Bestimmt alles eine Frage des Geschmacks, doch angesichts all der neumodischen Sportrevolver mit unförmigen Laufgewichten, Picatinny-Montageschienen oder Mehrpositionen-Visierungen ist ein Oldtimer wie der M29 von Smith & Wesson mit seiner eleganten Silhouette eine Wohltat fürs Auge. Schließlich müssen Waffen nicht ausschließlich einem sportlichen Zweck dienen, sondern dürfen darüber hinaus einfach nur Spaß machen und Emotionen hervorrufen. Und gerade in dieser Hinsicht hat der M29 aus tiefschwarz brüniertem Karbonstahl, der als Neuauflage wieder in der Classic Series von S&W zuhaben ist und vom Fürther Großhändler WAIMEX über den "Großen Teich" geholt wird, definitiv genug zu bieten. Apropos Prominente wie Clint Eastwood & Co, wussten Sie das Frank Sinatra auch einen Smith & Wesson 29-2 sein Eigen nannte? Das gravierte Modell wurde 2013 zu einem Preis von 19.950,- US-Dollar versteigert.
Totgesagte leben länger: Unsere Geschichte zum klassischen Six Shooter aus Massachusetts beginnt da, wo sie eigentlich aufgehört hat: im Jahr 1999. Damals entschied man sich bei Smith & Wesson den 29er in seiner ursprünglichen Bauform dem Rotstift zum Opfer fallen zu lassen. Zu diesem Zeitpunkt waren brünierte Waffen nicht mehr so angesagt und die pflegeleichteren Stainless-Steel-Modelle in Form des Models 629 waren auf dem Markt erfolgreicher. Trotzdem war und ist der 29er mit dem großen N-Rahmen und halblangen Ejektorgehäuse nicht totzukriegen und erblickte immer wieder einmal als limitiertes Sondermodell das Licht der Welt. Der hier vorgestellte Klassiker mit 6,5“ (165 mm)-Lauf ist nach unserem Empfinden besonders gelungen proportioniert und die Lauflänge passt besser zur Power-Patrone .44 Magnum als die des ebenfalls bei WAIMEX im Katalog zu findenden M29 Classic Series mit 4" (102 mm) langem Lauf. Beim Herausschwenken der Trommel entdeckt man bei unserem Testmodell die Bezeichnung 29-10 auf dem Rahmen, die auf die mittlerweile zehnte Generation des Oldies aus Springfield hinweist. Hier wurde zweifelsohne Neues und Altes kombiniert. Der eckige Griffrahmen (Square Butt) wurde zurückgeholt und die Seitenplatte zur Abdeckung des Schlosses ist wie in den Anfangstagen mit vier Schrauben verschlossen. Die Schlossteile entspringen der modernen, rationellen MIM (Metal Injection Molding)-Fertigung und auch der Schlagbolzen an der Hammerstirnseite fehlt. Wie bei den modernen Ausführungen sitzt der Zündstift nun federbelastet im Rahmen. Unsere Trommel wies etwas Längsspiel auf der Achse auf, sodass der Trommelspalt 0,25 mm betrug. Die traditionelle Röllchenkimme und das Rampenkorn mit roter Einlage zählen zum klassischen Erscheinungsbild des immergrünen N-Rahmen-Revolvers. Es stellt sich natürlich immer die Frage, welchen Anspruch man an einen klassischen Smith & Wesson M29 hat. Wer versenkte Patronenränder, einen verstifteten Trommelstern oder Lauf sucht, muss in der Historie weiter zurückgehen und sich auf dem Gebrauchtwaffenmarkt umschauen. Da muss man aber auch erst einmal fündig werden und gut erhaltene Stücke gehen auch schon mal für vierstellige Summen weg.
Technische Änderungen der Smith & Wesson M29-Baureihe
Nichts ist so beständig wie der Wandel, sagte einst der griechische Philosoph Heraklit. Deshalb möchten wir es an dieser Stelle nicht versäumen, die wichtigsten Stationen in der 68-jährigen Geschichte des Smith & Wesson M29 noch einmal chronologisch aufzuführen:
Dezember 1955: Das erste Modell trägt die Seriennummer S130927 und zudem die Modellbezeichnung NT-430.
Ab 1957 heißt das Modell offiziell 29. Es folgen Lauflängen mit 4“/102 mm, 5“/127 mm und 5,5“/140 mm, wobei die beiden letzteren sehr selten und bei Sammlern heute heiß begehrt sind.
1958: die Einführung der 8⅜ “/212 mm langen Läufe beginnt.
1962: Mit der Modellbezeichnung 29-1 wird eine geänderte Ausstoßerstange eingeführt, die jetzt ein Linksgewinde trägt. Im gleichen Jahr kommt auch die zweite Generation 29-2 mit einem geänderten Trommelstopp auf den Markt.
1979: Die 6,5“/165 mm langen Läufe werden zugunsten der 6“/152 mm langen Exemplare gestrichen.
1982: Die verstifteten Läufe gehören nun der Vergangenheit an. Die Trommellänge wird von 44,2 auf 43,0 mm verkürzt. Der Silhouetten-Revolver mit überlangem 10⅝ “/270-mm-Lauf erweitert das Sortiment.
1988: Mit der Einführung des Modells 29-4 ändert sich die Schraube, die den Trommelkran fixiert, zudem werden die Nuten für den Trommelstopp modifiziert.
1991: Das lange Silhouetten-Modell wird aus dem Programm gestrichen.
