Mit der P320-Reihe produziert SIG Sauer eine Pistole, die innovative Elemente kombiniert. Das Konzept der auswechselbaren Griffstücke mittels eines neuen, verschlusstragenden Stahlrahmens, nach Bauart der P250 DCc, zieht auch in die P320-Familie ein. Polymergriffstücke sind zwar schon lange keine Marktneuheit mehr, allerdings haben sie sich in den letzten Jahrzehnten bewährt, ebenso wie das Schlagbolzenschloss (striker fired system). Die SIG Sauer P320 kombiniert nun erstmals all diese Konzepte in einer Pistole.
SIG Sauer P320 und P250 - die Technik
Die drei Prüflinge P250 Fullsize, P320 Compact und P320 Fullsize basieren auf demselben Funktionsprinzip. Sie lassen nach dem Abfeuern ihren Lauf per Browning-Petter-SIG-System abkippen und verriegeln mit ihrem Patronenlager im Auswurffenster – offene Steuerkulisse inklusive. Der grundlegende technische Unterschied: Die P250 ist eine Pistole mit außenliegendem Hahn mit Double-Action-Only-Abzugsystem (DAO). Bei P320 Compact und Fullsize handelt es sich um Striker-Fired-Pistolen. Ihr Schlagbolzen spannt sich beim Repetieren des Verschlusses.
Schon über zehn Jahre ist es her, dass SIG Sauer die P250 DCc vorstellte. Damalige Neuheit im Polymerpistolen-Segment: Das werksintern als Rahmen bezeichnete Kernstück der Waffe als zentrale Baugruppe. Dieser Rahmen nimmt den Schlitten auf, enthält die Abzugsmechanik und trägt die Seriennummer eines wesentlichen Waffenteils. Das Verschlussgehäuse verbindet sich direkt mit dem Rahmen und nicht mehr wie üblich mit dem Griffstück. Das Polymergriffstück der P250 DCc ist somit kein wesentliches Waffenteil gemäß Waffengesetz und folglich frei zu erwerben. Da SIG Sauer passend dazu mehrere Polymergriffstücke anbietet, erfreuen sich viele Hände einer besseren Waffenhaptik. Denn die verschiedenen Griffstücke sind vom Gesamtvolumen angepasst und begnügen sich nicht nur mit dem Auswechseln von Seiten- oder Heckpartien. SIG Sauer stützte sich bei deren Entwicklung auf eine Untersuchung für die SIG Sauer P250. Dazu wurden 40.000 Griffstücke hinsichtlich der Griffergonomie vermessen. Danach entschied man bei SIG Sauer, dass drei unterschiedlich große Griffstücke 80 bis 90 Prozent aller Handgrößen abdecken können. Diese Griffstückmodularität floss auch in die Entwicklung der SIG Sauer P320 Familie (Fullsize, Compact, Carry) ein.
SIG Sauer verspricht, dass der Ausbau der Rahmen aus den Griffstücken ohne Werkzeug möglich ist. Bei den getesteten Waffen geht dies sehr leicht. Nach dem Entfernen des Verschlusses muss der Daumen bloß den Zerlegehebel eindrücken und herausschieben. Dann lässt sich der Rahmen recht einfach nach oben aus dem Polymergriffstück herausnehmen.
Waffenüberblick:
Die P320 Compact kam in dem typischen, schwarzen SIG-Sauer-Plastikkoffer, mit insgesamt drei 15-Schuss-Magazinen und einem Kunststoff-Holster: eine umfangreiche Ausstattung. Die SIG Sauer P250 Fullsize wurde hingegen nur in einem bedruckten Karton mit einem beigefügten Pistolenschloss angeliefert. Ihr lagen drei Magazine (17-Schuss) bei. Zum Lieferumfang der SIG Sauer P320 Fullsize gehörten dagegen nur zwei Magazine. Die Magazine aller Kandidaten bestehen aus einem Metallkorpus inklusive Feder, einem abschiebbaren Plastikboden und einem Kunststoff-Zubringer. Sie sind sauber verarbeitet und tragen auf ihrer rechten Seite drei Prüflöcher bei den Ladeständen für 5, 10 und 15 respektive 17 Patronen. Die drei Testwaffen feuern allesamt das Kaliber 9 x 19 mm ab. In den USA umfasst die Kalibervielfalt neben 9 mm Luger auch .357 SIG, .40 S & W und .45 ACP.
