Was ist neu an der neuen Sportpistole Laugo Arms "Alien"?
Die Laugo Arms Alien wurde kompromisslos auf den dynamischen IPSC Sport, genauer gesagt auf die immer mehr im Aufwind befindliche Production-Klasse ausgelegt. Da hier schnellere Schuss-zu-Schuss-Zeiten einen Wettbewerbsvorteil bringen und Hilfsmittel wie Kompensatoren nicht erlaubt sind, mussten sich die Techniker hier etwas Besonderes einfallen lassen. Damit kommen wir gleich zum auffälligsten Merkmal der rassigen Sportpistole in 9 mm Luger, nämlich dem tief im Griffstück sitzenden Lauf. Dadurch werden die Hebelverhältnisse, die einer Waffe den Hochschlag erteilen, deutlich verkürzt. Zudem ist der Lauf fest mit dem Griffstück verbunden, so dass die bewegte Masse im Schuss geringer ausfällt, was zudem auch eine höhere Eigenpräzision verspricht. Kombiniert wurde die technisch interessante Pistole durch einen gasdruckgebremsten Masseverschluss, wie man ihn von der Heckler & Koch P7 bereits kennt. Das Griffstück ist zweiteilig ausgelegt, der Unterbau besteht aus schwerem Stahl, das Griffstück aus einer Leichtmetall-Legierung. Somit bringt die Alien, die übrigens 17+1 Patronen in 9 mm Luger fasst, rund 1.200 g auf die Waage. Da die Visierung ebenfalls griffstückfest ausgelegt ist, bewegt sich diese im Schuss nicht mit. Das ist besonders nützlich, wenn man ein kleines Leuchtpunktvisier auf der Waffe nutzen möchte, denn das erhöht die Lebensdauer durch die weitaus geringere Belastung deutlich. Der Hersteller legt gleich eine leicht wechselbare Visierschiene bei, die sich in wenigen Sekunden ohne Werkzeug austauschen lässt. Auf dieser 2. Schiene liefert Laugo Arms sein hauseigenes Mini-Leuchtpunktvisier mit. Die Verarbeitung ist sehr ansprechend und die Waffe kommt direkt im Set mit 3 Reservemagazinen, Holster und Leuchtpunktvisier. Allerdings verlangt man auch dafür satte 4.680,- Euro.
Das Design der Laugo Arms Alien im Detail
Der Leitgedanke der Designer bei der Erschaffung der Pistole war es, die geringstmögliche Mündungsauslenkung im Schuss zu realisieren. Das ist besonders dort interessant, wo schnelle Schussserien einen Wettbewerbsvorteil bringen, was beispielsweise im IPSC-/Action-Bereich und anderen dynamischen Schießsportdisziplinen der Fall ist. Weil sich hier vor allem die Production Division national wie international zur teilnehmerstärksten Waffenklasse entwickelt hat, ist das auch für viele Hersteller ein lohnenswertes Betätigungsfeld. So hat man bei Laugo Arms scheinbar alle möglichen und sportlich regelkonformen Register gezogen, um der Alien ein zahmes Schussverhalten beizubringen. Da wäre zum einen die extrem tiefe Laufseelenachse. Nach Herstellerangaben liegt diese rund 1,7 mm unter der Oberkante des lang gezogenen Griffsporns (Beavertail). Zum Vergleich: bei einer 1911 mit außenliegendem Hammer liegt die Laufseelenachse etwa 30 mm über der Hand. Tiefer geht es schon mit Schlagbolzenschlosspistolen und hier konnten wir experimentell bei der populären GLOCK 17 etwa 18 mm ermitteln. Somit erscheint der "Minuswert" der Alien geradezu fantastisch und schafft Vorfreude auf die ersten Schüsse. Die weltweit dominierende, formschlüssige Verriegelung nach Browning-Petter-SIG-System mit abkippendem Lauf fällt wohl wegen der extrem tiefen Laufposition aus. Deshalb entschied man sich für den mit dem Griffstück verbundenen, feststehenden 125 mm langen Lauf. Bei einem gehäusefesten Lauf bietet sich ein reiner Masseverschluss zwar an, aber für das Kaliber 9 mm Luger bei einer Pistole wäre er zu schwer und würde somit sehr viel Unruhe im Schuss verursachen.
