Die Geschichte von Nighthawk Custom ist vergleichsweise jung. Angefangen hat alles mit zwei abtrünnigen Büchsenmachern von Bill Wilson im Jahr 2004, die sich selbstständig machen wollten. Den Weg in die Ferne hat man dabei aber kaum gesucht, sodass man mit Wilson Combat und Nighthawk Custom in der 6.000-Seelen-Gemeinde Berryville in Arkansas gleich zwei renommierte 1911er-Edelmanufakturen vorfindet. Standen am Anfang mit der GRP und Talon lediglich zwei 1911er Exemplare zur Auswahl, sind es mittlerweile über 40 verschiedene Modelle, die in den Kaliber 9 mm Luger, 10 mm Auto und .45 Auto erhältlich sind. Heute sind beeindruckende 85 Büchsenmacher bei Nighthawk Custom beschäftigt, wobei das Programm auch importierte Korth-Revolver aus Deutschland sowie Cosmi-Kipplauf-Selbstladeflinten aus Italien (auch die Kipplauf-Selbstladebüchse haben wir bei all4hunters.com schon umfangreich getestet) umfasst. Laut AFMER-Report 2019 (Annual Firearms Manufacturing and Exportation), die Daten werden aus Gründen der Geheimhaltung immer erst zwei Jahre später veröffentlicht, hat man bei Nighthawk Custom exakt 2.265 Pistolen hergestellt, wobei selbst im Heimatland der .45 Auto rund die Hälfte auf die 9-mm-Kalibergruppe entfällt. Hochwertige Materialien sind der Standard, MIM- und Gussteile sind entsprechend tabu.
Philosophie bei Nighthawk Custom: Eine Waffe, ein Büchsenmacher
Viel Handarbeit steckt in den einzelnen Modellen und der Hersteller verfolgt dabei das Credo "One Gun – one Gunsmith", was frei übersetzt so viel wie "eine Waffe – ein Büchsenmacher" bedeutet. So kann man an jeder Nighthawk-Custom-Pistole an einer verdeckten Stelle die Initialen ihres Erschaffers entdecken, was Transparenz schafft und eine etwaige Rückverfolgung erleichtert. Sieben Jahre ist es nun schon her, dass wir erstmalig die Nighthawk-Custom-Pistolen vorstellten. Aufgrund der Zusammenarbeit zwischen Nighthawk Custom und Korth werden die hessischen Revolver vom US-Unternehmen auf der anderen Seite des großen Teiches landesweit vertrieben, während der deutsche Revolverhersteller bei uns wiederum die US-Pistolen anbietet. Korth-Geschäftsführer Martin Rothmann stellte uns gleich ein halbes Dutzend an Waffen bereit, wobei wir uns mit der sechs Zoll/152 Millimeter Longslide und der kurzen 4,25-Zoll Bob Marvel Commander schon im erwähnten Artikel vor sieben Jahren ausführlich beschäftigt haben. Doch zwei neue Modelle erweckten unser besonderes Interesse. Die Agent 2 in .45 ACP, eine klassische 1911 mit schnittigem Design, die bereits ab Werk mit einem Verschlussausschnitt für ein Minileuchtpunktvisier kommt. Zum anderen die TRS Comp in 9x19, eine 1911 beziehungsweise 2011 mit High-Capactiy-Griffstück für doppelreihige Magazine mit einem Ein-Kammer-Kompensator, der sich formschön ins Gesamtdesign einfügt.
TRS von Nighthawk Custom – das ist die Tactical Ready Series
"Quadratisch, praktisch, gut" könnte einem einfallen, wenn man die Frontpartie der TRS Comp betrachtet. Der Kompensator setzt die Kontur der langen Schließfederrinne (Long Dust Cover; LDC) des Griffstücks und des Verschlusses nahtlos fort. Von der Seite erkennt man somit nur am schmalen Trennspalt zwischen Verschluss und Mündungsaufsatz, dass es sich nicht um eine standardmäßige 2011 handelt. Zieht man den Ein-Kammer-Kompensator ab, erhält man noch 108 Millimeter Lauflänge. Das Konzept erinnert etwas an die IPSC-Pionierzeiten, in denen man moderat getunte 1911er mit Kompensatoren mit einer Expansionskammer im gasdruckschwachen "Major Power Factor"-Kaliber .45 Auto nutzte. Das Griffstück besteht in gewohnter Weise aus zwei Teilen mit einem Oberteil für die Verschlussführung aus Stahl und einem Unterbau aus hochfestem Aluminium als eigentliche Griffpartie. Die kreisrunden Ausfräsungen, die optische Akzente setzen und eine bessere Griffkontrolle versprechen, zieren auch die hintere Partie des Verschlusses.
