, abzugsgesteuerte Schlagbolzensicherung |
Abzugssystem, -gewicht/Spannweite: | SA:1.564, 24 Gramm |
Schlosszeit: | keine Messung |
Gesamtgewicht (inkl.- Magazin): | 491 Gramm |
Maße (LxBxH): | 178x34x138 mm |
Extras: | Hartschalenkoffer mit Reservemagazin, gerader Abzugsschuh |
Preis: | 709,- Euro |
* Mittel aus 10 Messungen mit dem Trigger Scan System: |
Das Test-Fazit zur SIG Sauer P322 in Kaliber .22 L.R.
Trotz der negativen "Vorschuss-Lorbeeren" aus den USA hinterließ die SIG Sauer P322 bei uns in Test einen guten Eindruck. Ein schnittiges Design, gute Handhabungseigenschaften, beidseitige Bedienung, brauchbare Funktion und gute Schussleistung gepaart mit den besonderen Merkmalen der hohen Magazinkapazität und der eleganten Methode, ein Leuchtpunktvisier zu montieren, sprechen für das neue Ostküsten-Original. Nach rund 500 Schuss war zumindest bei unserer Testwaffe auch keine übermäßige Verbleiung des Laufes festzustellen. Allerdings ist die P322 mit einem Preis von 709,- Euro im Vergleich zu Mitbewerbern auch nicht ganz billig, dafür hat sie aber unserer Meinung nach dennoch sehr viel zu bieten. Deshalb gibt's von uns eine klare Kaufempfehlung.
Die Schussleistung der SIG Sauer P322 in .22 Long Rifle können Sie in der detaillierten Tabelle in caliber 11-12/2022 nachlesen. Das Heft können Sie auch als ePaper – im VS Medien-Onlineshop kaufen.
Weitere Informationen erhalten Sie bei German Sport Guns GmbH.