Mit der Alien in 9 mm Luger auf dem Schießstand
Mit der Alien im Gepäck machten wir uns auf die Reise zum nächsten Schießstand. Zur Präzisionsüberprüfung wählten wir 6 Fabrikpatronen im Geschossgewichtsbereich von 115 bis 154 Grains aus. Dabei half uns die im Lieferumfang enthaltene Wechselvisierschiene mit ab Werk geliefertem MRDS, dessen 6-MOA-Leuchtpunkt zwar auf 25 m ohne merklichen Parallaxenfehler daherkam, aber uns mit dem etwas eiförmigen Punkt eher an die NFL erinnerte. Schon bei den ersten Schüssen zur Treffpunktermittlung konnte man den geradlinig in die Hand verlaufenden Rückstoß bei minimaler Mündungsauslenkung spüren. Erwartungsgemäß kann man von Pistolen mit feststehendem Lauf ein höheres Präzisionspotential erwarten als bei der dominierenden Masse der Pistolen mit Verschlusssystemen mit beweglichen Läufen – und da wurden wir nicht enttäuscht. Unserer Testwaffe schmeckte besonders gut die landeseigene Kost in Form der günstigen Sellier & Bellot 124 Grains FMJ "Schüttpackung" mit 22 mm aus 2 gemittelten 5-Schuss-Streukreisen. Das konnte auch die Hornady American Gunner trotz des zweifellos besseren Geschosses nicht mehr toppen, dennoch sorgte ein 24-mm-Streukreis fast für Gleichstand. Mit 28 mm ebenso recht dicht dran war die GECO 124 Grains FMJ. Der Durchschnitt aller Laborierungen lag bei sehr guten 35 mm. Mit allen Munitionssorten ließ sich übrigens die 10 der BDS/DSB- Scheibe locker halten. Einen weiteren kleinen positiven Nebeneffekt offenbarte die Alien mit ihrem feststehenden Lauf im Vergleich zu Pistolen mit abkippendem Lauf: Bei den unterschiedlichen Geschossgewichten zeigten sich weniger Abweichungen in der Höhe.
Somit kommt man mit weniger Treffpunktlage-/Visier- korrekturen bei unterschiedlichen Laborierungen aus. Danach sollten einige dynamische "Dot Drills" auf Papier folgen. Es war schon echt eindrucksvoll zu beobachten, wie wenig Mündungsauslenkung die Alien im Schuss aufweist. Das fiel besonders bei dem wechselseitigen, einhändigen Schießen mit der schussstarken und -schwachen Hand auf. Mit weichen Laborierungen wie der GECO 154 Grains FMJ und der schussschwachen Hand wanderte der Leuchtpunkt zu keiner Zeit aus der Linse des MRDS heraus und stand sofort wieder im Zentrum. Wir versuchten uns zudem noch an einigen 20 cm messenden Stahlplatten mit der mechanischen Visierung. Auf 10 Meter lagen hier die Schuss-zu-Schuss-Zeiten ("Split Times") in den tiefen 0,20er Sekunden, was aber noch nicht so überragend ist und auch mit konventionellen Pistolen durchaus zu schaffen ist.