1993: Das Modell 29-6 wird mit dem Hogue-Kunststoffgriff ins Programm aufgenommen.
1995/1996: Wegfall des eckigen Rahmens (Square Butt) zugunsten der abgerundeten Ausführung (Round Butt). Einige Kleinteile werden nun im kostengünstigen MIM-Verfahren hergestellt.
1997: Auch der Abzug wird nun im MIM-Verfahren hergestellt.
1998: Mit dem Modell 29-7 verliert der ebenfalls MIM-gefertigte Hammer seinen Zündstift, der nun im Rahmen sitzt.
1999: Offiziell wird das Modell 29 aus dem Produktportfolio genommen. Es folgen aber immer wieder Sondermodelle wie zum Beispiel die Heritage-Series in den frühen 2000ern
Das Modell 29 gab es in unzähligen Sonderausführungen, deren Auflistung den Rahmen dieses Beitrages sprengen würde. Wer sich mehr für die Geschichte des Smith & Wesson M29 und aller anderen Modelle des Traditionshauses interessiert, dem sei das Nachschlagewerk "Standard Catalog of Smith & Wesson" von Jim Supica und Richard Nahes wärmstens empfohlen.
Auf dem Schießstand mit dem von WAIMEX importierten Smith & Wesson M29 Classic Series mit 6½-zölligem Lauf
Für eine aktuelle Bestandsaufnahme des Leistungsvermögens wanderte der Smith & Wesson M29 Classic Series mit 6,5“-Lauf in die Ransom Rest-Schießmaschine, um mit zehn Munitionssorten in .44 Magnum, darunter drei Handladungen, mit einer breiten Geschossgewichtsspanne von 180 bis 300 Grains auf Präzision überprüft zu werden. Das beste Ergebnis mit 57 mm erreichte die Magtech 240 Grains JSP. Kaum schlechter war die CCI Blazer mit 240 Grains scherem JSP-Geschoss und Aluminiumhülse, die es auf 58 mm brachte. Den dritten Rang (60 mm) belegte unsere Handladung mit dem 300 Grains Ares-Geschoss und dem neuen Reload Swiss RS14-Treibladungsmittel, ein Pulver, das speziell für reduzierte Ladungen für großvolumige Gewehr- oder Revolverpatronen konzipiert wurde.
Es ist somit ähnlich einzustufen wie das nicht mehr erhältliche IMR Trail Boss oder das nach wie vor verfügbare N32C von Vihtavuori. Mit dieser Pulversorte lässt sich durch seine geringe Schüttdichte viel Volumen mit wenig Treibladungsmittel ausfüllen, was das Abbrandverhalten begünstigt. Mit den 180-Grains- beziehungsweise 240-Grains-Geschossen waren unsere Laborierungen, die schon an der obersten Ladungsmenge angesiedelt waren, aber zu langsam für den 1:20“-Drall (508 mm Dralllänge). Der Durchschnittswert aller Laborierungen lag bei gerade einmal 84 mm. Ob man den Klassiker aus dem mittlerweile 171 Jahre alten Traditionshaus überhaupt sportlich verwenden möchte, muss jeder für sich selbst entscheiden. Da hätte beispielsweise ein 629 mit mündungslangem Ausstoßerstangengehäuse (Full Underlug) und damit mehr Vordergewicht das ruhigere Schussverhalten aufzuweisen. Sei’s drum, in Sachen Ästhetik und Kultfaktor hat der brünierte Karbonstahlklassiker unserer Meinung nach dennoch die Nase vorne.
Technische Daten und Preis S&W M29 Classic Series
Hersteller: | Smith & Wesson |
Modell: | M29 Classic Series |
Kaliber: | .44 Magnum |
Trommelkapazität: | 6 Patronen |
Lauflänge/-profil: | 6 ½“(165 mm) / 5 Züge, Drall:_1:20“ |
Visierlänge: | 220 mm |
Kimme: | 3,15 mm (Röllchenkimme) |
Korn: | 3,1 mm (Rampenkorn mit roter Einlage) |
Trommelspalt: | 0,25 mm |
Abzugsgewicht: | 1.870 g (SA), 5.500 g (DA) |
Maße (LxBxH): | 305 mm x 43mm x 155 mm |
Gesamtgewicht: | 1.358 g |
Preis: | 2.085,- Euro |
Unser Fazit zum S&W M29 Classic Series in .44 Magnum
Schön, dass es in Zeiten von High-Tech-Matchrevolvern mit modernsten Laufdesigns und PVD-Beschichtungen auch mal wieder einen brünierten Klassiker alter Schule gibt. Unser formvollendetes Testmodell mit 6,5“/165-mm-Lauf kostet 2.085,- Euro (UVP, inklusive blauer Kunststoffbox und der im Artikel gezeigten, hölzernen Präsentationskassette), die 4“/102 mm-Version ist bereits ab 1.801,- Euro zu haben (wird aber auch nur mit dem S&W-typischen, blauen Kunststoffkoffer ausgeliefert).
Dieser Test erschien auch in der caliber 5/2023. Dort finden Sie auch die detaillierten Angaben zu allen zehn im Test des Smith & Wesson 29 Classic Series in .44 Magnum verwendeten Laborierungen. Das gedruckte Heft gibt es im VS Medien-Onlineshop und ist dort auch als e-Paper erhältlich.
Weitere Informationen zu S&W-Generalimporteur WAIMEX und alle S&W-Modelle, die über diesen Großhändler derzeit in den Fachhandel kommen, finden Sie hier im aktuellen WAIMEX-Katalog.