Sturm, Ruger & Co. – der Name steht seit 1949 in erster Linie für Waffen, die für kleines Geld viel zu bieten haben. Um das in die Tat umzusetzen, sind zum einen rationelle Fertigungsmethoden und zum anderen eine nicht zu ausufernde, auf Stückzahlen ausgelegte Modellpolitik nötig. Aufgrund dieser Unternehmensphilosophie dürfte die Gründung eines elitären Custom Shops nicht ganz oben auf der Prioritätenliste des Unternehmens mit dem roten Falken als Logo gestanden haben. Laut AFMER (Annual Firearms Manufacturing and Export Report) fertigte RUGER im Jahr 2017 genau 172.102 Revolver und 781.623 Pistolen. Die Fertigung in großen Stückzahlen scheint man also zu beherrschen, wie sieht es aber mit Kleinserien aus dem jungen Custom Shop aus?
Das ist der RUGER Custom Shop:
Alles begann am 12. Oktober 2018, denn an diesem Tag verließ die erste SR 1911 Competition den Mastershop. Den Stein ins Rollen gebracht haben dürfte die Unterzeichnung des Sponsorenvertrages mit dem 18fachen NRA Bianchi-Cup-Champion Doug Koenig. Der als weltbester Allroundschütze bekannte Mann aus Pennsylvania gewann unter anderem die IPSC-Weltmeisterschaft 1990 und unzählige weitere prestigeträchtige Titel. Seine Erfahrung, basierend auf jahrelangem, hartem Training und vielen Siegen, ist für den Großserienhersteller bei der Produktion feiner Custom-Shop-Waffen sicherlich sehr hilfreich. Denn gerade im Marktsegment der sportlichen Matchwaffen hat sich RUGER bisher immer recht schwer getan. Handverlesene Ingenieure und Büchsenmacher sollen zusammen mit den beratenden Tätigkeiten von Doug Koenig die vielversprechende Grundlage für den Erfolg der Modelle aus dem jungen, hauseigenen Custom Shop schaffen. 3 Säulen bilden dabei das derzeitige Angebot, bestehend aus dem Revolver Super GP 100 Competition, der Pistole SR 1911 Competition Doug Koenig sowie dem Kleinkaliber-Selbstladegewehr 10/22 in 3 Ausführungen.
RUGER SR 1911 Competition in 9 mm Luger
Sicherlich darf man gespannt sein, wie eine 1911er aussehen mag, die auf Ideen von Doug Koenig beruht. "Weniger spektakulär, dafür aber an alles Wichtige gedacht", könnte man es kurz auf den Punkt bringen. Das schlanke Griffstück aus Stainless-Steel für die Aufnahme einreihiger Magazine ist weder mündungslang noch mit einem massiven Dustcover versehen. Die schwarze Beschichtung erhält es durch eine Nitrierbehandlung, ebenso wie Kleinteile und Verschluss. Auf der Vorder- und Rückseite befindet sich ein feines 25 lpi (lines per inch) Checkering. Für Griffigkeit im Schuss sorgen vor allem aber auch die G-10-Griffschalen mit einer nicht aggressiven Oberflächenstruktur und Falken-Logo. Der Übergangsbereich von Rahmenfront und Abzugsbügelunterseite wurde dort, wo der Mittelfinger anliegt, ebenso wie die Handballensicherung (High Grip Beavertail), maximal weit ausgekehlt, um die Waffe tief in die Hand sinken zu lassen. Eine beidseitige Sicherung ist natürlich auch mit von der Partie und weist auf der rechten Seite sogar etwas mehr Auflagefläche auf.