Was die Laugo Arms "Alien" auf dem Schießstand kann, sehen Sie in unserem exklusiven Video mit Tino Schmidt:
Vorteil auf weite Distanzen für die Laugo Arms Alien
Erst auf weiteren Distanzen machte sich der Vorteil der Alien nach unserer Meinung noch stärker bemerkbar. Auf 20 m lagen die Split-Zeiten problemlos bei Ende 0.20er bis Anfang 0.30er. Auf 30 m waren durchaus hohe 0,40 Sekunden machbar. Das empfanden wir angesichts der kurzen Eingewöhnungsphase schon als sehr ordentlich. Allerdings sollte ein Nachteil nicht ganz verschwiegen werden. Linkshänder dürften mit der Alien so ihre Probleme haben. Im beidhändigen Anschlag kann man durchaus das Auswurffenster so stark verdecken, dass die Hülsen nicht mehr richtig aus dem Verschlussfenster herauskatapultiert werden und so Funktionsstörungen die Folge sind. Weil uns das Schießen mit der Alien viel Spaß bereitete, waren schnell 500 Schuss ohne Störung durch den Lauf gegangen. Das positive Schussverhalten empfanden auch andere, sehr routinierte Schützen so. Wer übrigens schon mal eine Heckler & Koch P7 geschossen hat, wird dieses Schussgefühl auch bei der Alien wiedererkennen. So folgt dem Schuss ein kurzer schneller Rückstoßimpuls in die Hand, der ohne große Kraft ausgeteilt wird. Eine Wärmeproblematik durch die Gasbremse konnten wir nicht feststellen. Die Alien erwärmte sich gefühlt kaum mehr als andere Pistolen.
Alle technischen Details der Alien in 9 mm auf einen Blick
Modell:
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Laugo Arms Alien
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Preis:
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4.680,- Euro
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Kaliber:
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9mm Luger
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Kapazität:
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17 + 1 Patronen
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Lauflänge:
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125 mm
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Visierlänge:
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197 mm
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Sicherung:
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Abzugssicherung
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Abzugsgewicht:
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1.369 Gramm
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Gesamtgewicht:
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1.166 Gramm
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Maße (L x B x H):
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204 x 33 x149 mm
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Fazit zur Alien von Laugo Arms
Im Schussverhalten setzt die junge Alien-Pistole des tschechischen Herstellers wirklich neue Maßstäbe und durch den feststehenden Lauf erwies sie sich auch als äußerst präzise. Dazu gesellen sich ein hohes Verarbeitungsniveau, Funktionszuverlässigkeit und eine praxisnahe Komplettausstattung. Allerdings verlangt man für das Komplettset mit schicker Zwei-Etagen-Transporttasche aus Nylon, MRDS-Wechselvisierschiene, Holster und drei Magazinen auch satte 4.680 Euro. Das dürfte eine große Verbreitung der vorerst auf 500 Exemplaren limitierten Pistole verhindern.
Doch wer weiß, vielleicht wird bei einem Firmenerfolg die Alien auch eines Tages günstiger angeboten.
Alle, die nicht bereit sind so viel Geld auszugeben, können sich damit trösten, dass im IPSC-Sport extrem schnelle Split-Zeiten nur ein kleiner Teil des Ganzen sind. Erfahrung, Coolness im Wettkampfstress, Parcoursstrategien sowie schnelle Positions-, Magazin- und Zielmedienwechsel sind – ganz abgesehen von sauberen Treffern – ebenso von Bedeutung.
Nichtsdestotrotz hat unserer bescheidenen Meinung nach die Alien im Reich der spezialisierten IPSC/Action-Pistolen die Messlatte ein Stückchen nach oben verschoben – Respekt!
Dieser Artikel erschien zuerst in der
caliber, Ausgabe 11-12/19.
Hier sind im ausführlichen Test auch alle Schießergebnisse im Detail enthalten. Das Heft können Sie ganz bequem im
VS Medien-Shop
bestellen. Außerdem steht es
in einer digitalen Version zur Verfügung.
Weiter Informationen erhält man auf der Internetseite des Herstellers Laugo Arms.
Ebenfalls höchstinnovativ und mit sehr niedriger Laufseelenachse: die Arsenal Firearms Stryk B hier im Test.
Pistolen aus Tschechien haben im IPSC Sport eine große Tradition, das sehen Sie in unserem Test der CZ Shadow 2 in 9 mm Luger.