Test: Smith & Wesson M & P TS und NTS Pistolen in 10 mm Auto - stärker als die 9 mm Luger. Aber auch besser?

Adapterplatten für verschiedene Rotpunktvisiere
Smith & Wesson M & P TS und NTS: Nein, kein Dominospiel, sondern die zum Lieferumfang gehörende, sehr üppige Ausstattung mit Adapterplatten für verschiedene Rotpunktvisiere.

Als Reaktion auf die "Miami-Schießerei" suchte das FBI ab 1986 eine Patrone mit höherer Wirkung. Die 10  mm  Auto bot anfangs einige Vorteile: Sie war deutlich stärker als die beim FBI in Ungnade gefallene 9  mm  Luger, und toppte bei einer Patrone mehr im Magazin in einer Colt Delta  Elite (1911er  Basis) locker die Leistung der .45  ACP. Die damals wenig bekannte 10  mm  Auto war schon einige Jahre auf dem Markt. Sie wurde um 1980 von Colonel Jeff  Cooper, einem der Initiatoren der IPSC, prägend mitentwickelt. Ab 1983 lag von Norma  Precision die Patrone, und mit der Bren-Ten die passende Waffe vor. Auch Smith  &  Wesson aptierte die 10  mm  Auto in deren Modell  1076 und gewann die Ausschreibung des FBI gegen Colt. 1989 übernahm diese international bekannte Behörde Pistole und Munition dienstlich. Doch schon kurz nach der Einführung kritisierten viele FBI-Agenten, besonders weibliche, den starken Rückstoß. Je nach Laborierung lag die 10  mm  Auto um und über 750  Joule, also im Bereich eines Revolvers im Kaliber .357  Magnum. Über eine schwächere 10  mm-Laborierung (FBI-lite) führte die Entwicklung bald zur .40  S & W. Kaum eingeführt, lief die Dienstzeit der neuen Munition nebst Waffe also schon wieder ab. Die S & W-Pistole  1076 wurde in geringer Menge von etwa 2.400  Stück von 1989 bis 1993 produziert. Sie unterscheidet sich vom Grundmodell durch eine Drei-Punkt-Trijicon-Visierung, einen anderen Abzug, sowie der fehlenden Magazinsicherung. Für das FBI gab es die einreihigen Magazine statt mit  neun auch mit  elf und 15  Schuss. Um 1990 zahlte das FBI für eine S & W  1076 mit zwei  9-, vier  11- und einem 15-Schuss-Magazin 295,-  Dollar. Nach der Ausmusterung gelangten wenige FBI-Pistolen auf den zivilen Markt, heute sehr gesuchte Sammlerwaffen. Je nach Zustand, Historie, Anzahl der Magazine, und ob die Original-Schachtel gut erhalten ist, liegen die Preise zwischen 1.500,- und 3.000,-  Dollar. Die passende S  &  W-Pistole, 2.0:

Vier Wechselgriffrücken der Smith & Wesson M & P TS und NTS in 10 mm
Smith & Wesson M & P TS und NTS: Das im Zerlegebild neben dem Griffrücken sichtbare Stäbchen dient einmal als Lösehilfe beim Wechsel der Griffrücken. Die Zweitfunktion wird beim Zerlegen der Waffe nötig.

Seit 2021, also nach rund 28  Jahren, bietet Smith  &  Wesson wieder eine große Pistole in 10  mm  Auto an. Basis ist die bereits 2005 vorgestellte M & P. Auf einer bislang in schwächeren Kalibern (9  mm  Luger, .40  S & W und .45  ACP) produzierten Dienstwaffe ein 10-mm-Modell zu fertigen, spricht für die Qualität der Basisentwicklung. Denn die Adaption auf die 10  mm  Auto hat keine größeren Änderungen erfordert. Klar, eine angepasste Schließfeder musste her und ein längeres Patronenlager. Auch der knackgelbe  Zubringer des 15-schüssigen Magazins wurde angepasst. Ansonsten bleibt sich die M & P treu: Ein glasfaserverstärktes Polymergriffstück mit vier Griffrücken, der skurrile bewegliche Sear, ohne dessen Schwenkung die Waffe nicht zerlegt werden soll, und die üppige Ausstattung mit sieben Adapterplatten. Auffällig: Die "Positivliste" der Reflexvisiere für die Ten  Auto umfasst eher teure Derivate wie Trijicon, Leupold, Docter oder C-More.

