Seit kurzem fertigt das italienische Unternehmen Pedersoli klassische, mit Steinschloss versehene doppelläufige Howdah-Pistolen. Das bietet die Gelegenheit für den Blick auf einen besonderen geschichtlichen Hintergrund – die Originale waren nämlich Pistolen, die speziell für die vom Elefanten aus ausgeübte Tigerjagd gefertigt wurden. Exotischer geht es also kaum...
Die Howdah-Pistole: Eine Reise durch die exotische Abenteuer-Geschichte der zweiläufigen Schusswaffe
"Howdah" ist der englische Begriff für einen überdachten Elefantensattel. In alten deutschen Texten findet sich dafür auch das Wort "Hauda". Heute weltweit geschützt, war früher Jagd auf Tiger in Indien eine Angelegenheit der einheimischen wie britischen Oberschicht. Dazu die Zeitschrift "Die Gartenlaube" (Nummer 23 von 1895): "Vornehme Indier […] ziehen zur Tigerjagd auf Elefanten aus, begleitet von einem Troß von Jägern und Treibern, der nach Hunderten und selbst Tausenden zählt [...] Während der Haupttroß ein Lager in der Wildnis bezieht, rüsten sich die eingeborenen Jäger, die Schikari, zum Aufspüren des Wildes. An verschiedenen Stellen binden sie Büffel an und beobachten von Bäumen und Hügelspitzen die Lockspeise. Hat der Tiger geschlagen, so melden sie das Ereignis im Lager und die Jäger besteigen die Jagdelefanten, auf deren Rücken die Hauda, ein viereckiger Kasten, befestigt ist. [...]
Die Elefanten rücken vor, werfen Bäume um, zertreten das Gras und schaffen in kurzer Zeit eine etwa zehn Meter breite und entsprechend lange Lichtung. Vor dieser erwarten die Jäger, in den Haudas thronend, das Raubwild […] Jeden Augenblick kann der Königstiger hervorbrechen; […] gefährlich wird er in der Regel erst dann, wenn er verwundet in höchste Bedrängnis gelangt. Dann wendet er sich gegen die Elefanten und treibt diesen und jenen in die Flucht und läßt ihn seine Pranken fühlen […] in dem hohen Schilfe windet sich die gefährliche Katze dahin, wild seine Gegner anfauchend. Doch schon kracht der Schuß von der Höhe der Hauda und das Sündenregister des Wildtöters ist für immer abgeschlossen."
Soweit die Theorie. Von der schwankenden Kanzel herab saßen die Schüsse nämlich nicht immer genau. Und war der Tiger nicht tödlich getroffen, griff er an. Dank seiner Sprungkraft konnte er die Jäger in der Howdah gut erreichen. Genau dafür waren daher die Howdah-Pistolen gedacht: als Lebensversicherung, um solche Großkatzen im letzten Moment aus nächster Nähe zu stoppen. Dazu musste die Pistole absolut zuverlässig sein sowie stärkste Pulverchargen vertragen. Kunstvolle Visierungen, elegante Schäfte und Stecherabzüge waren da überflüssig.
Technische Details der Howdah-Steinschlosspistole von Pedersoli
Die vorgestellte Howdah-Pistole von Davide Pedersoli ist doppelläufig mit Steinschloss-Zündung, letztlich handelt es sich dabei um eine gekürzte Flinte mit Pistolenschaft. Sie hat zwei direkt stehende Abzüge, wobei der vordere den rechten, der hintere den linken Lauf auslöst. Das gut 28 cm lange Laufbündel ist dickwandig, misst an der Mündung 2,6 mm Materialstärke und verträgt auch stärkste Ladungen. Wie bei einer Flinte zielt man über die Laufschiene. Ein vorne montiertes Perlkorn hilft dabei. Genaues Anvisieren eines Punktziels klappt so aber kaum. Unten am Griffstück sitzt eine massive Metallkappe, die als Aufnahme für den separat zu erwerbenden Anschlagschaft dient. Der erleichtert das Handling der schweren Waffe deutlich. Beim Kauf sollte man aber prüfen, ob er sich auch tatsächlich auf der Pistole montieren lässt.