Abzugszüngel, Schlittenfanghebel, Demontagehebel und die Magazintaste sind die einzigen Bedienelemente an den drei Waffen. Jede Pistole hat beidseitige Schlittenfanghebel. Die Magazintaste muss hingegen immer links eingedrückt werden. Insgesamt eine einfache und schnell einprägsame Bedienung.
Die P320-Versionen können ihre Ähnlichkeit zur P250 nicht verleugnen. Die Griffstücke sind in der jeweiligen Klasse optisch identisch. Angeraute Griffstellen, das mündungslange Dust Cover und die Picatinny Rail unterstreichen den ersten visuellen Eindruck. Auch die Bedienelemente wirken identisch platziert. Neben der unterschiedlichen Technik der Pistolen unterscheiden sich äußerlich vor allem die Schlitten voneinander: Während die P250 nur im hinteren Bereich des Verschlusses auf Griffrillen setzt, erinnert an ihren Flanken die markentypische, prägnante Kante an die legendären, alten Dienstpistolen im Stil der SIG Sauer P220. Auf dieses stilistische Funktionselement verzichtet die neue P320-Reihe. Stattdessen tragen bei den Pistolen dieser Reihe die Verschlüsse im vorderen Bereich je sieben zusätzliche Greifrillen auf jeder Schlittenflanke. Die Verarbeitung der drei für diesen Artikel geprüften Selbstladepistolen erwies sich als hochwertig. Sowohl die Brünierung der Schlitten und die Fräsung der Metallteile als auch die Kanten der Polymergriffstücke lassen keinen Tadel zu.
SIG Sauer P320 und P250 auf dem Schießstand
Die SIG Sauer P250 und die P320 Compact ließen sich mit allen Laborierungen störungsfrei abfeuern. Die Tester schossen die Pistolen auf 25 Meter Distanz sowohl eingespannt aus der Ransom-Rest-Schießmaschine als auch stehend beidhändig. Die Streukreise wurden eingespannt in Serien zu je fünf Schuss ermittelt. Die P250 legt hier vor: Mit Streukreisen zwischen 50 bis 136 mm liegt sie im Schnitt von behördenüblichen Polymerpistolen. Wobei mit den 115 Grains schweren Hohlspitzgeschossen von UMC das beste Schussbild ohne Ausreißer entstand. Die Geco Hexagon kam mit einem 60 mm Streukreis auf Platz Zwei. Einzig die 123-Grains-Fiocchi lieferte einen nennenswerten Ausreißer, nach dessen Abzug sie aber wieder im Schnitt der anderen Laborierungen liegt. Die Abzugscharakteristik der P250 macht deutlich: Dies ist keine Sportpistole. Der Double-Action-Only-Abzug besitzt einen sehr langen Abzugsweg bei gleichbleibender Druckintensität und keinen klaren Druckpunkt. Nach dem Auslösen fällt der Drücker noch einige Millimeter durch. Bei Behörden und in der Sicherheitsbranche können solche Abzüge sicherlich punkten, da ein ungewolltes Auslösen durch den langen Abzugsweg vermindert wird. Das ermittelte Abzugsgewicht von 3.250 Gramm passt sehr gut zu diesem Abzugskonzept. Die starre Visierung mit ihren drei weißen Kontrastpunkten ermöglicht hingegen auch Sportlern eine schnelle Zielerfassung. Für eine Polymerpistole im Kaliber 9 mm Luger schießt sich die P250 vergleichsweise sanft.