Voller Durchblick: Mit dem Leupold Delta Point Pro Reflexvisier oder dem NOBLEX NV sight II plus Law Enforcement?

Rotpunktvisier von Noblex
Netter Versuch 2.0, aber diesmal von Leupold: Selbst das extra hohe Optics Ready-Visier der M  &  P reicht nicht für das hoch bauende Leupold-Reflexvisier. Wir nutzten im Test das zur Höhe des OR-Visieres besser passende Rotpunktvisier von NOBLEX.

Stirnrunzeln nach Montage des Leupold-Reflexvisieres: Trotz extrahoher Kimme und Korn sahen die Tester schwarz. Zwar nicht durch die Optik. Aber die Basis des Leupolds baut so hoch, dass selbst die gut zehn Millimeter hohe Kimme es nicht ermöglicht, beim Ausfall des Rotpunkts das "analoge" Zielbild abzugeben. Die Erklärung liegt in der oft behördlich wie militärisch zugelassenen Nutzung der von Smith  &  Wesson in ihrer Positivliste geführten Reflexvisiere. Diese sind dann, da extrem robust, entweder sehr teuer, wie das Trijicon  RMR, rund 900,-  Euro, oder günstiger, aber massiver gebaut, wie eben das Leupold Delta  Point  Pro für etwa 560,-  Euro. Der kleinste gemeinsame Nenner sind wohl die IPSC-Reflexvisiere von Noblex (vormals Docter), die preislich bei rund 450,-  Euro beginnen. 

Das Leupold Delta Point Pro und das NOBLEX NV sight II plus Law Enforcement (UVP 529.- €) waren die beiden Sights auf unseren Testwaffen für den Schießstand. Bei der Montage erfreute neben reichhaltigen Adapterplatten auch die Auswahl an Montageschrauben, diese waren bereits ab Werk mit Sicherungslack vorbereitet. Noch einmal runzelte sich die Stirn, als die kompakte S&W Military & Police neben dem Standardmodell lag. Deren Verschluss und Lauf sind rund 15  mm länger  -  das war es dann aber schon mit den Unterschieden. Der Grund für die marginale Differenz liegt wohl eher in den Importbeschränkungen mancher Länder, als im Bestreben, eine "richtige" Compact mit kürzerem Griffstück zu fertigen.

Auf dem Schießstand mit der Smith & Wesson M & P TS und NTS im Kaliber 10 mm Auto

Hornady Patronen
Hornady: Die beeindruckenden Dimensionen der 10 mm Auto (jeweils 2. von links und rechts) im Vergleich zur 9 mm Luger (jeweils außen) und der .45 ACP (mittleres Paar).

Als die Einschläge der Geschosse auf dem Schießstand dort lagen, wo der rote Punkt der Optiken hinzeigt, brachte es ein Tester kurz nach den ersten Messungen auf den Punkt: "Das ist eine heimliche Magnumpistole!" Gleich in doppelter Hinsicht, denn selbst die stärkste Laborierung mit über 800  Joule schoss sich überraschend beherrschbar und sehr präzise.

Wechselgriffrücken der Smith & Wesson M & P TS und NTS in 10 mm
Smith & Wesson M & P TS und NTS: Meckern über die Handlage wird bei der M  &  P schwierig. Vier Wechselgriffrücken passen für nahezu alle Handschuhgrößen.

