Test: SIG Sauer P320 in .45 ACP − jetzt gibt's die SIG Sauer-Pistole im beliebten US-Kaliber auch in Deutschland!

Die Baureihe P320 ist zwar erst 5 Jahre alt, aber über den kommerziellen Erfolg der Polymer-Pistole mit Schlagbolzenschloss kann sich SIG Sauer wahrlich nicht beschweren. Denn inzwischen ist die Pistole weltweit von diversen Polizeibehörden beschafft worden. Außerdem orderten alle Teilstreitkräfte der USA vor 2 Jahren zusammen insgesamt weit über 400.000 Exemplare, die dort M17 heißen und zusammen mit dem Kompaktmodell M18 die etwas in die Jahre gekommene M9 von Beretta ersetzen. Zu den Vorzügen der Pistolenserie zählt vor allem der modulare Aufbau, der dem Nutzer viele Möglichkeiten erlaubt, das Kaliber, den Griff und die Gesamtgröße der Pistole individuell anzupassen.

Das Design der SIG Sauer P320:

Stahlrahmen im Inneren des SIG Sauer P320 Griffstücks
Im Inneren des Plastikgriffs sitzt der für die SIG Sauer P320 typische Stahlrahmen. Dieser ist rechtlich das eigentliche Griffstück.

Das Markenzeichen der Baureihe P320 ist die Kombination eines Schlagbolzenschlosses mit einem modular aufgebauten Chassis. Dabei gilt der aus Stahl gefertigte Einsatz innerhalb des Kunststoffgriffes waffenrechtlich als relevantes Teil und trägt auch die Seriennummer. In ihrem Heimatland bezeichnet SIG Sauer dieses Element als "Fire Control Unit", in Deutschland nennt man das Bauteil schlicht Rahmen. Zu den wesentlichen Unterschieden gegenüber der Pistolenserie P250 zählen unter anderem der Verzicht auf einen Schlaghammer und das 320er Abzugssystem. Beim Abzug setzt man auf ein Konzept, das den Schlagbolzen bei jeder Repetierbewegung immer komplett spannt, ein seit Jahren gängiger Trend im Design von modernen Dienstpistolen. Rein technisch handelt es sich dabei um ein Single-Action-System, bei dem der Druck auf den Abzug zunächst automatisch wirkende Sicherungen deaktiviert und am Ende den Schlagbolzen freigibt. Bei diesem Prinzip können Abzugsweg, Widerstand, Rückstellweg des Züngels und ähnliche Parameter dann im Rahmen des technisch Machbaren und sicherheits- wie bedientechnisch Vernünftigen an den angedachten Einsatzbereich oder an die Vorgaben von Ausschreibungen angepasst werden. Für den Abzugsfinger fühlt sich der Trigger der P320 aber eher nach einem teilvorgespannten System mit mittellangem Abzugsweg an. Bis auf den leicht auswechselbaren Griff findet sich nicht viel Plastik an der P320. Den Zubringer und die Bodenplatte des Magazins fertigt SIG Sauer aus Kunststoff, ansonsten besteht die Pistole aus Stahl.

Neu in .45 Auto Colt Pistol − wo sind die Unterschiede zu den SIG Sauer P320 Modellen in kleineren Kalibern?

SIG Sauer P320 zerlegt
Zur Demontage der P320 braucht es keinen Druck auf den Abzug zum Entspannen. Nach Betätigen des Zerlegehebels kann das gesamte Oberteil der SIG Sauer abgezogen werden.

Im amerikanischsten aller Pistolenkaliber stellt SIG Sauer die P320 zwar bereits seit 2015 her. In Deutschland ist sie aber erst seit kurzer Zeit auch als 45er erhältlich. Das Testexemplar kam in der ausgewachsenen Standardvariante namens "Full Size" mit 119 mm langem Rohr (4,7 Zoll) komplett mit mattschwarzem Oberflächenschutz, den SIG Sauer "Nitron" nennt. Zum Lieferumfang gehören ab Werk unter anderem der Polymer-Griff in der Handgröße Medium, ein Reservemagazin sowie eine Anschuss-Scheibe.