Ein Mikrometervisier für die sportlich angehauchte Pistole wie auch eine beidseitige Sicherung sucht man allerdings vergebens. Die geriffelte Heinie-Kimme lässt sich für Treffpunktkorrekturen seitlich verschieben. Richtig "old school" wird es beim Korn, denn es soll nicht durch einen Fiberstab, sondern durch einen 18-karätigen Goldeinsatz ins rechte Licht gerückt werden, was aber durchaus eine praxisgerechte Alternative darstellt. Seit kurzem gibt es die TRS auch mit immer mehr zum Standard werdendem Ausschnitt für ein Minileuchtpunktvisier (Mini Red Dot Sight; MRDS). Eine mit 1.200 Gramm handliche, ausbalancierte Hi-Cap-Pistole, für dynamische IPSC/Action-Disziplinen, die in Kombination mit einer leichten Verschlussfeder ein sehr gelungenes Schussverhalten besitzt. Die TRS Comp wird ausschließlich in 9 mm Luger offeriert, die Stahlblechmagazine fassen 18 Patronen. Die TRS gibt es zudem als kurze Hi-Cap-Commander auch ohne Kompensator. Die hier gezeigte Ausführung geht für 5.255,52 Euro über die Ladentheke.
Die Agent 2 Pistolen von Nighthawk Custom: 1911er vom Feinsten
Eine im Design topaktuelle 1911 entstand in Zusammenarbeit zwischen Nighthawk Custom und der angesagten US-Firma Agency Arms, die vor allem für ihre an- sprechenden Tuningumbauten/Bauteile für Polymerrahmenpistolen von FN, Glock, SIG Sauer und Smith & Wesson bekannt ist. Neben der Agent 1, eine Commander mit 4,25-Zoll/108 Millimeter Lauflänge, ist seit geraumer Zeit die ausgewachsene Agent 2 mit 5-Zoll/127-Millimeter-Lauf im Fertigungsprogramm vertreten. Das geschmiedete Griffstück erhielt eine Schiene zur Aufnahme von Waffenlampen/Licht-Laser-Modulen und einen dezenten Magazintrichter. Der Verschluss besticht durch sein schnittiges Design mit einem markanten Absatz vor dem Patronenlager/Auswurffenster, einem Fensterausschnitt und aggressiv gestalteten Greifrillen im Front- und Heckbereich. Unsere Agent 2 kam gleich mit einem Ausschnitt für ein MRDS. Auch hier setzt man auf Qualität, sodass es mit einem Trijicon RMR 2 ausgeliefert wird. Weitere Adapterplatten, die übrigens auf eine Schiene im Verschlussausschnitt aufgeschoben werden, gibt es für das kompakte Shield RMSc oder das recht beliebte Vortex Viper (sowie weitere MRDS mit identischen Footprints).
Zum sehr robusten Trijicon gibt es aber auch noch eine Backup-Visierung. In den meisten Fällen sitzt die Kimme hinter dem MRDS, in diesem Fall aber davor. Mit der kürzeren Visierlinie lässt sich im Fall der Fälle sicherlich auch Leben, dafür gibt es aber sogar ein Leuchtfiberkorn. Die anthrazitgraue Cerakote "Smoke"-Beschichtung rundet die 1911 mit "Agency-Touch" gelungen ab.
Hinsichtlich des Verarbeitungsniveaus hinterließen die TRS Comp und Agent 2 einen sehr ordentlichen Eindruck, was auch auf die Abzugscharakteristiken bei Abzugsgewichten von knapp 1.900 Gramm (TRS Comp) und 1.400 Gramm (Agent 2) zutrifft. Unsere Agent 2 war im US-Traditionskaliber .45 Auto eingerichtet, ist aber auch in 9 mm Luger erhältlich. Weitere Kaliber wie .38 Super Auto, 10 mm Auto, längere Läufe mit Schalldämpfergewinde sowie optionale Ausstattungsmöglichkeiten für die individuelle Wunschwaffe findet man im Custom Shop von Nighthawk. Der Preis der Agent 2 mit Trijicon RMR 2 beträgt 6.768,72 Euro.