Nach Abzug der Ausreißer liegt auch die P320 noch im Schnitt der Polymerpistolen ihrer Klasse (Compact-Klasse). Die 123 Grains schweren Vollmantel-Geschosse von Fiocchi erzielten mit Abstand die engsten Streukreise (72 mm). Geco Hexagon, Prvi Partizan und UMC lagen recht nah bei einander, wobei der 124 Grains schweren Hexagon mit einem Streukreis von 75 mm der zweite Platz gebührt. Die Softpoint-Munition von Sellier & Bellot erzeugte die schlechteste Schussgruppe. Selbst nach Abzug eines Ausreißers lag sie nicht mehr im Mittelfeld der für Compact-Pistolen üblichen Schussgruppen. Auch die P320 Compact ist keine Sportpistole. Als Backup-, Selbstverteidigungs- oder Fangschusswaffe ist sie aber überaus nützlich. Auf kürzeren Schussentfernungen spielt sie ihre Stärken aus: Die Waffe liegt äußerst führig und handlich. Ihre Visierung lässt den Schützen ebenso zügig wie bei der P250 ins Ziel gehen. An den Abzug muss man sich indes gewöhnen. Bis zum Erreichen des Druckpunktes ruckelt und kratzt der Abzug etwas, steht dann trocken und fällt anschließend noch 2 bis 3 mm durch. Zwar besitzt die P320 Compact einen Druckpunkt und weist auch noch ein Abzugsgewicht von 3.600 g vor, den Testern kam es trotzdem vor, als bräche der Abzug zu schnell. Der Druckpunkt ist zu rasch überschritten und das an und für sich doch hohe Abzugsgewicht fällt subjektiv nicht auf. Der Abzug eignet sich aber für Situationen, in denen unbedingt gefeuert werden muss.
Da die P320 Fullsize zum Testzeitpunkt noch nicht in Deutschland erhältlich war, absolvierte sie ihren Test in den USA. Das geschah sitzend aufgelegt von einem Anschusstisch auf 17 Yards (zirka 15,5 Meter). Dabei gelangen recht enge Schussgruppen von 38 bis 44 mm. Die 147 Grains schwere Cor-Bon Performance Match lieferte das beste Schussbild. Die anderen beiden Ladungen lagen mit je 44 mm Streukreisen gleichauf. Außerdem bestätigten sie der Pistole eine gute Balance und einen sanften Rückstoß. Das Abzugsgewicht beträgt wie bei der Compact zirka 3.600 g. Umstritten war dessen Charakteristik.
Vergleich SIG Sauer P320 und P250 Test-Fazit
Die neuen SIG Sauer P320 Pistolen können sich mit neuen ergonomischen und technischen Elementen von der SIG Sauer P250 absetzten. Auf 25 Meter ist das Schussbild der SIG Sauer P320 Compact für eine Pistole der Kompaktklasse in Ordnung. Als Back up-, Verteidigungs- oder Fangschusswaffe wird sie in der Regel mit geringeren Entfernungen konfrontiert werden. Das Schussbild der SIG Sauer P320 Fullsize war auf 15,5 Meter ebenfalls akzeptabel. Auch die P250 liegt hier im Rahmen der Standard-Polymerpistolen. Die Zuverlässigkeit aller getesteten Waffen war sehr gut. Es gab keine Funktionsstörungen. Ebenfalls waren alle Tester mit der Qualität der Pistolen zufrieden, auch hier gibt es nichts zu tadeln. Die einfache, teilweise beidseitige Bedienung und das modulare Griffstücksystem sind ein weiterer Punkt für die Pistolen der P250- und P320-Reihe.
Hier kommen Sie zur Bildergalerie des Vergleich der Pistolen SIG Sauer P320 Compact und P250.
Weitere Informationen über die Pistolen SIG Sauer P320 und P250 erhalten Sie direkt auf der Webseite von SIG Sauer.
Hier kommen Sie zum umfangreichen Test der SIG Sauer P320 Compact in 9 mm Luger von caliber.