So wird die Howdah-Vorderladerpistole von Pedersoli geladen
Als Munition kann man Schrot oder Kugeln verwenden. Wie bei Steinschlosswaffen üblich, werden erst die Läufe geladen und dann die Zündladung aufgebracht. In jedes Rohr kommen etwa 40 Grains Pulver der Sorte Schweizer Zwei, darauf eine gefettete Filzscheibe. Soll eine gepflasterte Kugel folgen, gilt die Formel: Kugeldurchmesser = Laufdurchmesser minus 2 x Pflasterstärke. Empfohlen werden Bleikugeln .56 und gefettete Pflaster der Stärke 0,21 bis 0,25 mm. Die Kugel muss sich stramm setzen lassen. Bei Schrot sollte die Vorlage zwischen 20 und 25 g wiegen, sie wird per straff sitzender Pappscheibe abgedeckt. Früher lud man solche Pistolen mit Posten, also Bleikugeln, deren Durchmesser über 4 mm lag. Auch gern genommen wurde "gehacktes Blei", da es nicht um Waidgerechtigkeit, sondern um sichere Abwehr eines angreifenden Tigers ging. Die Pedersoli verträgt auch deutlich mehr als 40 Grains. Ein YouTube-Video zeigt das Einfüllen von 120 Grains. Klingt imposant, ist aber unserer Ansicht nach reine Pulververschwendung. Die kurzen Läufe können die Ladung nicht ganz verwerten - das meiste Pulver gelangt dann beim Schuss unverbrannt ins Freie.
Sind die Läufe geladen, werden die Hähne in die Laderast gestellt, die Pfanndeckel geöffnet (sofern nicht vom letzten Schuss noch offen) und Zündkraut, also feinkörniges Schwarzpulver, auf die Pfanne gebracht. Pfannndeckel schließen. Hat man die Hähne in die Spannrast gezogen, ist die Waffe schussfertig. Nach dem Schuss wird gewischt, nach dem Schießstandbesuch gereinigt, soweit alles wie gehabt. Aber: Unbedingt vorm ersten Schuss die Zündlocheinsätze ausdrehen und ihre Gewinde mit Kupferpaste oder einem anderen Trennmittel einreiben, damit sie nicht unlösbar festbrennen.
Sportliches und Rechtliches zur Howdah Steinschlosspistole
Dieser Abschnitt bezieht sich auf das deutsche Waffenrecht: Die Howdah ist eine Klasse für sich, die in keine Sportordnung passt. Zwar könnte man die Waffe mit Anschlagschaft zum Flintenschießen verwenden. Jedoch darf man dann nur einen Lauf laden und ist durch den kurzen Lauf völlig chancenlos. Man könnte die Howdah auch als Steinschlosspistole mit glattem Lauf einsetzen. Doch da hier ein einhändiger Anschlag vorgeschrieben ist, hat man mit der gut 2.200 g schweren Pistole und den Direktabzügen keine Chance. Und überhaupt: Keine Sportordnung regelt den Einsatz doppelläufiger Pistolen. Jedoch wartet da noch eine Überraschung: Ist man volljährig, darf man derlei Waffen bei uns ohne Weiteres kaufen und ohne Erlaubnis führen, unabhängig davon, wie viele Läufe das hat oder ob es geladen ist. Dazu der Blick in Waffengesetz, Anlage 2, Abschnitt 2, Unterabschnitt 2 "Erlaubnisfreier Erwerb und Besitz". Bei Punkt 1.6 finden sich "Schusswaffen mit Lunten- oder Funkenzündung, deren Modell vor dem 1. Januar 1871 entwickelt worden ist". Die Sache mit dem Führen regelt Anlage 2, Punkt 3 "Erlaubnisfreies Führen", hier geht es um "Schusswaffen mit Lunten- oder Funkenzündung, deren Modell vor dem 1. Januar 1871 entwickelt worden ist."