Test: Mit den TRS Comp und Agent 2 Pistolen auf dem Schießstand
Mit jeweils zehn Munitionssorten in 9mm Luger und .45 Auto und den beiden Testpistolen in Gestalt der TRS Comp und Agent 2 zogen wir auf den Schießstand los. Die Agent 2 wurde mit Laborierungen mit Geschossgewichten von 185 bis 230 Grains auf Präzision getestet. Das beste Ergebnis erreichten wir mit der GECO 230 Grains JHP und 51 Millimetern. Zumindest mit unserer Munitionsauswahl war der Agent 2 leider kein besserer Streukreiswert zu entlocken. Nun wanderte die TRS Comp in die Spannbacken der Ransom Rest Schießmaschine und wurde mit Laborierungen mit Geschossgewichten von 95 bis 147 Grains hinsichtlich der Schussleistung kontrolliert. Das beste Ergebnis erbrachte hier die 95 Grains Magtech mit 55 Millimetern. Nur die TRS Comp leistet sich mit der kurzen und stumpfnasigen Magtech 95 Grains Fabrikpatrone eine Zuführstörung. Vor allem die schnellen Munitionssorten mit leichten Geschossen, wie die Magtech 95 Grains Teilmantel-Kegelstumpf oder unsere Handladung mit 6,4 Grains Hodgdon Longshot und 100 Grains H&N Hohlspitz-Kegelstumpfgeschoss, offenbarten nicht unerwartet die beste Kompensator-Wirkung. So fand sich das goldige Korn der TRS Comp bei den anschließenden, dynamischen Dot Drills schnell auf der Scheibe wieder.
Technische Daten und Preise der Nighthawk Custom Pistolen Modelle TRS Comp und Agent 2
Modell: | Nighthawk Custom TRS Comp | Nighthawk Custom Agent 2 |
Kaliber: | 9 mm Luger | .45 Auto |
Magazinkapazität: | 18 Patronen | 8 Patronen |
Griffstück: | Stahl-Aluminium (2-teilig) | Stahl, grau (Smoke) Cerakote beschichtet |
Verschluss: | Stahl, Cerakote beschichtet | Stahl, grau (Smoke) Cerakote beschichtet |
Lauflänge,Laufprofil: | 108 mm, 6x F-Z | 127 mm, 6x F-Z |
Zug-Felddiameter/ Dralllänge: | 9,04-8,82 mm/k.A. | 10,47-10,25/k.A. |
Kimme: | Heinie, quergeriffelt, 3,15 mm | 3,15 mm/Back Up zum Trijicon RMR Type 2 |
Korn: | 3,05 mm, mit Goldeinsatz | 2,8 mm, geriffelt mit rotem Fiberstabeinsatz |
Visierlänge: | 168 mm | 135 mm |
Sicherung: | einseitige Drehhebelsicherung am Griffstück | einseitige Drehhebelsicherung am Griffstück |
Abzugssystem, -gewicht/ Spannweite*: | SA 1.876 Gramm/ 146 Gramm | SA 1.452 Gramm/44 Gramm |
Zündverzugszeit*: | 5 ms | 4 ms |
Gesamtgewicht (inkl. Magazin): | 1.210 Gramm | 1.169 Gramm |
Maße (LxBxH): | 216x34x154 mm | 220x36x165 mm |
Extras: | gepolsterte Cordura-Tasche | gepolsterte Cordura Tasche |
Preis: | 5.255,52 Euro | 6.768,72 Euro |
Anmerkungen: | * Mittel aus 10 Messungen mit dem Trigger Scan System |
Unser Testfazit zu den Pistolen von Nighthawk Custom
Die Nighthawk Custom 1911 Pistolen, die neuerdings mit klassisch-schlankem Griffstück für einen voluminösem Hi-Cap-Rahmen für doppelreihige Magazine angeboten werden, überzeugen durch saubere Verarbeitung und ansprechende Designs. Leider bleibt die Schussleistung der Agent 2 und TRS Comp etwas hinter den hochgesteckten Erwartungen von uns präzisionsfokussierten, deutschen Schützen zurück. Bei einer anderen Munitionsauswahl ist vielleicht mehr möglich, zumindest die Passungen der Waffe würden dafür sprechen. Beide Modelle sind hervorragend gefertigt, bestechen durch ihr tolles Design und haben schon aus diesem Grund ein hohes Faszinationspotenzial. Wer aber hochpräzise Wettkampfwaffen sucht, ist hier leider nicht richtig.
Das hat uns gefallen: | Das fanden wir weniger gut: |
Tolles Design | Präzision bleibt hinter dem erwarteten Potenzial zurück |
Saubere Verarbeitung | |
Enge Passungen |
Weitere Informationen zu den Waffen, finden Sie auf den Seiten von Nighthawk Custom.
Dieser Testbericht stammt aus der caliber 09/2021. Dort finden Sie auch die ausführlichen Schießtabellen mit zehn getesteten Laborierungen pro Waffe. Sie können das Heft im VS Medien-Onlineshop bestellen, es ist zudem auch als e-Paper verfügbar.