Die Seiten des Verschlusses sind blank geschliffen und verfügen im hinteren und vorderen Bereich über handhabungsfreundliche Greifrillen. Das Mikrometervisier mit quergeriffeltem Visierblatt korrespondiert gut mit dem Rampenkorn mit grünem Fiberstabeinsatz. Bei der klassisch gestylten 1911 entdeckt man natürlich auch eine Laufführungsbuchse (Barrel Bushing) im Mündungsbereich des Laufes. Im Gegensatz zum Lauf der SR 1911 Target mit "europäischem" 1-10"-Drall verwendet man bei der SR 1911 Competition einen Lauf mit längerem 1-16" Drall. Dieser soll auch bei Verwendung von Laborierungen mit leichteren Geschossen eine bessere Präzision bringen. Unter dem Lauf befindet sich eine lange, einteilige Federführungsstange. Der Abzug brach sehr sauber bei rund 1.850 g. Absolut gesehen, sicherlich kein Spitzenwert und auch der amerikanischen Produkthaftung geschuldet, ist er in Wirklichkeit viel besser. Wie im Triggerscan gut sichtbar, werden im Vorzug über eine Strecke von etwa 1 mm schon rund 850 g aufgebraucht. Von dort aus geht es dann recht schnell auf den Maximalwert, sodass dann nur noch rund 1.000 g für die Schussauslösung zu überwinden sind. Ob man eine gerade oder eine konkav-runde Abzugszunge bevorzugt, ist eine Frage persönlicher Präferenzen. Es soll Schützen geben, die das Abzugsgewicht am geraden Abzugszüngel als niedriger empfinden.
Der einst von Evolution Gun Works (EGW) für Doug Koenig entwickelte "Low Mass"-Hammer hat durch 2 Bohrungen und einen partiellen Längsschnitt viel Masse verloren. Das soll zum einen eine schnelle Zündverzugszeit und weniger Bewegung in die Waffe beim Abschlagen bringen. Mit von uns gemessenen 5 ms Zündverzugszeit gehört er sicherlich zu den schnelleren Vertretern der außenliegenden Schlagelemente. Ob die geringere Masse beim Abschlagen auch weniger Unruhe im Schuss bedeutet, wäre theoretisch plausibel aber nicht so einfach zu bestätigen oder zu widerlegen. Selbstredend sind die weiteren Abzugsteile wie der Abzugsstollen aus hochwertigem Stahl gefertigt und stammen vom renommierten US-Hersteller Cylinder & Slide Inc. Der aus Aluminium gefertigte Magazintrichter von TechWell hilft beim schnellen Einführen der 10 Patronen fassenden Magazine. Mit knapp 35 mm Breite entspricht er sowohl dem USPSA Single Stack als auch dem IPSC Classic Regelwerk. Zwei der mit Kunststoffböden versehenen Edelstahlmagazine liegen dem hochwertigen Transportkoffer bei. Ganz günstig ist der neueste Spross aus dem Custom Shop allerdings nicht. Bei uns kostet die SR 1911 Competition 2.995,- Euro. Die Variante in 45 Auto, die zudem ohne Jetfunnel daherkommt, ist für 100,- Euro weniger zu bekommen.
RUGER Super GP 100 in .357 Magnum
RUGER hatte es nie ganz leicht, mit seinen Revolvern gegen die Dominanz von Smith & Wesson anzutreten. Wettkampffähige Modelle ab Werk waren eher rar und auch die Büchsenmacher- und Tuningszene hatten sich stets mehr auf Smith & Wesson fokussiert. Jetzt hat RUGER mit dem Super GP 100 Competition die Karten, zumindest bei den hauseigenen Custom-Revolvern, neu gemischt. Der Beiname "Super" rührt dabei von der wuchtigen, rund 45 mm dicken Trommel her, die 8 der leistungsfähigen .357 Magnum- und natürlich auch der weicheren .38 Special-Patronen fassen kann. Damit hätte der Super auch schon genug Potential um auch in dynamischen Disziplinen wie Steel Challenge mitzumischen. Damit die Trommel entsprechend schnell nachgeladen werden kann, ist sie für Clips vorbereitet. Wer aber Zeit zum Nachladen hat und das Bestücken oder Entladen der Clips zu nervig ist, kann die Randpatronen aber natürlich auch auf konventionelle Weise in den Zylinder reinpacken. Erreicht wird dies dadurch, dass nur der Bereich des Vollmondclips auf der Stirnseite der Trommel ausgefräst ist. Die Patronenränder liegen immer noch am Außenrand auf, sodass sich hier das Gegenlager findet. Das seitliche Trommelspiel war minimalst, lediglich in Längsrichtung ließ sie sich um rund 0,1 mm verschieben. Deshalb maß der Trommelspalt zwischen 0,1 und 0,2 mm. Das trübte etwas die sonst saubere Verarbeitung und bleibt hoffentlich ein Einzelfall.
