Denken Sie mal darüber nach: Schwere, solide Ganzstahlpistolen mit 5”-Lauflänge und sportlicher Ausstattung im Universalkaliber 9 mm Luger im Preisbereich von ca. 1.600 Euro sind dünn gesät. Von daher könnte das brandneue SIG SAUER X-Series Einsteigermodell X-Press, das alleine schon aufgrund seines Eigengewichts für ein sanftes Schussverhalten sorgt, ein echt heißer Anwärter auf die „Pole Position“ in dieser Preisklasse sein. Sie rundet als „Low Budget“-Version die neue SIG SAUER X-Series Matchpistolen-Baureihe gelungen ab.
SIG SAUER X-Press: Der Preis ist heiß!
Das sportliche Pistolenmodell X-Press hat innerhalb des SIG Sauer Produktportfolios schon eine gewisse Vergangenheit, denn die Geschichte beginnt bereits im Jahre 1998 mit der Erschaffung der P226 SL, die statt auf einem Leichtmetallrahmen und Blechprägeverschluss des erfolgsverwöhnten Klassikers P226 nun auf Hauptbestandteilen aus rostträgem Stahl („stainless steel“) aufbaute.
Neben der größeren Haltbarkeit erhielt die P226 SL nun auch rund 200 Gramm mehr Gewicht bei ausgeprägterer Vorderlastigkeit, so dass bereits damals die Grundsteine für eine solide Sportwaffe gelegt waren. Drei Jahre später folgte die P226 SL mit einem Matchlauf mit 15 mm anstatt wie bisher üblich 13,5 mm Durchmesser, überarbeitetem Abzugssystem und vollwertigem Mikrometervisier, was die Geburtsstunde der „X-Press“ markierte.
Mit der Programmerweiterung in den Jahren 2004 und 2005 durch die Ganzstahl-Matchpistolen X-Five (und X-Five Allround mit Spannabzug) mit 5”-Lauf und X-Six mit 6”-Lauf geriet die kompaktere X-Press über die Jahre etwas ins Hintertreffen. Durch die im eigenen Hause entwickelte Konkurrenz war es nur eine logische Konsequenz, dass im Rahmen einer Modellbereinigung die X-Press vor nicht allzu langer Zeit zunächst aus dem Programm gestrichen wurde.
2013: Neustart der SIG SAUER X-Press
Die brandneue X-Press hat mit dem einstigen Vorgängermodell kaum noch Gemeinsamkeiten. Denn es handelt sich nicht um eine Sportversion im Dienstpistolenformat mit Double Action/Single Action-Abzugssystem in Kombination mit Entspannhebel und 4,4”/112 mm Lauf, sondern vielmehr um eine abgespeckte Variante der neuen X-Five mit 5”/127 mm Lauf.
Die X-Five wird in den drei Ausstattungsstufen “Classic” (2.599 Euro), “Match” (2.769 Euro) sowie “Supermatch” (2.899 Euro) angeboten und sicherlich werden Sie sich fragen, wie der immense Preisvorteil des neuen X-Press Modells zu gegenüber den X-Five Varianten überhaupt möglich ist.
Wie wird die SIG SAUER X-Press zum Preisbrecher?
Um ein Einsparvolumen von 1.000 bis 1.300 Euro für potentielle Kunden realisieren zu können, musste man bei SIG SAUER exakt die Spezifikationen festlegen, wie der hauseigene Mindestanspruch in Sachen Qualität und Ausstattung der neuen X-Press Sportpistole aussehen sollte. Erster Schritt war eine deutliche Vereinfachung des Abzugssystems, das großes Einsparpotential bot. Durch den Komplettwegfall von einzelnen Baukomponenten der komplexen Mechanik, die sich bei den teureren Modellen in Abzugsgewicht, Durchfallweg des Abzuges nach Schussauslösung (Triggerstop) sowie Abzugszungenposition nach persönlichen Präferenzen einjustieren lässt, wurde tüchtig rationalisiert. Wer darauf verzichten kann, erhält trotzdem einen klaglos und sauber funktionierenden, einfachen Single Action Abzug ohne großartige Verstellmöglichkeiten, der bei unserem Testexemplar mit minimalem Kriechen auslöste. Allerdings betrug das Abzugsgewicht satte 2.165 Gramm, was im Vergleich zu den höherpreisigen X-Series Modellen, deren vielseitig justierbare Abzüge im Mittelwert bei rund voreingestellten 1.300 Gramm auslösten , eben den Unterschied ausmacht.
