Auch wenn es in Deutschland immer weniger von dieser Spezies gibt, so findet man doch immer wieder Tüftler, die eine Idee haben und diese bis zum Schluss konsequent durchziehen. Einer von ihnen ist Clemens Geiger. Der gelernte Kaufmann, der im Bereich der Systemelektronik arbeitet, ist schon viele Jahre ein Sportschütze. Als er mit dem Großkaliberschießsport Ende der 1980/90er-Jahre begann gab es bei weitem noch nicht so viele Auswahlmöglichkeiten an Kurzwaffen wie heute. Zu jener Zeit drehte sich alles hauptsächlich um die COLT Gold Cup, SIG P210 sowie die Heckler & Koch P9s. Nach eigenen Aussagen hat ihm damals nichts so richtig zugesagt; er entschied sich aber schlussendlich doch für die Heckler & Koch P9s.
Irgendwann keimte dann die Idee, selbst eine Pistole zu erschaffen, die genau seinen Vorstellungen von hochwertiger Verarbeitung und exzellenter Schussleistung entsprach. Nachdem er sein eigentliches berufliches Standbein weiter ausbaute und unter anderem eine mehrachsige CNC-Fräsmaschine sein Eigentum nannte, war zumindest der Grundstein gesetzt. Nach dem Einholen der behördlichen Genehmigungen konnte es losgehen und in Eigenregie entstanden die ersten CAD-Modelle. Da er bei "Null" anfing und als selbständiger Unternehmer Zeit meist ein knappes Gut ist, dauerte es rund 15 Jahre, bis die Pistole endlich zur Serienreife heranwuchs. Eine lange Zeit, die von vielen Rückschlägen geprägt war.
Aschaffenburger Manufaktur − zu Besuch bei Clemens Geiger
Bei einem Besuch in seiner Werkstatt inmitten von Aschaffenburg wird einem klar, dass die Geiger Rollenverschluss-Pistole einer echten Manufaktur entspringt. Griffstücke und Verschlüsse werden hier genauso wie Verschlusskopf, Steuerstück und kleinere Bauteile aus hochwertigen Vergütungsstählen auf einer modernen mehrachsigen CNC-Maschine hergestellt. Der Stahlrohling für das Griffstück wiegt etwa 6,5 kg, nach einigen Stunden Bearbeitung sind davon nur noch etwa 600 g übrig, rund 90 % des Materials werden somit in Späne umgesetzt. Nur weniges stammt von Fremdzuliefern wie die Mec-Gar-Magazine oder die Holzgriffschalen, die vom bekannten Hersteller Karl Nill stammen. Die Läufe bezieht er vom deutschen Hersteller Menges, die er anschließend noch selbst von Hand poliert. Einigen Kennern wird der Hersteller aus Rheinland-Pfalz sicherlich noch ein Begriff sein, der zum Beispiel auch Läufe für Peters Stahl fertigte. MIM (Metal Injection Molding), Feinguss oder Blechprägeteile sind Fremdworte, wenn es um die GRP geht. Selbst die Abzugsstange, die bei vielen Waffen der Blechprägetechnik rationell gestanzt wird, kommt hier aus der Fräsmaschine und wird aus dem Vollen gefräst.
Wer die Heckler & Koch P9/P9s kennt, weiß um die Menge der Einzelteile. Das ist bei der GRP nicht anders und so besteht die elegante Ganzstahlwaffe mit allen Federn, Bolzen und Schrauben aus rund 80 Einzelteilen und somit aus etwa doppelt so vielen Bauteilen wie eine GLOCK 17! 29 Einzelteile stammen dabei aus eigener Fertigung und über 90% der Teile sind gehärtet, Verschluss und Griffstück wegen der Verzugsgefahr sogar mehrfach. In seiner Werkstatt erläutert er bereitwillig die Fertigung der vielen Einzelteile und die verwendeten Materialen beziehungsweise Vergütungen. Auch die Tücken und Fallstricke, die so manches Teil an den Tag brachte, bis es endlich verwendungsfähig war. Oftmals reichte nicht eine einfache Modifikation aus, weil eine technische Sackgasse zur kompletten Neukonstruktion zwang. Man merkt, dass Clemens Geiger viel Zeit, Erfahrung und Herzblut in seine Pistole gesteckt hat. Rund 40 Stunden Arbeitszeit braucht es, bis eine Pistole schließlich fertig ist. Und noch etwas dürfen wir sehen, den ersten Prototypen eines Griffstückes für doppelreihige Magazine. Die uns vorliegende Testwaffe ist übrigens in 9 mm Luger eingerichtet, daneben gibt es aber auch noch eine Version in .45 Auto, der wir uns später einmal annehmen wollen.