So überraschend, dass wir nachgemessen haben. Des Rätsels Lösung sind die Griffrücken der M  &  P-Modelle, deren richtige Wahl die Sinnhaftigkeit variabler Griffe beweisen. Mancher "Zupacker" hält auch heute noch austauschbare Seitenplatten oder Griffrücken für Tinnef  -  schön, wenn jemand über schiere Kraft die 9  mm  Luger oder .40  S & W bändigen kann. Mädels oder zierlich gebaute Buben haben schon mit diesen relativ geringen Rückschlagwerten Probleme beim Schießen schneller Serien, wenn die Ergonomie des Griffstücks nicht zur Hand der Person passt. Viel Masse, wie bei einer Desert  Eagle, ist auch keine Option. Was an Rückschlagwerten durch deren hohes Gewicht gemindert wird, schlägt sich beim Führen oder Handhaben, sowie durch das mächtige Format, auf der Negativseite nieder. Die M & P liegt hingegen in allen Dimensionen wie auch Gewicht im Bereich ganz normaler Dienstpistolen. Eine kleine Einschränkung erfuhr der Test durch den derzeit herrschenden Munitionsmangel. Deshalb wurde auch die nicht mehr erhältliche PMC-Laborierung geschossen, die prompt den höchsten Energiewert lieferte. Für die subjektive Beurteilung des Impulses spielt das aber keine Rolle. Im Umgang gefiel an den Pistolen der überraschend gut definierte Druckpunkt des Abzugs, welcher trotz des anfänglich relativ hohen Abzugswiderstandes ein sauberes Abkommen ermöglichte. Anfänglich hoch meint, dass nach Auftrag von Liqui  Moly GUNTEC Waffenöl, der Widerstand von rund 2.600  Gramm auf knapp 2.200  g sank. Aufgelegt und mit dem richtigen Reflexvisier sind Gruppen um 60  Millimeter keine Zauberei. Störungen gab es im Test keine.

Alle technischen Daten und Preis der Smith & Wesson M & P TS und NTS in 10 mm Auto

Hersteller:

Smith & Wesson

Modell:
Military & Police M2.0 Optics Ready
Kaliber:
10 mm Auto 
Kapazität:
15 + 1 Patronen
L x B x H:
200 / 185* x 32 x 142 mm
Lauflänge:
115/102 ** mm
Dralllänge:
1: 406 mm (1 : 16“)
Abzugsgewicht:
ca. 2.000 g "unter Öl"
Gewicht:
ca. 860 g ***
Links-/Rechts Ausführung:Rechts- /Linksausführung
Preis:
937,-  Euro (921,- Euro Compact)

Ausstattung: Sieben Adapterplatten, vier Wechselgriffrücken, ein Ersatzmagazin, Kabelschloss. * = Länge Compact-Modell, **= Lauflänge Compact-Modell, *** = Gewicht Compact-Modell einschließlich Rotpunkt-

Visier. Zug-Feld-Lauf, fünfzügig, Rechtsdrall.

Test-Fazit zur Smith & Wesson M & P TS und NTS von Waimex

 Sichtbare Zerlegeposition zu schwenken
Smith & Wesson M & P TS und NTS: Die im Griffstück steckende Lösehilfe der Griffrücken dient auch dazu, den Unterbrecher (Sear) in die nötige, jetzt sichtbare Zerlegeposition zu schwenken. 

Neue 10 mm-Modelle anderer Hersteller werden wir demnächst testen, sobald sie verfügbar sind. Aber es sieht so aus, als ob S  &  W hier ein großer Wurf gelungen ist. Die Kombi von M & P und 10  mm  Auto ermöglicht selbst weniger trainierten Schützen Magnum  Power aus einer Standardpistole. Auch wenn "nur" eine bekannte Patrone mit einer bekannten Pistole zusammen kam, das Ergebnis überzeugt. Für alle, die Magnum-Leistung aus einer normalen Dienstpistole möchten, eine klare Kaufempfehlung. 

  Das hat uns gut gefallen:

  Das fanden wir weniger gut:

- Gut beherrschbare Magnum-Leistung der 10 mm Auto

- Top-Preis-Leistungsverhältnis der S&W Pistolen

- Die  relativ große Freifläche zwischen Verschluss und Griffstück


Die Schussleistung der Smith & Wesson M & P TS und NTS in 10 mm Auto können Sie in der detaillierten Tabelle in VISIER 10/2022 nachlesen. Das Heft können Sie – auch als ePaper – im VS Medien-Onlineshop kaufen.

Die Pistolen stellte Importeur Waimex, Hornady-Munition und Leupold der Importeur Helmut Hofmann und das Noblex Rotpunktvisier der Hersteller Noblex E-Optics zur Verfügung.

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