Im nächsten Schritt wurden die Zielelemente so modifiziert, dass nun ein starres Visier anstelle anstatt eines verstellbaren Mikrometervisiers auf der Oberseite des X-Press Schlittens thront, so dass eine Treffpunklagenkorrektur lediglich durch seitliches Verschieben des im Schwalbenschwanz geführten Korns, oder der Kimme in der Adapterplatte der erfolgen kann. Weil die Verschlusseinfräsung von Hause aus auf alle zur Verfügung stehenden Visiere und ihre Dimensionen ausgelegt ist, kann die Mikrometerkimme als „drop in part“ auch nachträglich vom Schützen selbst ohne jegliche Nacharbeiten montiert werden. Dem Rotstift zum Opfer fielen auch die hochwertigen Griffschalen aus glasfaserverstärktem G-10 Material oder Nußbaumholz. Stattdessen entdeckt man am Einsteigermodell simple Panelen aus Nylonkunststoff, die aufgrund ihrer Oberflächenbeschaffenheit aber dennoch ausreichend Gripp liefern.
Im MIM („Metal Injection Molding“) Verfahren hergestellte Baukomponenten, wie sie mittlerweile von vielen Firmen bei der Fertigung von geometrisch aufwendigen Teilen mit geringer bis mittlerer Beanspruchung verwendet werden, spielen auch bei der X-Press eine gewichtige Rolle. Beim Metallpulverspritzgießen wird reines Metallpulver mit Korngrößen von 5-20 µm mit einem Binder in Form gebracht. Durch anschließendes Entbindern und Sintern unter Vakuum entstehen hochkomplexe, filigrane, endkonturnahe, einbaufertige und belastbare MIM-Formteile. Bei der neuen preisgünstigen SIG SAUER X-Press wurden unter anderem Verriegelungsblock, Abzug, Hammer, Abzugsstollen („sear“) oder auch der Magazinknopf mit dieser Methode gefertigt.
SIG SAUER X-Press: Blick auf das Wesentliche
All diese Rationalisierungsmaßnahmen führen in der Summe zu einem massiven Preisunterschied, wobei in Sachen Materialqualität keinesfalls nur der Rotstift regiert hat. Denn eine alte oder brandaktuelle, deutlich teurere X-Five basiert - wie die hier vorgestellte X-Press - auf den identischen Hauptbestandteilen.
Wie bereits eingangs erwähnt, werden die Griffstücke sämtlicher Ganzstahlvarianten im Gesenk geschmiedet und anschließend auf modernen, mehrachsigen CNC-Maschinen weiter bearbeitet. Weil X-Five- und X-Press-Rahmen baugleich sind, entdeckt man auch bei der „Sparausführung“ das maschinengeschnittene Checkering an der Front des Griffstücks und Abzugsbügels.
Der Verschluss wird aus einem Strangprofil herausgearbeitet, somit aus dem Vollen gefräst und der kalt gehämmerte Lauf mit hinterdrehter Mündung weist die typische Dralllänge von 1-10” (250 mm) auf. Unter dem Lauf positioniert ist die zweiteilige, mündungslange Federführungsstange mit zwei hintereinander geschalteten Schließfedern unterschiedlicher Federrate/Stärke, die eine Mensch und Maschinen schonende, zeitliche Aufspaltung des Rückstoßes mit sich bringen soll. Im Kaliber 9 mm Luger wurden bereits vor einiger Zeit die aus zwei Drahtseelen gedrillten Verschlussfedern durch Eindrahtfedern mit geringerer Federrate ersetzt, was nochmals zu einer Verbesserung des gefühlten Schussverhaltens führte. Bei der hier gezeigten Single-Action-Variante der neuen X-Press wird die Abzugseinheit mit der beidseitig ausgelegten Drehflügelsicherung am Rahmen nach 1911er Bauart kombiniert.