Die Technik der Geiger Rollenverschluss-Pistole:
Eine Pistole mit kraftschlüssigem Rollenverschluss auszustatten, ist technisch weitaus aufwendiger als mit dem dominierenden, formschlüssigen Browning-Petter-SIG-System zu arbeiten. Es bietet aber einen entscheidenden Vorteil, wenn es um maximal machbare Präzision gehen soll: Ein feststehender Lauf, der weder zurückläuft noch abkippt oder eine Drehbewegung bei der Entriegelung vollziehen muss. Wer sich schon einmal mit dem kraftschlüssigen und beweglich abgestützten Rollenverschluss beschäftigt hat, wird feststellen, dass eine getriebetechnische Übersetzung des Verschlusses stattfindet. Das hat zur Folge, dass das Steuerstück des Verschlusskopfes recht stark abgeschleudert wird. Deshalb finden sich in der P9s als auch in der KORTH PRS Gummipuffer, die den Aufschlag abmindern sollen. Ohne Puffer kommt auch die GRP nicht aus. Dieser sitzt wie bei den bereits genannten Beispielen ebenfalls im Griffstück, weist aber eine Schraubenfeder in einem entsprechenden Gehäuse auf.
Äußerlich kann die Geiger Rollenverschluss-Pistole ihr Colt Government of 1911-inspiriertes Design nicht leugnen und nimmt somit auch die einreihigen Magazine des Klassikers auf. Die Drehhebelsicherung am Griffstück, der Magazinknopf und der Verschlussfanghebel sitzen auf der linken Seite. Auf der Oberseite des Verschlusses sitzt eine Mikrometerkimme von LPA. Der Verstellbereich ist leider recht knapp bemessen, so dass man bei einem großen Scheibenspiegel nicht immer aufsitzend schießen kann. Da der Entwickler schon mal schlechte Erfahrungen mit gelösten Körnern im Schwalbenschwanz hatte, ist sein 3,1 mm breites Korn fester Bestandteil des Verschlusses. Auf Wunsch fertigt Clemens Geiger aber auch den klassischen Schwalbenschwanz. Zudem wird es in der Serie auch noch ein paar kleine Änderungen geben, die unter anderem die manuelle Sicherung betreffen. Der Menges-Lauf verfügt über ein 12-Flächen-Polygonprofil mit einer etwas ungewöhnlichen Dralllänge von 1-340 mm.
Die technischen Daten der GRP:
Hersteller: | Geiger Technische Entwicklungen |
Modell: | GRP |
Preis: | 4.999,- Euro |
Kaliber: | 9 mm Luger |
Magazinkapazität: | 10 Patronen |
Griffstück: | Stahl |
Verschluss: | 382 g, Stahl |
Lauflänge, Laufprofil: | 151 mm, 12-Flächen-Polygon |
Zug-Felddiameter / Dralllänge: | Keine Messung / 1-340 mm |
Kimme: | 2,95 mm / LPA-Mikrometerkimme |
Korn: | 3,1 mm Targetkorn |
Visierlänge: | 206 mm |
Sicherung: | einseitige Drehhebelsicherung am Griffstück |
Abzugssystem, -gewicht: |
SA 1.091 - 1.114 g,
Mittelwert 1.105 g |
Einschlagtiefe Kupfertauschzylinder / Exzentrizität: | 0,21 mm / ≤0,1 mm |
Zündverzugszeit: | 4 ms (Mittel aus 10 Messungen mit dem Trigger Scan System |
Gesamtgewicht (incl. Magazin): | 1.316 g |
Maße (L x B x H): | 237 x 36 x 149 mm |
Mit der Geiger Rollenverschluss-Pistole auf dem Schießstand:
Da uns Clemens Geiger gleich einen gefrästen Ransom-Rest-Adapter zur Verfügung stellte, konnte die Waffe auch eingespannt geschossen werden. Zur Anwendung kamen zehn Laborierungen, darunter zwei Handladungen, im Geschossgewichtsbereich von 115 bis 147 Grains. Unsere Erwartungen an eine Pistole mit starrem Lauf wurden nicht enttäuscht.
Das Test-Urteil zur Geiger Rollenverschluss-Pistole:
Den Auftakt in die Nullserie hat die Geiger GRP gut gemeistert, mit sehr guter und vor allen Dingen konstanter Schussleistung. Unserer Meinung nach wünschenswert wäre noch eine Mikrometerkimme mit großem Visierblatt und Justierumfang. Wenn man die Kleinstserie mit den vielen gefrästen Teilen und die erstklassige Schussleistung betrachtet, ist der Preis mit 4.999,- Euro für die Geiger Rollenverschluss-Pistole sicherlich nicht günstig, aber absolut gerechtfertigt.
Weitere Informationen zur Geiger Rollenverschluss-Pistole erhalten Sie auf der Homepage von Geiger Technische Entwicklungen.
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finden Sie den kompletten Schießtest der Geiger Rollenverschluss-Pistole mit den verwendeten Laborierungen und allen ermittelten Streukreisen.
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