Brr, Brauner, halt: kein Freibrief für den Besuch im nächsten Steinbruch. Schießen darf man auch damit nur auf dafür zugelassenen Schießstätten, hier gibt es keine Ausnahmen. Und Pulver gibt’s nur mit der Erlaubnis nach Paragraph 27 des Sprengstoffgesetzes.
Howdah-Pistole von Pedersoli: Technische Daten, Kaliber und Preis
Modell: | Pedersoli Howdah-Pistole |
Anschlagschaft - Preis | 219,- Euro |
Pistole - Preis: | 1.257,- Euro |
Kaliber: | Schrotkaliber 20 (Mündungsdurchmesser real 16 mm = .63“) |
Kapazität: | Doppelläufig |
Maße (L x B x H): | 465x79,5x163 mm, mit Anschlagschaft 715x79,5x163 mm |
Lauflänge: | 285 mm |
Dralllänge | Kein Drall, glatter Lauf |
Visierlänge: | Flintenvisierung |
Kornbreite: | 3,5 mm |
Abzugsgewicht: | Direktabzug vorderer Abzug > 5.400 Gramm, hinterer Abzug 3.920 Gramm |
Gewicht der Pistole | 2.200 Gramm |
Gewicht mit Anschlagschaft | 2.935 Gramm |
Links-/Rechts- Ausführung: | Nur rechts |
Ausstattung: Doppelläufige Vorderladerpistole mit Steinschlosszündung, klassische Abzugszuordnung (vorderer Abzug – rechter Lauf, hinterer Abzug – linker Lauf), Nussbaumgriff mit Öl-Finish, Fischhautverschneidung. Laufbündel aushakbar, matt gebräunt, bunt gehärteter Abzugsbügel aus Stahl, Schlossplatte und Hähne bunt gehärtet. Flintenvisierung mit Perlkorn in der Laufschiene, hölzerner Ladestock mit Messing-Kappe. Die Waffe wird in einem schwarzen Koffer geliefert. |
VIDEO: Die Howdah-Steinschlosspistole von Pedersoli im Kaliber 20, vorgestellt von VISIER "Urgestein" Matthias Recktenwald
Unser Fazit zur Howdah-Pistole von Pedersoli
Der italienische Replika-Spezialist Davide Pedersoli legt die formschöne Kopie einer schweren doppelläufigen Howdah-Steinschlosspistole vor. Auf den ersten Blick macht der Neo-Klassiker einen guten Eindruck. Beim zweiten Blick gibt es aus unsere Sicht folgende Verbesserungspotenziale: Die separate Schulterstütze ging nur schwer auf den Griffknauf und saß nicht richtig. Das Abzugsgewicht ist nach unserem Geschmack zu hoch, vor allem rechts mit 5.400 g. Zudem waren die Deckelfedern außen scharfkantig; die linke ragte über die Demontageschraube. Vor dem Ausbau des Schlosses müsste also die Deckelfeder weg. Eine aufwendige Prozedur, die sich ohne Federklammer nicht erledigen ließe. Auch könnte die vordere Schlossplattenschraube problemlos das Holz ausreißen, zöge man sie auch nur etwas zu fest an. Aber das sind alles Kleinigkeiten, die sich im Lauf der Serie beheben sicher lassen sollten. Dann kann er kommen, der Tiger – und sei es nur einer auf Papier, vorn im Kugelfang. Und auch als Sammlerwaffe macht sich die Howdah von Pedersoli sehr gut.
Alle Infos zur Howdah und anderen Pedersoli-Modellen liefert unter anderem der Pedersoli Service Deutschland.
Hier geht's zur internationalen Website des Herstellers Davide Pedersoli.