Die technischen Daten der SIG SAUER X-Press
Hersteller: | SIG
SAUER |
Modell: | P226
X-Press |
Kaliber: | 9 mm
Luger |
Magazinkapazität: | 17
Patronen |
Griffstück: | Stainless
Steel |
Verschluss: | Stainless
Steel, 332 Gramm |
Lauflänge,
Laufprofil: | 127
mm,6 Züge-Felder, Rechtsdrall |
Laufdiameter,
Dralllänge: | .356“,
1-250 mm |
Kimme: | 3,75
mm, Fixes Visier |
Korn: | 3,5
mm. Rampenkorn mit weißem Leuchtpunkt |
Visierlänge: | 186 mm |
Sicherung: | beidseitige
Drehhebelsicherung am Griffstück, Fallsicherung |
Abzugssystem,
Widerstand*: | SA:
2.032-2.280 Gramm, Mittelwert: 2.165 Gramm |
Gesamtgewicht:
(incl. Magazin) | 1.260
Gramm |
Maße: | 223 x 152 x 40
mm |
Extras: | Reservemagazin,
Hartschalenkoffer |
Preis: | ab
1.599 Euro |
* Mittel aus 5 Messungen mit der Lyman Digital Trigger Gauge
SIG SAUER X-Five: Modular und ausbaufähig
Darüber hinaus ist die neue X-Press extrem wandlungs- und ausbaufähig. So könnte beispielsweise die Single-Action-Abzugseinheit mit beidseitiger 1911er Sicherung gegen eine Abzugsgruppe mit Spannabzug und Entspannhebel ausgetauscht werden, wobei dieser Job im SIG SAUER Mastershop oder von einem qualifizierten Büchsenmacher erledigt werden sollte. Nach Aussagen von SIG SAUER wurde der neuen X-Press als DA/SA Variante auch schon die Zulassung für die IPSC Production Division zugesagt. Weil das brandneue Einsteigermodell mit der üppigen X-Series Zubehörpalette kompatibel ist, lässt es sich ganz nach Belieben ausbauen.
Neben auch in ästhetischer Hinsicht gelungenen Rahmengewichten lassen sich beispielsweise für die Nutzung der X-Press in „freien“ oder „offenen“ Waffenklassen auch Leuchtpunktvisiermontagen anbringen. Darüber hinaus ist auch die Kompatibilität mit SIG SAUER Wechselsystemen gegeben, so dass die X-Press nachträglich auch mit einem Oberteil mit 6”/152-mm-Lauf ausgerüstet werden könnte. Das noch in der Abschlussphase der Erprobungen befindliche und laut Firmenangaben zum Ende des Jahres lieferbare Kleinkaliber-Wechselsystem wird sich ebenfalls im Handumdrehen aufsetzen lassen, so dass dem günstigen Training oder der erweiterten sportlichen Verwendung nichts mehr im Wege steht.
Präzisionstest: Mit der SIG SAUER X-Press auf dem Schießstand
Hier sollte die Stunde der Wahrheit für die brandneue X-Press schlagen, schließlich sollte sie eingespannt in der Ransom Rest Schießmaschine beweisen, ob sie wirklich das Zeug zum günstigen Allroundsportler hat. Die frohe Botschaft vorab: Bei einem Dutzend verwendeter Munitionssorten, zehn Fabrik- und zwei Handlaborierungen mit einem Geschossgewichtsspektrum von 95 bis 147 Grains und rund 300 verfeuerten Patronen gab es nicht eine einzige Funktionsstörung.
Die beste 10-Schuss-Gruppe auf der 25-Meter-Distanz erzielten wir diesmal mit der Magtech Unterschall Fabrikmunition mit dem schweren 147 Grains Hohlspitzgeschoss, bei der die am weitesten entfernten Schusslochmitten gerade einmal 28 Millimeter auseinander lagen.
Die durchschnittliche Präzision der X-Press als theoretischer Mittelwert aller zwölf Munitionssorten betrug dann sehr ordentliche 47 mm. Alle weiteren Ergebnisse können Sie in der folgenden Ballistik-Tabelle nachlesen.