Der Trommelkran wird zudem noch über eine vordere Klinke im Rahmen verriegelt, was man aber auch von Standard GP 100 Modellen kennt. Das Ausstoßersystem ist großzügig bemessen, sodass auch die langen .357 Magnum-Hülsen weit aus der Trommel gestoßen werden. Den Rahmen fertigt RUGER nach altbekannter Manier des Wachsausschmelzverfahrens. Die mit dieser Technik einhergehenden großzügigeren Dimensionen des Feingussstahls fallen aber beim vorliegenden Super GP 100 Competition noch recht ansprechend aus. Typische Konstruktionsmerkmale wie einteiliger, geschlossener Rahmen sowie die Schraubenfeder für die Energieversorgung des Hammers sind geblieben. Wie gewohnt lässt sich die komplette Abzugseinheit als Gruppe mit dem Abzugsbügel aus der Rahmenunterseite, beispielsweise zur Reinigung, herausnehmen. Leider entdeckt man auf der Rahmenbrücke keine Bohrungen für die Montage einer Optik. Durch die im Custom Shop überarbeiteten Abzugsteile verfügt der Revolver über einen weicheren Schlossgang. Allerdings lagen die gemessenen Werte im Single-Action-Betrieb noch bei rund 1.700 g und im Double-Action-Modus bei 4.850 g.
Dem Super GP 100 Competition spendierte man im RUGER Custom Shop einen einteiligen Houge-Holzgriff im Jerry-Miculek-Design, der auf den ersten Blick glatter erscheint als sich später in der Praxis herausstellte. Die gewählte Lauflänge von 5,5"/140 mm erscheint uns als ideal, ist sie doch für dynamische Disziplinen handlich genug und offeriert in statischen Präzisionsdisziplinen ausreichend Visierlinie. Bei der Lauffertigung setzt RUGER auf die Technik des Rundknetens, besser bekannt als kalthämmern. In Europa ist diese Technik weit verbreitet, in den USA dagegen kaum, erlaubt aber eine rationelle Lauffertigung gerade gegenüber elektrochemischen Prozessen. Wer einen Blick hinein wirft, wird feststellen, dass sich eher unübliche 8 Züge und Felder mit einem 1-16"-Drall durch den Lauf winden. Die Mikrometerkimme auf der Rahmenoberseite wird durch ein Rampenkorn mit grünem Fiberstab ergänzt, das auf dem Laufmantel sitzt. Der Laufmantel wiederum weist 6 markante Ausfräsungen auf, die zur Mündung hin paarweise kürzer werden. Das mattschwarze PVD-Finish ist zeitgemäßer und resistenter als eine klassische Brünierung. Aber auch hier hat Exklusivität ihren Preis. So kostet der RUGER Super GP 100 Competition bei der Firma Henke, die uns dankenswerter Weise die Testwaffen zur Verfügung stellte, 1.977,- Euro. Ein 8-schüssiger Smith & Wesson aus dem Performance Center, wie der M&P R8 oder 327 TRR8, liegt im Preis aber auch bei 2.069,- Euro. Somit bleibt es auch immer etwas Besonderes, einen Achtzylinder zu besitzen.