Anders als zwischen den kleineren Kalibern 9 mm Luger, .40 S&W und .357 SIG findet sich in den USA bei den Kaliber-Wechselkits der Hinweis, dass der Einsatz eines kleinkalibrigeren Wechselsystems auf einem 45er Rahmen "nicht empfehlenswert" sei. Außerdem plant man nicht, Wechselsysteme für die 45er P320 anzubieten: Nur die austauschbaren (und frei erwerbbaren) 320er Plastikgriffe werden in diversen Größen und Ausführungen angeboten. Es finden sich wohl doch einige Unterschiede zwischen Teilen des Rahmens der 45er P320 und den Versionen in kleineren Kalibern, nicht nur der kürzere 45er Ausstoßer. Dadurch wird der Wechsel von dem größeren Chassis der .45 ACP auf etwa 9 mm Luger vermutlich nicht völlig unmöglich, aber anschließend arbeiten wohl unter anderem nicht mehr alle Sicherheitssysteme genauso, wie es der Hersteller vorgesehen hat. Insgesamt wird sich SIG Sauer USA etwas dabei gedacht haben, wenn man bezüglich eines Kaliberwechsels von .45 ACP auf kleinere Kaliber explizit abrät.

SIG Sauer P320 in rechter Seitenansicht
Ausstattungsdetails wie etwa die vorderen Spannrillen, eine Picatinny-Schiene oder beidseitig bedienbare Hebel gehören zum Grundgerüst der SIG Sauer P320.

Im Bereich Magazinkapazität muss man sich trotz doppelreihigem Magazin mit 9 Patronen bescheiden. Die beiden mitgelieferten Magazine verfügten über eine mit "10" markierte Bohrung, eine 10. Patrone ließ sich aber zumindest in den vorliegenden Magazinen auch nicht mit Gewalt unterbringen. Bei dem abgebildeten 320er Testmuster in .45 ACP stand der Abzug vergleichsweise kurz: Nach etwa 3 mm schwach belastetem Vorweg galt es auf einer Wegstrecke von weiteren 3 mm, einen gleichbleibenden Widerstand von etwa 2,5 kg zu überwinden. Ein Druckpunkt als klar tastbarer Auslösepunkt fand sich hier nicht. Der Rückstellweg des Abzugs (Reset) blieb dann insgesamt auch relativ kurz, die ersten 3 mm des gesamten Abzugsweges braucht das Züngel für eine erneute Schussabgabe übrigens nicht.

Konzeptionell orientiert sich die P320 auch abseits von Abzug und Modularbauweise an den aktuellen Standards im Pistolenbau, da macht die 45er Variante keine Ausnahme. Viel zu bedienen gibt es an der Waffe nicht, die P320 verfügt neben dem umsteckbaren Magazinauslöser noch über einen beidseitig bedienbaren Schlittenfanghebel. Allein der Demontagehebel findet sich wie üblich nur auf der linken Seite des Griffstücks. Zum Zerlegen braucht es keinen Druck auf den Abzug. Das kurze, aber wohlgeformte Beavertail-Griffhorn verhilft genauso wie die feine, aber rutschfeste Anrauung des Griffbereichs zu einer subjektiv sehr guten Handlage. Die Visierung aus Stahl entspricht in Material, Abmessungen und Visierbild den üblichen Anforderungen an eine moderne Verteidigungswaffe. Bei schlechten Lichtverhältnissen helfen drei weiße Dämmerungsmarken in Punktform bei der Zielaufnahme. Im Bereich Verarbeitung gab es nur wenig zu kritisieren. Der Lauf zeigte verriegelt im Bereich des Patronenlagers leicht fühlbares seitliches Spiel, vorn an der Mündung saß das Rohr aber bombenfest im Verschlussgehäuse. Letzteres fertigt SIG Sauer übrigens aus Edelstahl, genau wie den Rahmen. Das Spiel des Verschlusses auf seinen Führungsschienen war klar zu ertasten, aber für eine moderne Dienstpistole vergleichsweise gering und auch beim Schütteln nie hörbar. Das Finish von Metall und Polymer wirkte insgesamt sehr akkurat, auch im Inneren der Pistole fanden sich dabei keine hässlichen Werkzeugspuren.

