Die Jüngste ist die Längste – so titelte VISIER 2013 beim Debüt der bislang neuesten Neun-Para-Pistole aus Steyrs Reihe: L9-A1 heißt sie. Die Neue hat ein Schlagbolzenschloss, ein teilvorgespanntes Abzugssystem (Reset Action System) und die bewährte, modifizierte Browning-Petter-SIG-Verriegelung, die den Lauf über den von SIG eingeführten Riegelblock im Auswerferfenster des Schlittens arretiert. Ebenfalls an der L9-A1 findet sich der neue Kunststoffrahmen mit dem überarbeiteten Griffbereich und der Picatinny-Zubehörschiene vorm Abzugsbügel am Dustcover. Was ist neu an der L9-A1? Zum ersten besteht der Hauptunterschied in der Länge; der Lauf wurde vorsichtig auf 115 mm gestretcht (M9-A1: 102 mm Lauflänge).
Logischerweise wirkt sich das auch auf die Länge der Visierlinie aus – zur Freude der Sportler, weil sich so das Zielen im Vergleich zu den älteren und kompakteren Versionen natürlich erleichtert. Da der Schlitten nun vorn mehr Platz bietet, nutzte Steyr die Chance und brachte hier auf beiden Flanken ebenfalls Durchladeriffelungen an. Auch die Visierung ist neu – anstelle der sonst bei Steyr gängigen Dreiecks-Zieleinrichtung thront auf dem Schlitten eine übliche Stahlkimme mit weißen Dots neben einem Rechteck-Ausschnitt und ein dazu passendes, stählernes Balkenkorn mit einem zur Abwechlung einmal roten Punkt. Der soll bei schlechtem Licht ein schnelleres Zielaufnehmen gewährleisten – womit auch gleich das Testfeld erreicht wäre.
Zum Test der Steyr L9-A1
Die neue Visierung bot Lichthöfe, die Scheibensportlern wohl etwas zu breit erscheinen dürften, die aber für rasches Ins-Ziel-Gehen gerade richtig wirken. Freilich sahen sich die Augen aller Tester durch den roten Punkt irritiert. Das Weiß der Kimmenpunkte reflektiert das Licht besser als das Rot im Korn. Und wieder ist nichts höhenverstellbar, was aber bei einer Allround-Waffe in Full-Size-Anmutung wünschenswert wäre (-2 Punkte). Die Bedienelemente waren gut zu erreichen, auch wenn die L9-A1 mit ihrer ausgefallenen Sicherung niemanden begeisterte: Über der senkrechten Partie des Abzugsbügels sitzen links und rechts zwei Mini-Zapfen, die aussehen wie die Zerlegeschieber einer Glock – das ist die Sicherung. Drückt man sie runter, ist der Abzug blockiert und direkt vor ihm senkt sich eine Platte abwärts. Hebt man die per Zeigefinger an, ist das Gerät wieder scharf. Very old school, das gab es zuletzt 1967 beim Ruger Mini 14 und galt schon da als mächtig schräg (-1 Punkt).
Beim Abzugs-Griff-Design gilt das zur M9-A1 Gesagte: Prinzipiell gut, abzüglich der fehlenden Individualisierbarkeit (-1 Punkt). Auch die Verarbeitung lag auf dem hohen Niveau der M9-A1 (-1 Punkt) – nicht aber der Bereich Repetierablauf/Sicherheit: Die L9-A1 verärgerte durch eher schwach ausgeworfene Hülsen und sorgte mehrfach für heißes Messing auf empfindlicher Haut (-1Punkt), aber es gab auch mit schlaffem Handgelenk (limp wristing) gehaltener Waffe keine Funktionsstörung. Der Abzug war etwas besser als bei der M9-A1, löste aber ebenfalls erst nach leichtem Haken und Kriechen aus (- 2 Punkte). Bei der Präzision kam die L9-A1 auf eine Spitzengruppe von sehr guten 46 mm (-7 Punkte).
Testfazit zur Steyr L9-A1
Die L9-A1 bereichert eine bewährte Reihe von Pistolen, bietet solide Leistung zu einem sehr annehmbaren Preis, ist angenehm zu schießen. Und Alternativen zu der eher unglücklichen Rot-Weiß-Weiß-Lösung von Kimme und Korn gibt es auch, etwa durch eine Visierung mit Tritium-Einsätzen.
VISIER-Bewertung der Steyr L9-A1 in 9 mm Luger:
VISIER-Bewertung | Punkte |
Präzision (max. 50 Punkte) | 43 Punkte |
Repetierablauf/Sicherheit (max. 10 Punkte) | 9 Punkte |
Abzugscharakteristik (max. 10 Punkte) | 8 Punkte |
Abzugs-Griff-Design (max. 5 Punkte) | 4 Punkte |
Bedienelemente (max. 10 Punkte) | 9 Punkte |
Visierung (max. 5 Punkte) | 3 Punkte |
Verarbeitung (max. 10 Punkte) | 9 Punkte |
Gesamtpunktzahl (max. 100 Punkte) | 85 Punkte |
Testurteil | sehr gut |
Prädikate | 5 von 6 |
Schießtest: Steyr L9-A1
Nr | Fabrikpatrone | Streukreis | v2 | E2 |
1. | 115 grs GECO JHP | 99 (75) mm | -/- | -/- |
2. | 123 grs Fiocchi FMJ | 131 (85) mm | -/- | -/- |
3. | 124 grs Hornady Tap CQ | 112 (86) mm | -/- | -/- |
4. | 124 grs Remington Golden Saber + P JHP | 128 (90) mm | -/- | -/- |
5. | 125 grs Hornady Steel Match JHP | 46 mm | -/- | -/- |
Hinweise: Streukreis = 5-/4-Schuss-Gruppen, geschossen über 25 Meter Distanz von der Sandsackauflage, angegeben in Millimetern, gemessen von Einschussmitte zu Einschussmitte.
Wegen technischer Panne am Messgerät in diesem Fall keine v2- und E2-Daten.
JHP = Jacketed Hollow Point
CQ = Close Quarters (Nahdistanz)