Schussleistung SIG SAUER X-Press in 9 mm Luger
Geschoss-Gewicht-Hersteller- Typ-Form-Dia | Laborierung-Menge
(grs.)-Hersteller-Sorte | OAL in mm | v2 in m/s | v2-Diff. in m/s | Faktor | MIP | Präzision in mm | Bemerkungen zu den Laborierungen |
95
Magtech JSP TC .355“ | Magtech
(Fabrik) | 26,9 | 415,9 | 23,7 | 129,6 | 256,0 | 32 | schnelle
Scheibenpatrone |
115
Magtech JHP TC .355“ | Magtech
(Fabrik) | 28,1 | 350,7 | 11,0 | 132,3 | 261,3 | 57 | diesmal
enttäuschend |
115
Remington JHP TC .355“ | Remington
(Fabrik) | 27,2 | 352,7 | 15,1 | 133,0 | 262,8 | 53 | Alternative
zu Magtech 115 JHP |
123
LOS TMJ TC .355“ | 4,2
Vihtavuori N330 | 28,5 | 319,9 | 20,6 | 129,0 | 255,0 | 77 | Diagonalstreuung |
124
GECO FMJ OG .355“ | GECO
(Fabrik) | 29,3 | 337,1 | 19,3 | 137,1 | 270,9 | 69 | günstige
Standardpatrone |
124
S&B FMJ OG .355“ | S&B
(Fabrik) | 29,5 | 339,2 | 24,3 | 138,0 | 272,6 | 70 | günstige
Standardpatrone |
125
Hornady HAP TC .355“ | Hornady
Steel Match (Fabrik) | 27,1 | 338,3 | 14,1 | 138,7 | 274,0 | 41 | Fabrikp.
mit HAP Geschoss |
125
Hornady HAP TC .355“ | 5,2
Hodgdon Longshot | 28,5 | 335,8 | 18,9 | 137,7 | 272,0 | 32 | Referenz
Handladung |
147
Federal FMJ TC .355“ | Federal
AE (Fabrikp) | 27,1 | 291,5 | 9,5 | 140,6 | 277,7 | 33 | softe
Unterschall-Laborierung |
147 Magtech JHP TC .355“ | Magtech
(Fabrik) | 29,2 | 297,7 | 8,0 | 143,6 | 283,6 | 28 | bestes
Ergebnis im Test |
147
Magtech FMJ TC .355“ | Magtech
(Fabrik) | 29,1 | 294,8 | 32,5 | 142,2 | 280,8 | 39 | hohe v2
Schwankung |
147
Prvi Partizan JHP TC .355“ | Prvi
Partizan (Fabrik) | 28,1 | 292,9 | 11,3 | 141,3 | 279,0 | 36 | softe
Unterschallpatrone |
Durchschnitt
der Laborierungen | 47 |
Abkürzungen in caliber: Alle Geschoss- und Pulvergewichte in Grains (zum Umrechnen in Gramm bitte mit 0,0648 multiplizieren). v2 = Geschossgeschwindigkeit in Meter pro Sekunde, 2 Meter vor der Mündung gemessen. OAL = Overall Length = Patronengesamtlänge. FMJ = Full Metal Jacket = Vollmantel. HAP = Hornady Action Pistol = Hohlspitz-Matchgeschoss. JHP = Jacketed Hollow Point = Teilmantel-Hohlspitzgeschoss. OG = Ogive. TC = Truncated Cone = Kegelstumpf. Testaufbau: Die Geschossgeschwindigkeit (v2 in Meter pro Sekunde) wurde mit einer Mehl BMC 18 Anlage gemessen. Die Präzisionsüberprüfung erfolgte mit je einer 10-Schuss-Gruppe aus der Ransom Rest Schießmaschine auf der 25-Meter-Distanz. Die Schussbilder beziehen sich auf die am weitesten auseinander liegenden Schusslochmitten. Die Klammerwerte geben die Präzision ohne einen Ausreißer an. Alle Handlaborierungen in neuen Remington Hülsen mit Federal 100 Small Pistol Standard Zünder und Taper Crimp. Alle Ladeangaben ohne Gewähr. Jeder Wiederlader handelt nach dem Gesetz eigenverantwortlich!
Das genauere Studium lohnt sich, dokumentiert sie doch die solide Schussleistung der Testwaffe, denn die Hälfte aller Laborierungen lag unter der 40 Millimeter-Marke. Interessanter Weise schmeckte „unserer“ X-Press Munition in Form der Subsonic Laborierungen mit schwerem 147 Grains Geschossgewicht besonders gut.
SIG SAUER X-Press - das Fazit von caliber
Nach den von uns bisher gesammelten Erfahrungen ist die neue SIG SAUER X-Press eine grundsolide Ganzstahlwaffe zu einem sehr attraktiven Preis, die in Verarbeitung, Funktion und Schussleistung überzeugen kann. Hierbei ist das Baukastenprinzip der gesamten neuen X-Series und somit auch die Wandlungs- und Ausbaufähigkeit ein weiterer, entscheidender Pluspunkt der X-Press.
Somit gehen die verlangten 1.599 Euro für die hier erstmals vorgestellte Standardvariante absolut in Ordnung.
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