Technische Daten und Preis der SIG Sauer P320 in Kaliber .45 ACP:

Modell:SIG Sauer P320
Preis:829,- Euro (UVP Deutschland inkl. MWSt.)
Kaliber:.45 ACP
Kapazität:10+1 Patronen
Maße (LxBxH):203 x 33 x 140 mm
Lauflänge:119 mm
Visierlänge:165 mm
Ausschnitt Kimme:3,9 mm
Kornbreite:3,7 mm
Abzugsgewicht:2.550 g
Gewicht:890 g
Ausstattung:Modular aufgebautes Griffstück mit Stahlrahmen und auswechselbarem Polymergriff, seitlich driftbares Stahlvisier, Nitron-Beschichtung.

Mit der neuen SIG Sauer P320 in .45 ACP auf dem Schießstand:

SIG Sauer P320 Kimme
Das mit weißen Punkten ausgestattete Visier der SIG Sauer P320 besteht aus Stahl. Es lässt sich seitlich durch Driften justieren.

Handhabungstechnisch machte die Testwaffe einen rundum sympathischen Eindruck. Der Magazinauslöser wie auch der Verschlussfanghebel waren vom Daumen einfach zu erreichen, aber bei einem konventionellen beidhändigen Anschlag mit beiden Daumen zur Mündung weisend ansonsten gerade noch weit genug entfernt, dass man die Bedienelemente nicht aus Versehen betätigt.

Die Handlage entspricht aufgrund des schlanken Magazins und ebenso schmal gehaltenen Griffes eher einer gängigen Neun Para-Pistole als einer typischen 45er mit zweireihigem Magazin. Das Testexemplar warf die abgefeuerten Hülsen ausnahmslos sehr schwungvoll aus. Dabei repetierte die P320 auch schwächste Fabrikpatronen immer zuverlässig, selbst im Dreifingergriff mit extraschlapp gehaltener Pistole. Das Schussverhalten blieb trotz des für eine 45er im Dienstformat relativ geringen Gewichtes angenehm sanft. Der Hochschlag fiel merklich stärker aus als etwa bei einer Pistole in 9 mm Luger, aber das Rückstoßverhalten blieb auch beim Verschießen von +P-Munition gut kontrollierbar. Der Abzug der 45er konnte auf dem Schießstand sowohl in schnellen Schussreihen als auch beim gemütlichen Scheibenschießen überzeugen. Für ein Abzugssystem mit mittellangem Weg, welches ohne weitere manuelle Sicherungen auskommt, schoss sich die P320 out of the box prima. Für den rein sportlichen Einsatz wäre ein trockeneres Auslösen wünschenswert, genau wie ein verstellbares Matchvisier. Für den Wettkampf wurde diese Version aber nicht entwickelt und alternativ baut SIG Sauer ja auch die P320 als X-Five für den Sportsektor.

Unser Test-Urteil − so beurteilen wir die SIG Sauer P320 in .45 ACP:

Angesichts der ansprechenden Schussleistung und sauberen Verarbeitung erscheint auch die 45er Variante der P320 als gute Wahl für alle, die sich für eine ausgewachsene Polymer-Pistole im alten US-Ordonnanzkaliber interessieren. Zudem leistet sich P320 auch konzeptionell durch die sichere Zerlegbarkeit und den modularen Aufbau mit anpassbarem Griffbereich keine Schwächen. Und wer weiß: Vielleicht gelingt ja zukünftig noch der Kunstgriff, das modulare Baukastensystem der P320 in 9 mm, .357 SIG und .40 S&W auch komplett auf die 45er Modelle auszuweiten.


Weitere Informationen zur P320 in .45 ACP erhalten Sie auf der Homepage von SIG Sauer.

Den kompletten Testbericht mit allen Schießergebnissen lesen Sie in der VISIER 12/2019. Diese Ausgabe ist − auch digital − im VS Medien-Shop zu erwerben.

Hier finden Sie den Test der SIG Sauer P320 X-Five in 9 mm Luger.

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