Technische Daten der Kurzwaffen aus dem RUGER Custom Shop:
Modell: | RUGER SR 1911 Competition | RUGER Super GP 100 Competition |
Preis: | 2.959,- Euro | 1.977,- Euro |
Kaliber: | 9 mm Luger | .357 Magnum |
Magazin-/Trommelkapazität: | 10 Patronen | 8 Patronen |
Kimme: | Mikrometer; 3,25 mm | Mikrometer; 3,6 mm |
Korn: | 3,15 mm Targetkorn mit grüner Fiberstabeinlage | 3,15 mm mit grünem Fiberstabeinsatz |
Visierlänge: | 185 mm | 191 mm |
Sicherung: | beidseitige Drehhebelsicherung am Griffstück | |
Abzugssystem/-gewicht: | SA: 1.819-1.877 g, Mittelwert 1.849 g | DA: 4.877-4.919 g, Mittelwert: 4.852 Gramm; SA: 1.689-1.757 g, Mittelwert: 1.731 g |
Zündverzugszeit: | 5 ms | 11 ms (DA) |
Gesamtgewicht: | 1.181 g | 1.339 g |
Maße (H x B x L): | 243 x 38 x 148 mm | 278 x 45 x 158 mm |
Extras: | 2 Reservemagazine, Hartschalenkoffer | 3 Vollmondclips, Hartschalenkoffer |
Mit RUGER SR 1911 Competition und Super GP 100 Competition auf dem Schießstand:
Den Anfang bei der Schussleistungsermittlung sollte die klassische 1911 machen. Hier kamen 10 Laborierungen, darunter 3 Handladungen, im Gewichtsbereich von 115 bis 147 Grains zur Anwendung. Das beste Ergebnis erbrachte die Magtech 115 Grains JHP mit 42 mm. Funktionsstörungen traten während des Tests keine auf.
Als nächstes sollte dann der Super GP 100 Competition folgen. Bei dem Vergleich zur Schussleistung gegenüber den klassischen Sechs-Schuss-Revolvern haben die 8 Patronen fassenden Exemplare den Nachteil, dass 4 Schuss mehr in der Wertung zu berücksichtigen sind. In den meisten Fällen wird das eine etwas größere Gruppe bedeuten. Deshalb empfiehlt es sich, bei den Vergleichen von Waffen und Laborierungen auch immer andere "High-Capacity"-Revolver heranzuziehen. Diesmal sollten 10 Laborierungen, zwei .38 Special- und acht .357 Magnum-Ladungen, im Geschossgewichtsbereich von 125 bis 180 Grains zum Einsatz kommen. Trotz des im Gegensatz zum Smith & Wesson kürzeren 1-16“-Dralls lieferten unsere .38 Special-Laborierungen mit 158 Grains Geschossen keine überzeugende Präzision. Die .357 Magnum zeigte da schon ein besseres Bild. Allen voran unsere Handladung mit dem 180 Grains H&N High-Speed-Geschoss hinter 7,2 Grains Hodgdon Longshot, die es auf 34 mm brachte. Durch den geringen Rückstoß und das moderate Mündungs-/Trommelspaltfeuer schafft diese präzise Laborierung den Spagat zwischen .38 Special- und kernigen .357 Magnum-Laborierungen.
caliber-Fazit zu den Kurzwaffen aus dem RUGER Custom Shop:
RUGER hat mit dem Custom Shop sicherlich den Trend der Zeit erkannt. Der Super GP 100 Competition ist vielleicht eine interessante Alternative zu den Achtschüssern von Smith & Wesson aus Springfield. Schade nur, dass eine Montagemöglichkeit für ein Leuchtpunktvisier vom Werk aus fehlt. Die SR 1911 Competition überzeugte uns zwar hinsichtlich der exzellenten Passungen und praxistauglichen Topausstattung, blieb aber in der Schussleistung leider etwas hinter den Erwartungen zurück. Mit der richtigen Laborierungen ist sie aber dennoch voll wettkampftauglich.
Weitere Informationen zur SR 1911 Competition und Super GP 100 Competition aus dem RUGER Custom Shop finden Sie auf der Homepage von RUGER.
Den ausführlichen Test zur RUGER SR 1911 Competition und Super GP 100 Competition mit allen Schießergebnissen, Laborierungen und Tabellen finden Sie in caliber 1/2020 und im E-Paper von caliber 1/2020.